Das Thema Luftfilter, die Digitalisierung der Schulen und ihre Förderung waren Thema einer Bundestagsdebatte am Freitag, 27. November 2020. Einig waren sich die Fraktionen im Kern, dass es richtig ist, die Schulen so lange wie möglich offenzuhalten, zumindest so lange dieses angesichts hoher Infektionszahlen verantwortbar ist.
Anträge der FDP-Fraktion, mit dem sich diese für die Ausstattung von Klassenzimmern mit mobilen Luftfiltern ausspricht (19/24207), und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen für ein Förderprogramm für mobile Luftfilter in Klassenräumen und Kindertageseinrichtungen (19/24635) überwies der Bundestag zur weiteren Beratung an den federführenden Wirtschaftsausschuss. Die Antragsteller hatten die Federführung jeweils beim Bildungs- und Forschungsausschuss gesehen, konnten sich gegen die Koalitionsmehrheit aber nicht durchsetzen. Ein Antrag der Linken, die mehr Unterstützung und ein Ende der Mangelwirtschaft für Schulen fordert (19/24450), wird federführend im Bildungs- und Forschungsausschuss weiterberaten.
Anträge von FDP und AfD abgelehnt
Abgelehnt wurden zwei Anträge der FDP-Fraktion und ein Antrag der AfD-Fraktion. Der AfD-Fraktion mit dem Titel „Auf den Lehrer kommt es an – Nachhaltige Aufwertung des Schulwesens statt Ökonomisierung“ (19/22456) wurde auf Empfehlung des Bildungs- und Forschungsausschusses (19/23792 Buchstabe c) gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Den Antrag der FDP-Fraktion mit dem Titel „Weniger Bürokratie wagen – DigitalPakt Schule beschleunigen“ (19/20582) wurde mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und AfD gegen das Votum von FDP und Grünen bei Enthaltung der Linken abgelehnt. Dazu lag ebenfalls eine Beschlussempfehlung des Bildungs- und Forschungsausschusses vor (19/23792 Buchstabe e). Beim zweiten FDP-Antrag mit dem Titel „Pisa-Sofortprogramm – Reformagenda für eine Bildungsnation“ (19/15767) enthielten sich Linksfraktion und Grüne, während CDU/CSU, SPD und AfD auf Empfehlung des Bildungs- und Forschungsausschusses (19/20896) dagegen stimmten.
FDP: Einschnitt in Zukunftschancen
Dass die Schulschließungen im Frühjahr ein bis dahin „kaum für möglich gehaltener Einschnitt in die Zukunftschancen“ der Kinder gewesen seien, unterstrich Katja Suding (FDP). Es sei gut, dass vor allem die Länder am 25. November die Wichtigkeit von Präsenzunterricht noch einmal deutlich gemacht hätten. Dass aber Ende November immer noch nicht klar sei, wie genau ein solcher Präsezunterricht im Winter überhaupt gewährleistet werden könne, sei „kaum zu fassen“ und „absolut inakzeptabel“.
Statt tragfähiger Konzepte habe Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) nicht mehr zu bieten als Lüften und Stoffmaske tragen. Suding forderte mehr Luftfiltergeräte in den Schulen. Der Bund solle dafür in einem Akutförderprogramm 250 Millionen Euro zur Verfügung stellen.
CDU/CSU: Mobile Luftreiniger nur eine Notlösung
Dr. Dietlind Tiemann (CDU/CSU) machte klar, dass es möglich sei, seit dem 20. Oktober Mittel für stationäre Luftfilteranlagen zu beantragen. Sie bezweifelte in Teilen die Belastbarkeit der wissenschaftlichen Studien zu mobilen Luftfiltergeräten, die die Effektivität der Geräte zur Aerosolreduzierung in der Luft im Klassenzimmer untersucht hatten.
Mobile Luftreiniger könnten nur eine Notlösung darstellen. Empfehlenswert sei stattdessen der Einbau von raumlufttechnischen, stationären Anlagen. Sie betonte, dass Raumluftanlagen und geöffnete Fenster zwar geeignet seien, um das indirekte Infektionsrisiko zu reduzieren. Sie könnten das direkte Infektionsrisiko aber nicht verringern. Tiemann plädierte daher für das Tragen von Masken.
