Änderungen beim Elterngeld sollen Freiräume für Familien schaffen
Die Bundesregierung will das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz reformieren. Der Bundestag hat am Freitag, 27. November 2020, in erster Lesung über einen entsprechenden Entwurf eines zweiten Gesetzes zur Änderung des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (19/24438) beraten. Mitberaten wurde ein Antrag der FDP, mit dem die Fraktion das „Elterngeld verlässlich und realitätsnah neu gestalten“ will (19/17248). Von der Tagesordnung abgesetzt wurde hingegen ein Antrag der AfD-Fraktion mit der Überschrift „Entlastungen bei der Berechnung des Elterngeldes berücksichtigen“. Der Gesetzentwurf und der FDP-Antrag wurden im Anschluss zur weiteren Beratung in den federführenden Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend überwiesen.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Mit der Reform des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes sollen der Regierung zufolge Familien gestärkt und dabei unterstützt werden, ihr Familienleben und den Beruf noch besser miteinander zu vereinbaren. Vor allem zwei Ziele sollen erreicht werden: Familien sollen mehr Freiräume erhalten und die partnerschaftliche Aufteilung von Erwerbs- und Familienzeiten zwischen den beiden Elternteilen soll weiter unterstützt werden. Darüber hinaus sollen Eltern und Verwaltung von Vereinfachungen und rechtlichen Klarstellungen profitieren, deren Notwendigkeit sich aus dem Vollzug ergeben hat.
Mehr Zeit mit ihrem Kind spiele für Eltern besonders frühgeborener Kinder eine besondere Rolle, heißt es im Entwurf. Sie sollen künftig daher einen zusätzlichen Elterngeldmonat erhalten. Auch die Arbeitszeitregelungen sollen durch den Entwurf flexibler werden. Damit wird das Elterngeld an die Wünsche von Eltern und insbesondere von Vätern angepasst, auch mit höheren Stundenumfängen vom Elterngeld profitieren zu können.
Partnerschaftsbonus wird flexibler
Geplant ist zudem, den Partnerschaftsbonus flexibler werden. Zum Beispiel sollen höhere Teilzeitumfänge möglich sein; der Partnerschaftsbonus soll zudem vorzeitig beendet werden können. Wenn in einzelnen Monaten die Voraussetzungen nicht vorlagen, sollen Eltern nicht den ganzen Partnerschaftsbonus verlieren.
Durch verwaltungsrechtliche Anpassungen und Klarstellungen sollen Eltern, Elterngeldstellen sowie Arbeitgeber außerdem entlastet werden. So sollen etwa Eltern, die während des Elterngeldbezugs in Teilzeit arbeiten, nur noch im Ausnahmefall nachträglich Nachweise über ihre Arbeitszeit erbringen. Ein Antragsrecht für Eltern mit geringen selbständigen Nebeneinkünften soll diesen Eltern künftig eine bessere Berücksichtigung ihrer Einnahmen im Elterngeld ermöglichen.
Ministerin: Zeit und Sicherheit für Eltern
Zu Beginn der Debatte betonte Familienministerin Franziska Giffey (SPD), mit dem Gesetzentwurf wolle die Bundesregierung einer der „bekanntesten und beliebtesten Familienleistungen“ zu einer Verbesserung verhelfen. Das Elterngeld gebe den Eltern in den ersten Monaten nach der Geburt ihres Kindes „Zeit und Sicherheit“. Seit mehr als zehn Jahren trage das Elterngeld aber auch zu einem gesellschaftlichen Wandel bei. Schließlich würden immer mehr Eltern sich die Erwerbsarbeit sowie die familiäre Sorgearbeit partnerschaftlich aufteilen wollen.
„Das Elterngeld hat dazu beigetragen, dass immer mehr Mütter und Väter diesen Wunsch auch in die Tat umgesetzt haben“, sagte die Ministerin. 40 Prozent der Väter würden das Elterngeld nutzen – mit steigender Tendenz. Inhalt des Gesetzentwurfs, so Giffey weiter, sei auch der „Frühchenmonat“. Ist das Kind sechs Wochen oder mehr zu früh geboren, sollen Eltern einen zusätzlichen Monat Elterngeld erhalten.
AfD kann sich weiteren Zusatzmonat vorstellen
Aus Sicht der AfD-Fraktion ist die Grundidee des Elterngeldes durchaus zu begrüßen, sagte Johannes Huber (AfD). Es gebe aber „erheblichen Diskussionsbedarf über den Partnerschaftsbonus“. Die im Gesetzentwurf angedachte Flexibilisierung werde nur möglich, wenn beide Elternteile ihre Arbeitszeiten anpassen und somit gleichermaßen in die Betreuung ihres Kindes eingebunden sind.
„Das greift aus unserer Sicht in die elterliche Freiheit ein und subventioniert nur jene Eltern, die sich mit dieser starren und ideologischen Aufteilung anfreunden können“, sagte der AfD-Abgeordnete. Das Elterngeld sollte verlängert werden, so Huber, aber unabhängig von der partnerschaftlichen Aufteilung. Mit Blick auf die Regelung für die Eltern von frühgeborenen Kindern, sagte er: Die AfD könne sich vorstellen, einen weiteren Zusatzmonat zu gewähren.
