Parlament

Dr. Maria Probst

Schwarz-weiß Porträtfoto von Maria Probst (CDU/CSU), 1902 bis 1967

(© Handbuch des Deutschen Bundestags, hg. Von Fritz Sänger und Bundestagsverwaltung, 1. Wahlperiode 1949/53, 2. Auflage)

Die frühere Lehrerin wurde 1965 erste Bundestagsvizepräsidentin. Über fünf Wahlperioden setzte sie sich als stellvertretende Vorsitzende im Ausschluss u.a. für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen ein.

Ihre Enkel nannten sie später „Oma Bundestag“: „Sie war nur unterwegs. Um den Kriegswitwen zu helfen, um den Verwundeten, den Kriegsopfern zu helfen“, erinnert sich Enkelin Stefanie Kappel. Maria Probst betrachtete ihr Mandat als Verpflichtung anderen in der Not beizustehen. Dabei war ihr soziales Elend erst spät begegnet.   

Sie wurde 1902 in München geboren und wuchs als höhere Tochter auf dem Weingut ihrer Großeltern in Lothringen und in Internaten auf. Sie war die Tochter des Zentrums-Abgeordneten Wilhelm Mayer, der von 1921 bis 1923 als deutscher Botschafter in Paris amtierte. Der Vater nahm die damals 19jährige Tochter mit nach Paris, wo sie ihn im Büro unterstützte, und ihr Französisch verfeinerte. Im Jahr ihrer Promotion 1930 heiratete sie den Landtagsabgeordneten der Bayerischen Volkspartei Dr. Alfred Probst und bekam mit ihm zwei Töchter. 

Als die Nationalsozialisten 1933 die Macht übernahmen, änderte sich ihr bislang privilegiertes Leben. Ihr Ehemann wurde aus politischen Gründen drangsaliert, in „Schutzhaft“ genommen und strafversetzt. Die Familie musste zunächst nach Frankfurt/Oder, dann 1938 nach Stettin umziehen, da Probst sich weigerte, der NSDAP beizutreten. Von dort wurde Alfred Probst zum Wehrdienst eingezogen und fiel kurz vor Kriegsende in der Nähe von Danzig. Maria Probst bekam erst 1949 Nachricht vom Tod ihres Mannes. Wie viele Frauen stand sie bei Kriegsende als alleinerziehende Mutter ohne eigene Einkünfte und ohne Wohnung da. Die Not der Kriegs- und Nachkriegsjahre prägte sie tief und wurde zum Hauptmotiv ihrer politischen Arbeit. 

Gleich nach dem Krieg engagierte sie sich wie viele Frauen in ihrem unmittelbaren Umfeld, um die schlimmste Not zu lindern. Sie arbeitete als Lehrerin in ihrem Heimatort Hammelburg und wurde dort 1946 zur Mitgründerin der CSU. Im gleichen Jahr zog sie in den bayerischen Landtag ein und 1949 schließlich für den Wahlkreis Karlstadt in den ersten Deutschen Bundestag. Ihren Wahlkreis gewann sie bei den nächsten vier Bundestagswahlen stets direkt. 

Als Abgeordnete setzte sie sich unermüdlich dafür ein, die materielle Not der Armen, Schwachen und Kriegsopfer zu lindern. Fragen nach dem Grund ihres politischen Engagements beantwortete Maria Probst immer in aller Kürze: „Weil ich so viel Not gesehen und erlebt hatte und sie lindern helfen wollte.“ Sie wurde Mitglied im Ausschuss für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen, ab 1957 stellvertretende Ausschussvorsitzende. Unzählige Briefe erreichten sie, in denen die Menschen ihr Schicksal schilderten und um Hilfe baten. In ihrem Wahlkreis in Hammelburg kamen sie auch persönlich zu ihr und standen Schlange, um ihre Anliegen zu überbringen. „Sie hatte im Waisenhaus ein Zimmer bei den Schwestern“, erinnert sich ihre Tochter Stefanie Pfeiffer. „Dorthin kamen auch alle Bittsteller und Hilfesuchenden.“ 

Zitate: „Wir Frauen sind alle Neulinge in der Politik. Die Gefahr aber, die in der politischen Gleichgültigkeit und in dem mangelnden politischen Selbstvertrauen der Frauen liegt, ist mindestens ebenso groß …“ und „Die Frau hat ein Recht darauf, durch die Berufstätigkeit nicht mehr erschöpft und vorzeitig verbraucht zu werden als der Mann. […] Auf dem Gebiete der Gesetzgebung ergibt sich daraus die Aufgabe der Schaffung eines besonderen Arbeitsschutzes für die Frau im Arbeitsprozess.“

(© DBT)