AfD: Die Lage ist dramatisch
Dr. Götz Frömming (AfD) sagte: „Die Lage an unseren Schulen ist dramatisch, und sie ist auch deshalb dramatisch, weil Bund und Länder in den vergangenen Monaten Entscheidendes versäumt haben und weil sie sich in den Jahren zuvor mit falschen Projekten beschäftigt haben und die Weichen falsch gestellt haben.“ Die Bundesregierung habe mit den nach Ansicht der AfD zu späten Schulschließungen im März wertvolle Zeit verstreichen lassen und dann „zu spät und panikartig“ reagiert. Statt weniger Wochen seien die Schulen dann gleich mehrere Monate geschlossen gewesen, was „vollkommen unverhältnismäßig ist und einer ganzen Schülergeneration schweren Schaden zugefügt“ habe.
Drei groß angelegte Forschungsarbeiten seien zu dem Schluss gekommen, dass der Fernunterricht, sofern er überhaupt durchgeführt worden sei, dem schulischen Fortkommen dienlich sei. Frömming warf der Bundesregierung und den Ländern vor, sich monatelang mit dem „Schaufensterprojekt namens Digitalpakt beschäftigt“ zu haben und die Augen vor den eigentlichen Problemen verschlossen zu haben. Um kleinere Klassen einzurichten, würden Lehrer fehlen, und in maroden, zu kleinen Gebäuden mit kaputten Sanitäranlagen könne man kein vernünftiges Hygienekonzept hinbekommen.
SPD: Schule ist ein Ort des Miteinanders
Schule sei nicht nur ein Ort des Lernens, sondern auch ein Ort des Miteinanders, betonte Marja-Liisa Völlers (SPD). Und das müsse er auch in Zeiten einer Pandemie bleiben. Neben den Lüftungskonzepten sei es wichtig, das digitale Lehren und Lernen voranzutreiben. Es sei wichtig, über den Digitalpakt Schule hinaus noch weiter Maßnahmen zu ergreifen. Völlers machte klar, dass es viele Angebote digitaler Bildungsmaterialien gebe, diese Angebote jedoch bislang nicht richtig zusammengeführt würden.
Nicht nur die Länder, sondern teilweise auch Schulen würden mit unterschiedliche Lernplattformen arbeiten. Das erschwere den Überblick. Es werde viel Potenzial verschenkt, Synergien nicht genutzt. Aber sie verkündete auch einen Erfolg: Eine laut Völlers von der SPD schon länger geforderte bundesweite Bildungsplattform, die für einheitliche Qualitätsstandards sorgen soll, sei nun bewilligt. Seit dem 26. November stehe fest, dass der Bund dafür bis 2025 jährlich rund 135 Millionen Euro bereitstellen will. Völlers: „Damit lässt sich viel bewirken.“ Sie forderte zudem, dass digitale Bildungsangebote offen und frei verfügbar sein müssen.
Linke: Gute Bildung geht vor Militärhaushalt
Birke Buhl-Bischoff (Die Linke) sagte: „Das Wichtigste ist eben nicht die Autoindustrie zu subventionieren und den Militärhaushalt in ungeahnte Höhen zu puschen. Wichtig ist in Krisenzeiten alles dafür zu tun, gute Bildung für Kinder und Jugendliche zu sichern und sozialer Ungleichheit endlich entgegenzutreten.“ Diejenigen, die ausreichend Geld und Ressourcen hätten, kämen relativ gut durch diese Krise, und diejenigen, denen das versagt werde, würden abgehängt. Das sei die bittere Bilanz des Krisenmanagements der Bundesregierung.
Buhl-Bischoff: „SOS kommt aus allen Klassenzimmern.“ Es fehle an Lehrkräften, es fehle an Räumen, es fehle an leistungsfähigem Internet. Sie forderte mehr Geld für Schutzmasken und für Luftfilteranlagen, aber auch für Schnelltests, um die mögliche Quarantänezeit von Schülern verkürzen zu können.
