Digitalisierung im Bildungswesen
Berlin: (hib/ROL) Die Digitalisierung in Schulen und Universitäten muss vorangetrieben werden. Das war überwiegend der Tenor beim Öffentlichen Fachgespräch zum Thema „Digitalisierung in Schule, Ausbildung und Hochschule“ vor dem Ausschuss für Bildung Forschung und Technikfolgenabschätzung am Mittwochvormittag in Berlin. Vorlagen zum Fachgespräch waren die Drucksachen (19/3440) und (18/9606).
Alexander Classen, Geschäftsführer der Digitalen Hochschule NRW, FernUniversität Hagen, machte deutlich, dass die Digitalisierung für alle „Leistungsdimensionen“ einer Hochschule von Bedeutung sei. Digitalisierung müsse zum Normallfall der akademischen Wissensvermittlung werden. Die Beurteilungs- und Verwendungsfähigkeit neuer Medien müsse gesteigert werden.
Man dürfe die Fehler der letzten 30 Jahre bei der Digitalisierung im Bildungswesen nicht wiederholen oder fortsetzen. Das mahnte Ira Diethelm an, Universitätsprofessorin für Didaktik der Informatik an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Deshalb sei es nötig Digitalisierung in allen Fächern gemeinsam mit dem Leitfach Informatik umzusetzen, Medienpädagogen an Schulen zu etablieren, Schulen nachhaltig und adäquat technisch auszustatten und die Lehrerbildung voran zu treiben. Zudem plädierte sie dafür, das Kooperationsverbot für Forschung und Entwicklung, also auch speziell für die Forschungsförderung, abzuschaffen.
Ziel müsse ein innovatives und zukunftsfähiges Bildungssystem sein, das den großen Herausforderungen im Bildungsbereich nachkomme und bestmögliche Bildungschancen für alle Schülern gewährleiste. Dafür plädierte Birgit Eickelmann, Professorin am Lehrstuhl für Schulpädagogik, Institut für Erziehungswissenschaft an der Universität Paderborn. Investitionen in Bildung und in Schulen sollten auch in Deutschland mehr als bisher als Investitionen in die Zukunft unseres Landes verstanden werden.
Professorin Monika Gross, Vizepräsidentin für Digitale Infrastrukturen der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Präsidentin der Beuth Hochschule für Technik Berlin, machte deutlich, dass im Bereich der digitalen Lehre aus Sicht der Hochschulrektorenkonferenz vor allem die Nachhaltigkeit berücksichtigt werden müsste. Vor der Vergabe von einmaligen Mitteln zur Anschubfinanzierung sollten Konzepte erarbeitet werden, wie die etablierten Strukturen auch künftig aus laufenden Haushaltsmitteln und mit vorhandenen Ressourcen aufrechterhalten werden können. Angesichts begrenzter Ressourcen der Hochschulen sollten die geplanten Digitalisierungsvorhaben durch ein angemessenes Verhältnis zwischen der Höhe der eingesetzten Mittel und der Größe der zu erreichenden Zielgruppe gekennzeichnet sein.
Professor Bardo Herzig, Direktor des Zentrums für Bildungsforschung und Lehrerbildung, Institut für Erziehungswissenschaft an der Universität Paderborn, unterstrich, dass die durch Digitalisierung und Mediatisierung induzierten Veränderungsprozesse fundamental für die Gesamtgesellschaft seien und eine zentrale Bedingung im Hinblick auf die Sicherung Deutschlands als wettbewerbsfähigen Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort darstellten. Digitale Medien würden ihre Potentiale allerdings erst in didaktisch kompetentem Umfeld entfalten können. In diesem Zusammenhang warb Herzig auch für eine bessere Lehrerausbildung.
„Der beste Start ins digitale Zeitalter findet ohne Computer statt.“ Das sagte Professor Gerald Lembke, von der Dualen Hochschule Baden-Württemberg. Die Aussagen von Politikern, Vertretern der IT-Branche und der Medien klängen so, als ob die Digitalisierung alternativ los sei. Verschiedene Studien hätten ergeben, dass die förderlichsten Punkte für einen guten Unterricht „transparente Leistungserwartung“ (Feedback), „klare Strukturierung und inhaltliche Klarheit der Lerninhalte“ (Roter Faden), „Lehrer-SchülerVerhältnis“ (Lernklima) und „kooperatives Lernen“ (Methodenvielfalt) seien. So zeigten empirische Befunde, dass konkret der Einsatz von Laptops und mobilen Geräten im Unterricht die Lernleistungen nicht verbessere. Unter bestimmten Voraussetzungen komme es sogar zur Verschlechterung der Lernergebnisse. Diese würden bei bestimmten Schülerpersönlichkeiten vor allem durch das hohe Ablenkungs- und Suchtpotenzial eines exzessiven Digitalkonsums determiniert.
Professor Udo Lemke, Geschäftsführer bei Provadis Partner für Bildung und Beratung in Frankfurt am Main, machte deutlich, dass die Digitalisierung in der Bildung so gestaltet werden müsste, dass die Chancen und Potenziale genutzt werden können, die durch neue Technologien, Lernformate und intelligente Lernarrangements möglich seien. Hierdurch würden klassische Formen des Lernens nicht grundsätzlich abgelöst, sondern sinnvoll ergänzt. Lernen sei und bleibe ein sozialer Kernprozess, der in der Gemeinschaft zwischen Lernenden und Lehrer geschehe, der zumindest für allgemeinbildende Schulen und Erstausbildung auch zukünftig größtenteils in Präsenz geschehen sollte.
Ekkehard Winter, Mitglied des Forums Bildung Digitalisierung und Geschäftsführer der Deutschen Telekom Stiftung, Bonn sagte: „Es geht um Bildung in der Digitalisierung, nicht um Digitalisierung in der Bildung.“ Es müsse um die Frage gehen, wie sich Bildungsprozesse angesichts des digitalen Wandels verändern und entwickeln - nicht, wie diese digitaler gestaltet werden können. Zudem würden digitale Medien den pädagogischen Handlungsspielraum erweitern und könnten damit zu Bildungsgerechtigkeit beitragen.