AfD will die Wehrpflicht wieder einführen
Nach dem Willen der AfD-Fraktion soll die im Jahr 2011 ausgesetzte Wehrpflicht wieder in Kraft gesetzt werden. In einem Antrag (19/24401) spricht sie sich für einen zwölfmonatigen verpflichtenden Wehrdienst für Männer aus. Mindestens 30.000 Wehrpflichtige müssten pro Jahr zur Bundeswehr einberufen werden. In der Debatte des Bundestages am Freitag, 20. November 2020, stieß diese Forderung allerdings bei allen anderen Fraktionen auf einhellige Ablehnung. Der Bundestag überwies diesen Antrag zusammen mit einem weiteren Antrag der AfD-Fraktion mit dem Titel „Gesundheitliche Beschwerden bei Soldaten durch Druckwellen“ (19/24392) zur weiteren Beratung in den Verteidigungsausschuss.
AfD: Wehrpflicht-Aussetzung war ein Kapitalfehler
Der verteidigungspolitische Sprecher der AfD-Fraktion Rüdiger Lucassen argumentierte, die Aussetzung der Wehrpflicht sei ein „Kapitalfehler“ gewesen. Die Wehrpflicht habe in Deutschland über 200 Jahre gut funktioniert und die Armee mit der Gesellschaft verbunden. Sie sei der „Wesenskern“ der Bundeswehr gewesen und habe zur DNA Deutschlands gehört. Auch große Teile der militärischen Führung der Bundeswehr würden eine Rückkehr zur Wehrpflicht begrüßen, behauptete Lucassen.
In ihrem Antrag argumentiert die AfD, die Bundeswehr könne ihrem Verfassungsauftrag zur Landesverteidigung nicht mehr nachkommen, da sie im Verteidigungsfall personell nicht mehr auf die benötigte Personalstärke aufwachsen könne, um es mit einem „kampfstarken“ Gegner aufzunehmen.
CDU/CSU: Wehrpflicht-Aussetzung war notwendig und richtig
Henning Otte, verteidigungspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, hielt der AfD entgegen, sie klammere sich an „romantische und verklärte Vorstellungen“ von der Wehrpflicht. Die Aussetzung der Wehrpflicht sei eine notwendige und richtige Entscheidung gewesen. „Wir wollen junge Menschen nicht zwingen, sondern überzeugen, einen freiwilligen Dienst zu leisten“, sagte Otte.
Dazu gehöre auch, die Arbeit der Soldaten, etwa in den Auslandseinsätzen, nicht immer schlechtzureden. Die Bundeswehr sei auch „nicht die Schule der Nation“, sondern habe einen sicherheitspolitischen Auftrag. Diesen leiste die Bundeswehr mit moderner Ausrüstung und professionell ausgebildeten Soldaten.
FDP: Wehrpflicht ohne militärischen Mehrwert
Der FDP-Abgeordnete Alexander Müller bescheinigte der AfD, sie wolle einen „Zwangsdienst“ einführen. Dies zeige, welche Vorstellung von Freiheit sie habe. Die Wehrpflicht bringe der Bundeswehr „keinen militärischen Mehrwert“.
Zudem sei es mit dem Gleichstellungsgrundsatz im Grundgesetz nicht mehr vereinbar, die Wehrpflicht nur für Männer zu reaktivieren. Die Einberufung von lediglich 30.000 jungen Männern pro Jahr würde ebenso zu einer Ungleichbehandlung führen.
Linke gegen „Militarisierung der Gesellschaft“
Tobias Pflüger (Die Linke) warf der AfD vor, sie propagiere den „alten Militarismus“ und sei eine Partei der Aufrüstung. „Wir wollen keine Militarisierung der Gesellschaft“, stellte Pflüger klar.
Die Forderung der AfD, Frauen zu einem Sanitätsdienst zu verpflichten sei zudem „Unsinn“. Auch ihre Vorstellungen über die Wiedereinführung des Zivildienstes als Teil der „zivilen Verteidigung Deutschlands“ zeigten, dass die AfD das Recht auf Kriegsdienstverweigerung nicht verstanden habe.
