CO2-Grenzwerte für Lkw und Busse
Berlin: (hib/SCR) Die geplanten EU-Flottengrenzwerte für den CO2-Ausstoß schwerer Nutzfahrzeuge sind am Mittwoch bei einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit auf ein gemischtes Echo gestoßen. Am Dienstag hatten sich Unterhändler von Kommission, Rat und EU-Parlament im Rahmen von Trilog-Verhandlungen auf einen gemeinsamen Vorschlag geeinigt: Demnach sollen die durchschnittlichen CO2-Emissionen von Lkw und Bussen gegenüber dem Referenzjahr 2019 bis 2030 um 30 Prozent sinken. Für 2025 ist als ein Zwischenziel eine Minderung von 15 Prozent vorgesehen. Zudem sollen emissionsarme beziehungsweise emissionsfreie Antriebe gefördert werden.
Nach Darstellung der EU-Kommission machen Emissionen schwerer Nutzfahrzeuge aktuell sechs Prozent der Gesamtemissionen und 25 Prozent der CO2-Emissionen im Straßenverkehr aus. Ohne Maßnahmen würden die CO2-Emissionen zwischen 2010 und 2030 aufgrund des wachsenden Verkehrsaufkommens um neun Prozent zunehmen, schätzt die Kommission in der Begründung ihres Vorschlages (KOM(2018)284). Für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge hatte die EU im Dezember verschärfte Flottengrenzwerte beschlossen, Lkw und Busse waren bisher nicht in dieser Form reguliert.
Grundsätzlich positiv bewertete in der Anhörung Daniel Rieger vom Naturschutzbund Deutschland (NABU) das Konzept der CO2-Flottengrenzwerte. Damit würden Anreize gesetzt, damit Hersteller entsprechende Fahrzeuge lieferten, die bereits jetzt nachgefragt würden. Für die Erreichung der Klimaziele sei allerdings sei ein höheres Ambitionsniveau nötig. Der NABU fordert in seiner Stellungnahme für 2025 ein CO2-Minderungsziel von 25 Prozent und für 2030 von 45 Prozent.
Auch Peter Mock vom International Council on Clean Transportation mahnte Ambitionssteigerungen an. Der aktuelle Vorschlag sei zwar ein „wichtiger und guter Schritt in die richtige Richtung“, aber aus Perspektive des Klimaschutzes nichts ausreichend. Es müsse zudem auf Schlupflöcher geachtet werden. So warnte Mock davor, dass Hersteller im Referenzjahr 2019 ihre Emissionswerte nach oben drücken könnten, um später Einsparungen leichter erzielen zu können.
Stef Cornelis von Transport & Environment nannte das Ergebnis des Trilogs einen „guten Kompromiss“. Die avisierten Ziele seien auch für die Hersteller machbar.
Philipp Kluschke vom Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung verwies darauf, dass zur Dekarbonisierung im Bereich der schweren Nutzfahrzeuge noch kein „technologisches Allheilmittel“ in Sicht sei. Entsprechend seien „technologieunspezifische Anreize für Treibhausgasminderungen“ wie Flottengrenzwerte notwendig. Es brauche aber zusätzliche Maßnahmen, etwa den Ausbau von öffentlicher Infrastruktur für alternative Antriebs- und Treibstoffkonzepte, sagte Kluschke.
Hans-Christian Pflug (Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden) begrüßte den Vorschlag. So werde darin ein ganzheitlicher Fahrzeugansatz statt eines Komponentenansatzes verfolgt. Der Zielwert für 2025 werde mit konventionellen Möglichkeiten der Fahrzeugoptimierung aber nicht erreichbar sein, man werde auf neue Technologien umsteigen müssen. Zudem müsse der Straßengüterverkehr im Ganzen in den Blick genommen werden, etwa logistische Abläufe oder auch Fahrerschulung, um die Ziele zu erreichen, sagte Pflug.
Skeptischer gegenüber dem von der EU gewählten Ansatz äußerte sich Götz Reichert vom Centrum für Europäische Politik. Statt auf Flottengrenzwerte zu setzen, wäre es nach Reicherts Auffassung sinnvoller, Raffinerien und Kraftstoffimporteure in ein Upstream-Emissionshandels-System einzubeziehen. Eine derartige CO2-Bepreisung könne anders als Flottengrenzwerte etwa eine kraftstoffsparende Fahrweise anregen. Zudem würden durch eine Einbeziehung in einen Emissionshandel auch Altfahrzeuge Teil der Klimaschutzanstrengungen. Deutschland habe die Möglichkeit, den Verkehrssektor national in ein Handelssystem zu integrieren, führte Reichert aus.
Heinrich Dismon (Rheinmetall Automotive AG) begrüßte den Vorschlag zwar als grundsätzlich „sinnvoll“, stellte aber die technische Machbarkeit in Frage, da die Maßgaben „sehr anspruchsvoll“ seien. So seien etwa motorische Potentiale nicht mehr sehr groß. Auch gegenüber synthetischen Kraftstoffen zeigte sich Dismon skeptisch. Vielmehr müsse es im Transportverkehr auch konzeptionelle Anpassungen geben, wolle man die Zielvorgaben einhalten. Grundsätzlich müsse zudem die Frage gestellt werden, wer das bezahlen solle. „Da ist ein sehr großes Fragezeichen“, kritisierte Dismon.
Frank Iwer von der IG Metall betonte, dass die CO2-Regulierung sinnvoll sei, da die bisherige Reduktion des Treibhausgasausstoßes in dem Sektor nicht ausgereicht habe. Das Minderungsziel von 30 Prozent könne aber nicht allein durch die Lkw-Industrie erzielt werden, sagte Iwer. So brauche es flankierende regulatorische Maßnahme und Anreize, etwa mögliche Ausnahmen bei der zulässigen Fahrzeuglänge bei aerodynamisch effizienteren Fahrzeugen oder beim Einsatz modernerer Reifensysteme.
Der Sachverständige Horst-Joachim Lüdecke lehnte CO2-Flottengrenzwerte grundsätzlich als „unverhältnismäßig“ ab und verwies auf mögliche volkswirtschaftliche Schäden. In seinen Ausführungen zweifelte er zudem den menschengemachten Klimawandel an.