Grüne: Schüler, Eltern und Lehrer miteinbeziehen
Margit Stumpp (Bündnis 90/Die Grünen) machte klar, dass es eine richtige Entscheidung sei, Schulen im Teil-Lockdown offenzuhalten. Wie sehr sich mangelnder Kontakt von Schülern zu den Lehrkräften auswirke, das hätten die Schulschließungen schmerzhaft vor Augen geführt. Schüler, Lehrer und Eltern hätten viel geleistet. Aber zunehmend werde Kritik geäußert, dass sie in Entscheidungen kaum mit einbezogen würden.
Sie sagte: „Das ist unverantwortlich und schafft Misstrauen statt Akzeptanz.“ Sie forderte, die Betroffenen endlich in Entscheidungen einzubeziehen. Wie gut zum Beispiel Klassenteilungen organisiert werden können, welche Kinder geeignet seien und welche nicht, das hänge von der Situation vor Ort ab.
Überwiesener Antrag der FDP
Die FDP-Fraktion fordert in ihrem neuen, überwiesenen Antrag (19/24207), dass der Bund den Ländern bis zu 250 Millionen Euro zur Verfügung stellt, damit die Länder schnellstmöglich mobile Luftfilter für Klassenräume beschaffen können, in denen nicht gelüftet werden kann.
Damit will die Fraktion das Ansteckungsrisiko mit dem Coronavirus minimieren.
Überwiesener Antrag der Linken
Die Fraktion Die Linke will mit ihrem überwiesenen Antrag (19/24450), dass die „Mangelwirtschaft in der Bildung“ beendet wird und Schulen in der Pandemie mehr Unterstützung bekommen. Danach soll die Bundesregierung die bedarfsdeckende, niedrigschwellige und bürokratiearme Förderung bei der Anschaffung von FFP2-Masken unterstützen. Ebenso solle die Bundesregierung die Anschaffung von CO2-Messgeräten sowie geeigneter und sicherer mobiler Raumluftfiltersysteme unterstützen, die unabhängig von den baulichen Voraussetzungen im Schulgebäude einsetzbar sind und einen Luftaustausch ermöglichen.
Ferner sollen niedrigschwellige und schnelle, kostenfreie Testverfahren bei Infektionsfällen in einer Gruppe auch für symptomfreie Lehrende und Lernende sowie Grippeschutz-Impfungen für Lehrkräfte und Erzieherinnen und Erzieher sichergestellt werden. Schulen sollen laut der Fraktion ein prioritärer Anwendungsort für Antigen-Schnelltests sein, wenn sich diese Tests auch bei Anwendung durch medizinische Laien als sicher erweisen. Ansonsten sollen sie durch medizinisches Fachpersonal vorgenommen werden.
Überwiesener Antrag der Grünen
Die Grünen fordern in ihrem überwiesenen Antrag (19/24635) ein Förderprogramm „Mobile Luftfilter für Schulen“ mit über 500 Millionen Euro aufzulegen. Die Mittel sollen über einen Verteilungsschlüssel auf die Länder verteilt werden. Der Schlüssel solle die Kriterien Einwohnerzahl, Kassenkreditbestand und Arbeitslosenzahl je zu einem Drittel berücksichtigen. Auch solle der Bund den Ländern die Mittel zur eigenen Bewirtschaftung zur Verfügung stellen.
Die Länder sollen die Finanzhilfen des Bundes an die Endempfänger weiterleiten. Dabei sollen die Länder die finanzschwachen Gemeinden und Gemeindeverbände auswählen.
Erster abgelehnter Antrag der FDP
Die FDP-Fraktion forderte die Bundesregierung in ihrem ersten abgelehnten Antrag (19/20582) auf, den Digitalpakt Schule zu beschleunigen und dabei auf weniger Bürokratie zu setzen. Sie traten dafür ein, Vorschriften in der Bund-Länder-Vereinbarung „DigitalPakt Schule“ zu bestimmen, die bis Ende des Jahres 2021 vorübergehend nicht angewendet werden müssen.