Bereits in einer ihren ersten Reden im Deutschen Bundestag lenkte sie im Januar 1950 bei den Beratungen zur Kriegsopferversorgung den Blick auf die alleinerziehenden Mütter: „Meine Herren und Damen, es wird bei der Beratung des vorliegenden Gesetzes im Ausschuss zu erwägen sein, wie bei diesen am meisten hilfsbedürftigen Familien der alleinstehenden kinderreichen Mütter sofort geholfen werden kann. Dieses Problem wird in der Öffentlichkeit bisher viel zu wenig gesehen. (…) Auch die Hilferufe, die aus den — viel zu wenigen! Müttererholungsheimen kommen und die auf die steigende Zahl von gesundheitlichen und nervlichen Zusammenbrüchen, ja Selbstmorden unserer Mütter hinweisen, verhallen ungehört.“ 

Ihr Engagement sprach sich bald herum und so gingen immer mehr Briefe und Bittgesuche ein. Sie kümmerte sich, manchmal über lange Zeiträume hinweg, um jedes einzelne Anliegen, schrieb stellvertretend für ihre Schützlinge an Behörden, verfasste Empfehlungsschreiben für Arbeitssuchende und spendete Rat und Trost an Verzweifelte. Ihr unerschütterlicher Einsatz brachte ihr bei den Kriegsopfern und Hinterbliebenen, für die sie sich einsetzte, schon bald den Beinamen „Maria Hilf“ ein. In den Bonner Ministerien hingegen nannte man sie angesichts ihres sozialpolitischen Tatendrangs „Maria Heimsuchung“. 

Schließlich gelang ihr 1959 als einzelne Angeordnete etwas, von dem Generationen von Parlamentariern vor und nach ihr träumten: Bei einem Mittagessen mit Finanzminister Franz Etzel (CDU) konnte sie den zuvor ablehnend eingestellten Minister davon überzeugen, den Etat für die Kriegsopfer entgegen den ursprünglichen Planungen um eine halbe Milliarde Mark zu verdoppeln. Bundeskanzler Konrad Adenauer soll es „das teuerste Mittagessen der Weltgeschichte“ genannt haben. 

Sie war Mitbegründerin der Arbeitsgemeinschaft der Frauen der CSU und wurde die erste Präsidentin der Europäischen Frauen-Union. Schließlich entsandte sie der Deutsche Bundestag in das Europäische Parlament, wo sie sich besonders für die deutsch-französische Aussöhnung einsetzte. Da es noch keine Direktwahl in das Europäische Parlament gab, blieben entsandte Abgeordneten wie Maria Probst zugleich Mitglieder in ihren nationalen Volksvertretungen. 

Für ihr privates Leben, die Familie blieb kaum Zeit. Ihre jüngere Tochter Barbara verbrachte ihre Kindheit – wie zuvor auch die Mutter – in verschiedenen Internaten. Später nahm Maria Probst sie mit auf Reisen. „Ich glaube, da wollte sie etwas gut machen. Dinge, die sie mit ihrem Kind versäumt hatte“, so Barbara Probst. 

Am 9. Dezember 1965 wird Maria Probst als erste Frau zur Bundestagsvizepräsidentin gewählt. Die Glückwünsche ihres FDP-Kollegen und Vizepräsidenten Thomas Dehler klingen nachdenklich: „Ich glaube, das ist ein bedeutsamer Akt, den wir hier vorgenommen haben, dass zum ersten Mal eine Frau die Würde des Präsidenten dieses Hauses bekleiden wird.“ 

Ihre Töchter erinnern sich später, dass ihre Mutter das hohe Amt nur widerwillig antrat, da sie damit andere Aufgaben, die ihr wichtig waren, abgeben musste. „Sie fragte uns, ob wir einverstanden wären, dass sie diesen langweiligen Posten annimmt. Meine Schwester war ausschlaggebend, sie sagte: ‚Das ist der Höhepunkt deiner Karriere, den hast du verdient, also nimm ihn an‘.“

Ihr Amt als Bundestagsvizepräsidentin übte sie nur knapp anderthalb Jahre aus. Maria Probst starb 1967 mit 65 Jahren an einer Krebserkrankung.

(nw)

Der Text ist entnommen aus dem Buch „Der nächste Redner ist eine Dame“, herausgegeben vom Deutschen Bundestag, erschienen im Ch. Links Verlag, 2024.

Zum Weiterlesen: 

Ursula Männle (Hrsg.): „Weil ich so viel Not gesehen“ Maria Probst 1902-1967. – München, 2017.

Renate Hellwig (Hrsg.): Unterwegs zur Partnerschaft: die Christdemokratinnen. Stuttgart, 1984. Maria Probst, Seite 194-203. 

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