Markus Grübel: Religionsfreiheit wird weltweit zunehmend eingeschränkt
Der Bundestag hat am Donnerstag, 17. Dezember 2020, erstmals über drei Anträge beraten, die die AfD-Fraktion zur Bekämpfung der Verfolgung von Christen eingebracht hat. So fordert sie in einem Antrag, einen Bundesbeauftragten zur Bekämpfung von Christenfeindlichkeit in Deutschland zu berufen (19/25311). In einem zweiten Antrag verlangt sie, die Christenverfolgung in Nigeria zu ächten und „Menschenrechte für alle Nigerianer“ (19/25310) zu stärken. In einem dritten Antrag dringt sie darauf, den Druck auf die Regierung in Islamabad zu erhöhen, um die Christenverfolgung in Pakistan zu stoppen (19/25309). Alle Anträge wurden im Anschluss an die Debatte zur weiteren Beratung in den federführenden Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe überwiesen.
Antrag zum Bundesbeauftragten
Die Bundesregierung soll demnach einen Bundesbeauftragten zur Bekämpfung von Christenfeindlichkeit in Deutschland berufen. Dieser soll– nach Vorbild des Beauftragten für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus – von einem unabhängigen Kreis beraten werden, welcher im Benehmen mit dem Beauftragten von der Bundesregierung berufen werden soll. Jener Expertenkreis soll sich aus christlichen und nichtchristlichen Vertretern aus Wissenschaft, Bildungspraxis und Bürgergesellschaft zusammensetzen.
Der Beauftragte sollen unter anderem als Ansprechpartner für Belange christlicher Gruppen und gesellschaftlicher Organisationen in Deutschland dienen, auch international mit Blick auf die Europäische Union und die Vereinten Nationen. Außerdem soll dieser die ressortübergreifende Koordination der Maßnahmen der Bundesregierung zur Bekämpfung von Christenfeindlichkeit in Deutschland übernehmen sowie einen jährlichen Bericht erstellen.
Antrag zur Christenverfolgung in Pakistan
Die AfD fordert in ihrem Antrag zur Christenverfolgung in Pakistan (19/25309), dass die Bundesregierung zur Kenntnis nimmt, dass in Pakistan weder der Schutz der eigenen Zivilbevölkerung noch der Schutz von Ausländern nach dem Völkergewohnheitsrecht (Fremdenrecht) gewährleistet sei. Daraus sollten alle nötigen Konsequenzen für das Handeln der Bundesregierung gezogen werden. In diplomatischen Gesprächen mit der pakistanischen Regierung müsse sie darauf hinwirken, dass die pakistanische Regierung allen Christen sowie allen anderen diskriminierten Minderheiten im Lande vollumfänglichen Schutz bei der Ausübung ihrer Religion garantiert. Dies sollte sowohl für Einheimische wie für im Land lebende Ausländer gelten.
Darüber hinaus müsse die pakistanische Regierung nachdrücklich aufgefordert werden, alle Gruppen und Einzelpersonen, die sich der Christenverfolgung schuldig machen, strafrechtlich zu verfolge.;
Antrag zur Christenverfolgung in Nigeria
Dem Antrag zufolge soll die Bundesregierung die menschenrechtswidrige Christenverfolgung in Nigeria als brennendes Problem konsequent benennen und ächten. Außerdem soll im Rahmen der Verhandlungen zur privilegierten wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit der Bundesrepublik die Notwendigkeit, jedwede religiöse Gewalt im Lande zu bekämpfen, als klares und priorisiertes Ziel festgeschrieben werden.
Des Weiteren fordert die Fraktion im Rahmen dieser Verhandlungen das Phänomen der illegalen Migration aus Nigeria in die EU eindeutig zu thematisieren und verbindliche Zusicherung der nigerianischen Regierung zur Einhaltung der Menschenrechte sowie zur Bekämpfung der – häufig religiös bedingten – Fluchtursachen einzufordern.
Dr. Anton Friesen wies für die AfD-Fraktion daraufhin, 260 Millionen Christen würden in 50 Staaten weltweit verfolgt. Aber nicht nur in Nigeria oder Pakistan seien sie Angriffen ausgesetzt, sondern auch in Deutschland mache sich „eine erschreckende Christenfeindlichkeit breit“, so der Abgeordnete. Zwischen 2010 und 2019 habe es 1.731 Angriffe oder Beschädigungen in Kirchen oder Friedhöfen gegeben. Es brauche daher einen Bundesbeauftragten gegen Christenfeindlichkeit, der die Lage beobachte und Gegenmaßnahme vorschlage, forderte Friesen.
