Experten für Abgastests auf der Straße
Berlin: (hib/FLA) Auch nach dem VW-Abgas-Skandal steht für eine Reihe von Experten die weitere Nutzung von Dieselmotoren nicht grundsätzlich in Frage. Das zeigte sich am Montag bei einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur . Zur Frage der Ausgestaltung künftiger Test, zu deren Nachprüfbarkeit sowie zu Abgas-Grenzwerten gab es indes unterschiedliche Vorstellungen. Unumstritten war die Forderung nach einer raschen Einführung des RDE-Messverfahrens (Real Driving Emissions), also einem Test nicht nur unter Laborbedingungen, sondern auch im Betrieb auf der Straße.
Ulrich Eichhorn vom Verband der Automobilindustrie (VDA) merkte zu diesem Punkt an, dass nur für Prüfstände im Labor „ganz exakt Fahrprofile vorgegeben“ werden könnten - dies sei nicht unwichtig für Vergleichbarkeit und Rechtssicherheit. „Auf der Straße ist alles anders.“ So habe die Fahrweise einen beträchtlichen Einfluss auf die Emissionen. Die gesetzlichen Vorgaben müssten gleichwohl reformiert werden: „Wir befürworten sowohl einen neuen realistischeren Labortest als auch Messungen auf der Straße.“ Eichhorn stellte zudem fest, dass der Diesel „kein Auslaufmodell“ sei, im Gegenteil: „Der Euro-6-Diesel hilft entscheidend bei der Minderung von CO2-Emissionen und erreicht bei der Reduktion von Schadstoffen Topwerte“. Ein politisch erzwungenes Ende des Dieselmotors „wäre klima- und industriepolitisch kontraproduktiv“.
Reinhard Kolke vom Allgemeinen Deutschen Automobil-Club (ADAC) befand, die Verbraucher seien angesichts der jetzigen Situation „total verunsichert“. Kolke forderte die Feststellung der „realen Emissionen“ und stellte fest: „Aus ökologischer Sicht ist ein Dieselantrieb auf dem heutigen Stand der Technik dem Ottomotor nicht prinzipiell unterlegen.“ Der Diesel produziere durch „effizientere Verbrennung“ rund 20 Prozent weniger CO2. Zudem hätten mit Einführung des Partikelfilters die Partikelemissionen bei Dieselfahrzeugen „deutlich gesenkt“ werden können. Stickoxide seien zwar „derzeit die größte Herausforderung des Dieselmotors“. Doch durch verschiedene Abgasminderungstechnologien könnten heute Stickoxidminderungen von 90 bis 95 Prozent erreicht werden.
Erik Pellmann von der Prüfgesellschaft DEKRA mochte sich nicht auf die Frage einlassen, ob mit einem Rückzug vom Diesel die Einhaltung der CO2-Ziele überhaupt zu erreichen sei. Er bescheinigte jedoch dem Diesel „einen sehr hohen Nutzungsgrad gegenüber dem Otto-Motor“ - or allem bei größeren Fahrzeugen und bei längeren Fahrstrecken.
Jürgen Resch von der Deutsche Umwelthilfe (DUH) blickte nicht nur auf VW, sondern sprach nach „Messungen an weiteren Fahrzeugen“ von „Indizien dafür, dass auch bei anderen Fahrzeugherstellern solche oder ähnliche Mittel genutzt werden“. Moderne Dieselfahrzeuge hielten „in großem Maßstab nicht die gesetzliche vorgeschrieben Emissionsminderung ein“. Resch konstatierte: „Die damit einhergehende Gefährdung der Gesundheit zahlloser Bürgerinnen und Bürger ist nach unserem Verständnis vorsätzliche Körperverletzung.“ Er forderte, die Prüfung der Emissionen künftig unabhängigen Institutionen zu übertragen, „die sich dann ausschließlich auf die Überprüfung der Emissionen im realen Betrieb“ konzentrieren sollen.
Ekhard Zinke vom Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) berichtete, dass die Behörde Prüfaufträge an „akkreditierte technische Dienste“ vergebe. Dabei gehe es nicht nur um die grundsätzlichen Typgenehmigungsverfahren. Auch die Kontinuität werde per Nachprüfungen kontrolliert. Das KBA habe sich an seinen gesetzlichen Handlungsrahmen gehalten - auch nach Bekanntwerden von großen Mess-Diskrepanzen zwischen Labor und Realität bereits vor Eintritt des VW-Skandals.
Grundlage der öffentlichen Anhörung waren drei Anträge: Die Fraktion die Linke fordert (18/6325) die „notwendigen Konsequenzen aus dem Betrugsskandal um Kfz-Abgase ziehen“. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/6070) forderte in ihrem Antrag, im Sinne des Verbraucherschutzes „unzutreffende Angaben beim Spritverbrauch und Schadstoffausstoß von Pkw“ zu beenden. In einem weiteren Antrag machen sich die Grünen (18/6334) dafür stark, „aus dem Pkw-Abgas-Skandal Konsequenzen“ zu ziehen und die „Wettbewerbsfähigkeit der Automobilindustrie“ zu sichern.
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