Zudem sollte eine zentrale, nutzerfreundliche Plattform in Auftrag gegeben und zur Verfügung gestellt werden. Die Antragstellung sollte vereinfacht und beschleunigt werden. Kurzfristig sollte ein Digitalpakt 2.0 beschlossen werden, damit neben Technik und Infrastruktur auch digitale Lehr- und Lernmethoden dauerhaft und nachhaltig Einzug in Deutschlands Schulen halten.
Zweiter abgelehnter Antrag der FDP
Die FDP-Fraktion forderte in ihrem zweiten abgelehnten Antrag ein „Pisa-Sofortprogramm“ sowie eine „Reformagenda für eine Bildungsnation“ (19/15767). Zur Begründung verwies sie in ihrem Antrag auf die Pisa-Studie 2018. Diese zeige offenbar, dass sich die Leistungen der Schüler in Deutschland im Vergleich zur Studie 2015 in allen Bereichen verschlechtert hätten.
In den Naturwissenschaften und Mathematik sei nur das Niveau des Jahres 2003, beim Lesen der Wert von 2009 erreicht worden. Um bis zum nächsten Test zur Weltspitze aufzuschließen, brauche Deutschland ein Pisa-Sofortprogramm, so die Fraktion.
Regierung soll Strategien entwickeln
Konkret sollte die Bundesregierung unter anderem eine Strategie entwickeln, wie der Anteil der Bildungsinvestitionen als Anteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP) so angehoben werden kann, dass Deutschland unter den besten fünf der Staaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) liegt. Darüber hinaus sollte die frühkindliche Bildung gestärkt und gemeinsam mit den Ländern ein Konzept zur Reform der Lehrerausbildung entwickelt werden, um die Lehrerbildung insgesamt flexibler, praxisnah und zukunftsfähig zu gestalten.
Des Weiteren sollten bundesweit einheitliche, hochwertige und verbindliche Bildungsstandards für alle Fächer des Hauptschulabschlusses, der Mittleren Reifen und des Abiturs entwickelt, kontrolliert und evaluiert werden. Diese Bildungsstandards sollten wettbewerbsfähig gegenüber Nordamerika und Asien sein. Auch harmonisierte Zulassungsvoraussetzungen zur Abiturprüfung, die wissenschaftliche Begleitung und die Veröffentlichung der länderspezifischen Prüfungsergebnisse sollten vereinbart werden.
Abgelehnter Antrag der AfD
Die AfD-Fraktion forderte in ihrem Antrag (19/22456) eine nachhaltige Aufwertung des Schulwesens statt einer weiteren Ökonomisierung. Die Bundesregierung sollte gemeinsam mit den Kultusministern darauf hinwirken, dass eine konstante Ausbildung und Einstellung einer ausreichenden Zahl von Lehrern Reserven schafft, die eine Verkleinerung der Klassen ermöglichen und die zukünftige, demografisch oder krisenhaft bedingte Engpässe vermeidet. Zudem sollte gemeinsam mit den Kultusministern ein dauerhafter Finanzierungsplan erarbeitet werden, um die Qualität der Schulgebäude, der sanitären Anlagen sowie der Schwimm- und Turnhallen in den Ländern kontinuierlich zu gewährleisten und mehr und neue Räume und Gebäude zu schaffen, die möglichst zeitnah eine Verkleinerung der Klassen ermöglichen, sodass auch im Falle anhaltender oder wiederkehrender Eindämmungsmaßnahmen ein normaler Regelunterricht für alle Schüler stattfinden kann.
Ferner sollten die Länder dabei unterstützt werden, zukünftige, flächendeckende Schulschließungen zu verhindern. Dazu gehörten nach Ansicht der AfD auch geeignete Forschungsprogramme, die die bisherigen Erfahrungen auswerten, um daraus präventive Handlungsempfehlungen für die Zukunft abzuleiten. (rol/27.11.2020)