Grübel: Christenfeindliche Straftaten erst an dritter Stelle
Der Bundesbeauftragte für die weltweite Religionsfreiheit, Markus Grübel (CDU), bestätigte, dass das Menschenrecht auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit weltweit zunehmend eingeschränkt werde. Auch seien Christen als größte Glaubensgemeinschaft davon besonders betroffen. Aber: Angehörige anderer Religionen litten ebenso unter Verfolgung und Diskriminierung, stellte Grübel klar.
In Deutschland habe das Bundeskriminalamt im letzten Jahr über 2000 antisemitische und 950 islamfeindliche Straftaten registriert. „Erst an dritter Stelle kommen christenfeindliche Straftaten.“ Das blende die AfD aus und mache sich so „unglaubwürdig“, kritisierte der CDU-Abgeordnete. Die Notwendigkeit für einen Beauftragten gegen Christenfeindlichkeit könne er nicht erkennen, auch erhöben die Kirchen eine solche Forderung nicht.
FDP: Verfolger von Christen haben viele Gesichter
Peter Heidt (FDP) monierte, einen Beauftragten gegen Christenfeindlichkeit zu fordern, werde der Vielfalt der Religionen nicht gerecht und spiele sogar die Religionen gegeneinander aus. Der Liberale hielt der AfD zudem vor, die Verfolgung von Christen einseitig zu betrachten.
Auch die Schuldigen suche die Fraktion allein bei Islamisten. „Die Verfolger von Christen haben aber viele Gesichter“, sagte Heidt mit Blick auf China. Dort würden Buddhismus, Islam und Christentum gleichermaßen von der kommunistischen Führung als Bedrohung empfunden.
SPD: AfD ist eine „christenfeindliche Partei“
Scharf griff der SPD-Abgeordnete Helge Lindh die AfD an: Einen Beauftragten gegen Christlichkeit zu fordern, sei „dreist“ und verhöhne Juden und Muslime in Deutschland. Die AfD versuche so aber auch, Christen für ihre Zwecke zu instrumentalisieren und auf ihrem Rücken „anschlussfähiger“ zu werden.
Die Motive hinter den Anträgen der AfD seien allzu durchschaubar: Die AfD interessiere sich nur dann für Terror, Frauenrechte oder Antisemitismus, „wenn sich damit Stimmung gegen den Islam oder Geflüchtete“ machen lasse, empörte sich Lindh. Das Christentum stehe für Empathie, die AfD für „Hass und Hetze“– damit sei die AfD im Kern selbst „antichristlich und christenfeindlich“.
Linke: Konflikte in Nigeria sind keine Religionskonflikte
Christine Buchholz (Die Linke) unterstrich, ihre Fraktion wende sich gegen die Verfolgung und Diskriminierung jeglicher Religion – die AfD nicht. Deren Anträge untergrüben den „dringenden Kampf“ für weltweite Religionsfreiheit. Der Terror von Boko Haram in Nigeria sei zweifelsohne schockierend, aber der Umgang der AfD mit den Terroropfern „abstoßend und instrumentell“, so die Abgeordnete. „Sie machen alle Opfer zu Christen!“
Dabei betreffe der Terror Christen und Muslime. Die Konflikte in Nigeria seien zudem keine Religionskonflikte, korrigierte Buchholz, sondern Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Gruppen wie Kleinbauen und Nomaden. Bevölkerungswachstum, Klimawandel, Landraub und Ressourcenkonflikte seien die eigentlichen „Ursachen und Verstärker“ der Konflikte.
Grüne: Amt der Menschenrechtsbeauftragten stärken
Kai Gehring (Bündnis 90/Die Grünen) warf der AfD „pure Heuchelei“ vor: Sie könne gar nicht für christliche Werte streiten, weil ihr diese „fremd“ seien. Mehr noch: „Ihre Islamophobie schreit zum Himmel“, rief der Grünen-Abgeordnete der Fraktion zu. Zudem gingen die Anträge an der komplexen Realität – etwa in Nigeria – vorbei. Oder sie blendeten – wie etwa im Antrag zu Pakistan – bestimmte Fakten bewusst aus: „Sie schreiben zum Beispiel nichts über das Leid der Ahmadiyya-Minderheit.“
Wer die Rechte einer Glaubensgemeinschaft so überhöhe wie die AfD, der sei kein „Anwalt für die Religionsfreiheit“, urteilte Gehring. Statt einem Bundesbeauftragten gegen Christenfeindlichkeit brauche es eher eine Stärkung des Amtes der Menschenrechtsbeauftragten. (sas/17.12.2020)