Fünf AfD-Anträge zur Familienpolitik stoßen auf Widerspruch
Über gleich fünf Anträge der AfD-Fraktion zur Familienpolitik hat der Bundestag am Donnerstag, 26. November 2020, erstmals debattiert und sie zur weiteren Beratung in die Ausschüsse überwiesen. In allen fünf Fällen erteilten ihnen alle anderen Fraktionen jedoch eine deutliche Absage. Die Vorschläge der AfD seien rückwärtsgewandt, von völkischen Vorstellungen geprägt und völlig unbrauchbar, hieß es übereinstimmend aus den Reihen von Union, Sozialdemokraten, FDP, Linken und Grünen.
Die Initiativen der AfD
In ihren Anträgen fordert die AfD ein zinsloses „Baby-Willkommensdarlehen“ in Höhe von 10.000 Euro für Elternpaare (19/24672), die Senkung der Mehrwertsteuer für Babywindeln auf sieben Prozent (19/24656) sowie eine Öffentlichkeitsoffensive gegen die gesellschaftliche Stigmatisierung von Mehrkindfamilien und Maßnahmen, um den Wunsch vieler Eltern nach einem zweiten und dritten Kind zu realisieren (19/24673).
Ebenso fordert sie, die Schwangerschaftskonfliktberatung und ihre Träger stärker zu kontrollieren (19/24657) und an öffentlichen Schulen sowie im öffentlich-rechtlichen Rundfunk die Bedeutung von Geburten und des Schutzes des ungeborenen Lebens stärker zu betonen (19/24652). Drei Anträge (19/24672, 19/24673, 19/24657) überwies der Bundestag zur weiteren Beratung in den federführenden Familienausschuss. Ein Antrag (19/24656) wird federführend im Finanzausschuss beraten, der fünfte Antrag (19/24652) federführend im Ausschuss für Kultur und Medien.
Deutschland leide nicht an einer Überalterung der Gesellschaft, sondern an zu wenigen Kindern, führte der AfD-Familienpolitiker Martin Reichardt an. Der Geburtenrückgang lasse sich auch nicht durch Zuwanderung ausgleichen, sondern nur durch eine aktive Familienpolitik.
CDU/CSU: Polnische Geburtenrate liegt unter der deutschen
Ingrid Pahlmann, Familienpolitikerin der CDU/CSU-Fraktion, warf der AfD vor, sie orientiere sich bei ihren Vorschlägen am verschärften Abtreibungsrecht in Polen. Dabei ignoriere sie aber völlig, dass die Geburtenrate in Polen deutlich unter der von Deutschland liege. Die Schwangerschaftskonfliktberatung in Deutschland sei klar geregelt, die Beratung habe die gesetzliche Aufgabe, die schwangeren Frauen zum Austragen des Kindes zu ermutigen.
Wenn sich Frauen aber dennoch für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden, dann hätten sie dafür Gründe, die es zu respektieren gelte, sagte Pahlmann. Die AfD unterstelle den Frauen lediglich, „leichtsinnig“ mit ihrer Sexualität und einer Schwangerschaft umzugehen.
FDP: Wir wollen keine Zustände wie in Polen
In diesem Sinne argumentierte auch die frauenpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Nicole Bauer. Die Entscheidung für Kinder sei eine höchst individuelle Entscheidung. Der Staat habe sich aus dem Selbstbestimmungsrecht in der Familienplanung herauszuhalten.
Bauer verwies auf die aktuellen Demonstrationen in Polen gegen die neuen Einschränkungen im Abtreibungsrecht. „Wir wollen hier keine Zustände wie in Polen“, stellte die Abgeordnete klar. Frauen hätten das Recht zur Selbstbestimmung über den eigenen Körper.
SPD: AfD propagiert völkische Bevölkerungspolitik
Die SPD-Familienpolitikerin Leni Breymaier hielt der AfD vor, sie wolle die gesellschaftliche Entwicklung in Deutschland zurückdrehen „in den Mief der fünfziger Jahre“. Ihr Familienbild sei noch immer von der Vorstellung geprägt, dass der Mann zur Arbeit geht und die Frau daheim blonde und blauäugige Kinder erzieht.
Die AfD propagiere nichts anderes als eine „völkische Bevölkerungspolitik“. Die Familien bräuchten aber vielmehr eine zeitgemäße Politik und Unterstützung. Diese Politik werde von Familienministerin Franziska Giffey (SPD) gemacht, sagte Breymaier und führte als Beispiele das Starke-Familien-Gesetz, das Gute-Kita-Gesetz, die Verbesserungen und Flexibilisierungen beim Elterngeld und die angestrebte Ganztagsbetreuung für Kinder im Grundschulalter an.
Linke: AfD-Familienpolitik erinnert an die Nazis
Der kinder- und jugendpolitische Sprecher der Linksfraktion, Norbert Müller, erteilte den AfD-Anträgen eine ebenso deutliche Absage. Die Familienpolitik der AfD erinnere an die der Nazis. „Sie haben nicht zu entscheiden, wer wann wie viele Kinder bekommt“, sagte Müller mit Blick in die Reihen der AfD.
Deren Forderungen liefen auf den Umbau des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu einem Propaganda-Rundfunk und auf das Verbot von Aufklärungsunterricht in den Schulen hinaus.
Grüne: Populistische Schnellschüsse
Die jugendpolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, Beate Walter-Rosenheimer, bezeichnete die AfD-Anträge als „populistische Schnellschüsse“, die lediglich geeignet seien, das Vertrauen der Familien auf eine seriöse Politik zu erschüttern.
Es sei zwar völlig richtig, dass Kinder kein Armutsrisiko darstellen dürfen, aber dies erreiche man eben nicht mit einer niedrigeren „Windelsteuer“, sondern mit einer Kindergrundsicherung, die sich an den realen Bedarfen von Kindern orientiere. (aw/26.11.2020)