Pläne zur Ausreisepflicht umstritten
Berlin: (hib/STO) Die Pläne der Bundesregierung zur „besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht“ stoßen bei Experten auf ein gemischtes Echo. Dies wurde bei einer Sachverständigen-Anhörung des Innenausschusses zur entsprechenden Gesetzesvorlage der Bundesregierung (18/11546) deutlich.
Vorgesehen ist danach, dass ausreisepflichtige Ausländer vor ihrer Abschiebung besser überwacht sowie leichter in Abschiebehaft genommen werden können, wenn von ihnen „eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter“ oder die innere Sicherheit ausgeht. So sollen sie zum Tragen einer elektronischen Fußfessel verpflichtet werden können, wenn sie nicht sofort abgeschoben werden können. Ferner soll Abschiebehaft gegen solche Ausländer künftig auch dann verhängt werden können, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate möglich sein wird. Zudem soll die zulässige Höchstdauer des sogenannten Ausreisegewahrsams auf zehn Tage verlängert werden.
Täuschen Ausländer über ihre Identität beziehungsweise Staatsangehörigkeit oder verweigern ihre Mitwirkung bei der Rückführung, soll ihr Aufenthalt laut Vorlage auf den Bezirk einer einzelnen Ausländerbehörde beschränkt werden. Darüber hinaus soll das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) zur Feststellung der Identität und Staatsangehörigkeit künftig unter bestimmten Voraussetzungen die Herausgabe von Mobiltelefonen und anderen Datenträgern verlangen und diese auswerten können. Zu den sonstigen geplanten Maßnahmen gehört unter anderem eine Regelung, nach der die Länder für Asylsuchende ohne Bleibeperspektive die Verpflichtung verlängern können, in Erstaufnahmeeinrichtungen zu wohnen.
Kerstin Becker vom Paritätischen Gesamtverband sagte in der Anhörung, der Gesetzentwurf greife „besonders weitreichend in die Grund- und Menschenrechte“ der Betroffenen ein und verstoße darüber hinaus auch gegen geltendes europäisches Recht. Die Ausweitung der Abschiebungshaft und des Ausreisegewahrsams berührten insbesondere das im Grundgesetz verankerte Recht auf Freiheit der Person, das in Deutschland einen besonders hohen Rang habe. Dementsprechend hoch seien auch die Hürden, die für einen Eingriff in dieses Grundrecht vorgesehen seien. Diese seien jedoch „hier nicht erfüllt“.
Günter Burkhardt von Pro Asyl betonte, gemeinsames Ziel aller müsse sein, „dass Verfolgte Schutz erhalten“. Das Problem, das man mit dem Gesetz habe, sei „eine Ablauforganisation, die so funktionieren wird, dass die Menschen durch das Raster fallen“. Dies beginne mit der Dauer in der Erstaufnahmeeinrichtung, die bis zum Ende des Asylverfahrens verlängern werde. Man habe dort weniger Kontakt zu „hier lebenden Ehrenamtlern“, der auch entscheidend für ein faires Asylverfahren sei. Das Gesetz verstärke in seiner Konstruktion, „dass Menschen, die Schutz brauchen, ihn nicht bekommen“.
Carsten Hörich von der Martin-Luther-Universität Halle/Wittenberg attestierte dem vorgeschlagenen Abschiebungshaftgrund „eine gewisse Uferlosigkeit“. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) habe erst vor kurzem in einem Urteil betont, dass Haftgründe „ausdrücklich normiert“ sein müssten. Es reiche nicht, „eine Pauschalklausel in das Gesetz aufzunehmen“. Insgesamt gesehen zeige sich das Problem, dass „Abschiebungshaftrecht“ mit Gefahrenabwehrrecht vermischt werde. Sollte das Gesetz so beschlossen werden, werde der EuGH es kippen.
Markus Richter vom Bamf begrüßte den Gesetzentwurf, der für mehr Transparenz sowie für mehr Praktikabilität im Verwaltungshandeln sorge. Natürlich müsse immer eine Einzelfallprüfung stattfinden. Beim „Handy-Auslesen“ gehe es darum, „in einer bestimmten Zielgruppe die Plausibilität des Asylantrages zu erleichtern“. Dies sei im Sinne der Asylbewerber. Wenn jemand ohne Papiere und sonstige Möglichkeiten komme, „seine Identität oder das Herkunftsland plausibel darzustellen, dann führt das beim Bamf dazu, dass dieser Asylantrag abgelehnt wird“, sagte Richter . Es sei richtig, an dieser Stelle auch vorhandene technische Möglichkeiten zu nutzen.
Hans-Eckhard Sommer vom bayerischen Innenministerium begrüßte besonders die „bessere Überwachung ausreisepflichtiger Sicherheitsgefährder“. Er hob hervor, dass unter illegal Einreisenden auch „Personen sind, die mit terroristischen Organisationen sympathisieren und diese sogar aktiv unterstützen“. Gerade bei diesen sei der „schnelle Vollzug aufenthaltsbeendender Entscheidungen aus sicherheitsrechtlichen Gründen unabdingbar“. Darüber hinaus müsse eine lückenlose Kontrolle ausreisepflichtiger Sicherheitsgefährder sichergestellt werden. Der Staat müsse den Ausländerbehörden die dazu erforderlichen gesetzlichen Regelungen an die Hand geben. Hierzu leiste der Gesetzentwurf einen wichtigen Beitrag.
Professor Daniel Thym von der Universität Konstanz sagte, die „tatbestandlichen Voraussetzungen“ für die „elektronische Aufenthaltsüberwachung und auch für die verlängerte Abschiebehaft von Gefährdern“ seien so eng gefasst, dass sie „nur in sehr wenigen Fällen tatsächlich angewandt werden dürften“. Auch ansonsten seien die elektronische Fußfessel und die verlängerte Abschiebehaft „fest im Rechtsstaat verankert“. Ihre Aktivierung setzte nämlich voraus, dass eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben oder die innere Sicherheit bestehe.
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