Grüne: Verstaubte Debatte
Agnieszka Brugger (Bündnis 90/Die Grünen) bezeichnete die gesamte Debatte über eine Rückkehr zur Wehrpflicht als „verstaubt“. Sie warnte zugleich vor der Vorstellung, man könne mit der Wehrpflicht das Problem des Rechtsextremismus in der Bundeswehr eindämmen.
Wer Rechtsextremismus in der Truppe verhindern wolle, der müsse genau prüfen, wer in die Bundeswehr komme. Zudem brauche es einfachere und schnellere Verfahren, um Rechtsextremisten oder Reichsbürger aus dem Dienst zu entlassen.
SPD: Umbau der Bundeswehr ist abgeschlossen
Der SPD-Verteidigungsexperte Dr. Fritz Felgentreu hielt der AfD vor, sie erreiche mit ihrem Antrag das Gegenteil von dem, was sie erreichen wolle. Der Umbau der Bundeswehr zu einer Freiwilligenarmee sei abgeschlossen, für Wehrpflichtige seien weder Unterkünfte noch Ausbilder vorhanden.
Eine Rückkehr zur Wehrpflicht würde die Streitkräfte und die Verteidigungsfähigkeit deshalb schwächen, weil ein erneuter Umbau unnötig Geld und Ressourcen verbrauche.
Erster Antrag der AfD
In ihrem ersten Antrag (19/24401) fordert die AfD, durch Reaktivierung der allgemeinen Wehrpflicht wieder eine Wehrpflichtarmee aus „Bürgern in Uniform“ zu bilden. Wehrpflichtig sollten Männer sein, der allgemeine Wehrdienst allen Geschlechtern offenstehen. Ausländer sollten nicht wehrpflichtig sein, heißt es in dem Antrag.
Nichtdeutsche Freiwillige sollten regelmäßig nicht als Soldat in der Bundeswehr dienen, so die Fraktion. Die allgemeine Wehrpflicht sollte in einem zwölfmonatigen Wehrdienst absolviert werden. Organisatorisch sollte diese Dienstzeit nicht zwingend in einem ununterbrochenen Zeitraum abgeleistet werden müssen. So könnte flexibel auf Interessen des Wehrpflichtigen reagiert werden (Ausbildung, Studium).
Pro Jahr will die Fraktion mindestens 30.000 Wehrpflichtige einberufen. Die Bedingungen und Chancen des Wehrdienstes müssten so beschaffen sein, dass sich idealerweise die jungen Männer um die Wehrpflicht-Stellen bewerben. Freiwilliger Wehrdienst sollte weiterhin als besonderes staatsbürgerliches Engagement gelten und entsprechend vergütet und gefördert werden.
Zweiter Antrag der AfD
In ihrem zweiten Antrag (19/24392) verlangt die Fraktion, eine wissenschaftliche Studie durchführen zu lassen, welche die Risikogruppen für gesundheitliche Beschwerden („Breacher Brain“) von Soldaten identifiziert und die kognitiven, auditiven, biologischen und physiologischen Schäden feststellt, die durch regelmäßige, kleinere Explosionen oder Druckwellen entstehen können und die Handlungsempfehlungen für den gesundheitlichen Schutz unserer Soldaten erarbeitet.
Auch sei sicherzustellen, dass Soldaten, die regelmäßig kleineren Explosionen oder Druckwellen ausgesetzt sind, sowie die zuständigen Vorgesetzten und Truppenärzte mögliche negative gesundheitliche Folgen auch jetzt schon stets im Blick haben. Die im Rahmen der Studie erarbeiteten Handlungsempfehlungen sollten in ein angemessenes Verhältnis zur Machbarkeit und zu operativen Erfordernissen gesetzt werden.
Weitere Vorlagen abgesetzt
Ursprünglich waren für die Debatte noch zwei weitere Vorlagen der Fraktion angekündigt.
Ein Antrag, mit dem die AfD „Transparenz“ schaffen und einen „Jahresbericht zu einsatzbedingten psychischen Erkrankungen von Bundeswehrsoldaten“ einführen wollte, sowie ein Gesetzentwurf mit dem Titel „für eine starke Bundeswehr – Zum verbesserten Schutz von Angehörigen der Bundeswehr vor Verunglimpfung“ wurden von der Tagesordnung abgesetzt. (sas/ste/vom/20.11.2020)