CDU/CSU: Entwicklung von Frühchen bestmöglich begleiten
Das Gesetz schaffe mehr Flexibilität bei den Partnermonaten, befand Nadine Schön (CDU/CSU). Damit komme man den Wünschen vieler junger Eltern entgegen. Außerdem werde der Stundenkorridor so angepasst, „dass er besser zur Arbeitswelt passt“. Auch beim wichtigen Thema der Frühchen habe sich die Koalition etwas vorgenommen. „Das werden wir uns im Gesetzgebungsverfahren nochmals genau anschauen“, kündigte sie an. Es gehe darum, die Entwicklung eines zu früh geborenen Kindes bestmöglich zu begleiten.
Aus Sicht von Schön reiht sich die Gesetzesvorlage gut ein in die familienpolitischen Verbesserungen dieser Legislaturperiode. Die Unionsabgeordnete zählt dazu unter anderem die Erhöhung des Kindergeldes und des Kinderfreibetrages, die Einführung des Baukindergeldes und die Verabschiedung des Gute-Kita-Gesetzes.
FDP: Kranken- und Insolvenzgeld berücksichtigen
Seit 2018 seien die versprochenen Änderungen am Elterngeldgesetz immer wieder verschoben worden, kritisierte Grigorios Aggelidis (FDP). Nun sei leider klar: „Der große Wurf ist es nicht.“ Vorgelegt worden sei nur ein halbherziges Update für das Elterngeld. Zahlreiche Ungerechtigkeiten und Konstruktionsfehler hätten aber weiter Bestand, sagte der FDP-Abgeordnete.
Weil die Bundesregierung die Chancen der Digitalisierung zu wenig nutze, müssten Eltern weiterhin monatelang auf die Auszahlung des Geldes warten. Zudem werde eine freie Aufteilung von Sorge- und Erwerbsarbeit nicht erreicht. Aggelidis bemängelte des Weiteren, dass bei der Berechnung des Elterngeldes das Kranken- und Insolvenzgeld nicht berücksichtigt werde. Wer also in der Krise seinen Job verliere, müsse zusätzlich noch mit Einbußen beim Elterngeld rechnen, sagte er.
Linke: Mindestbetrag erhöhen
Von „kleinen Schritten in die richtige Richtung“ sprach Katrin Werner (Die Linke). Die dringenden Probleme würden aber mit diesem „Reförmchen“ nicht angegangen. So werde der Mindestbetrag beim Elterngeld nach wie vor auf die Hartz-IV-Leistungen angerechnet. „Die Familien, die es am dringendsten bräuchten, werden also wieder ausgeschlossen“, beklagte die Linken-Abgeordnete und fügte hinzu: „Das darf nicht sein.“
Solange es keine Kindergrundsicherung gebe, müsse die Anrechnung des Mindestbetrages auf Hartz IV abgeschafft werden, forderte sie. Ohnehin sei es an der Zeit, 13 Jahre nach Einführung des Elterngeldes den Mindestbetrag zu erhöhen.
Grüne: Partnermonate ausweiten
Für Ulle Schauws (Bündnis 90/Die Grünen) wird der Gesetzentwurf den tatsächlichen Bedürfnissen der Eltern nicht gerecht. „Der Entwurf bleibt mutlos“, sagte sie. So sei der eine Monat mehr für Eltern von Frühgeboren zwar besser als nichts. Die Festlegung auf nur einen Monat, selbst wenn das Kind drei Monate zu früh kommt, sei aber nur eine Minimalverbesserung.
Um eine wirkliche Partnerschaftlichkeit bei der Betreuung zu erreichen, sei das Vorgeschlagene zu wenig, sagte Schauws. „Dafür braucht es eine Ausweitung der Partnermonate und für jedes Elternteil einen eigenen Anspruch“, forderte die Grünen-Abgeordnete.
SPD: Eine Vier-Tage-Woche wird möglich
Stefan Schwartze (SPD) verwies darauf, dass das Elterngeldgesetz seit seiner Einführung 2007 immer wieder angepasst worden sei, „weil wir mit unserer Familienpolitik veränderte gesellschaftliche Realitäten aufnehmen“. Heute gehe es den jungen Familien darum, die Familien- und Erwerbsarbeit partnerschaftlich zu teilen und mehr Zeit innerhalb der Familie verbringen, sagte Schwartze.
Genau deshalb solle die Teilzeitmöglichkeit weiter flexibilisiert werden. Es sei nun möglich, bis zu 32 Stunden pro Woche während des Bezugs von Elterngeld arbeiten zu können. „Das ist praxisnah, denn so wird eine Vier-Tage-Woche möglich“, befand der SPD-Abgeordnete.
Antrag der FDP
Die FDP spricht sich in ihrem Antrag (19/17284) dafür aus, das Elterngeld „verlässlich und realitätsnah“ neu zu gestalten. Insbesondere finanzielle Risiken sollten für Eltern beseitigt werden. Konkret verlangen die Abgeordneten unter anderem, die Arbeitszeitkorridore für den Bezug der Partnerschaftsmonate so zu flexibilisieren, dass einzelne Über- oder Unterschreitungen keine Rückzahlung des gesamten Partnerschaftsbonus verursachten und die Vielzahl der Arbeits- und Teilzeitmodelle, die Partnerschaftlichkeit zwischen den Elternteilen ermöglichen, „gelebt werden könnten“.
Der Zeitkorridor des Partnerschaftsbonus für Alleinerziehende solle angepasst werden, damit diese nicht aufgrund des Zeitkorridors benachteiligt würden. Bei Bezug von Krankengeld eines oder beider Elternteile dürfe es außerdem keine Rückzahlungsforderung gegen die Bezieher geben, heißt es im Antrag. (sas/27.11.2020)