AfD-Anträge zu Grundrechten stoßen auf Widerspruch
Der Bundestag hat am Donnerstag, 7. Mai 2020, Anträge der AfD-Fraktion mit den Titeln „Grundrechten trotz Corona wieder Geltung verschaffen – Versammlungs- und Religionsfreiheit auch während einer epidemischen Lage sichern“ (19/18977) und „Grundrechten wieder Geltung verschaffen – Nein zu Big Brother – Keine Datensammlung durch eine Corona-App“ (19/18976) beraten. Im Anschluss an die Debatte wurde der erstgenannte Antrag zur federführenden Beratung in den Innenausschuss, der letztgenannte Antrag in den Gesundheitsausschuss überwiesen.
Vertreter von Koalition und Opposition verteidigten die Debatten über Lockerungen von Grundrechtsbeschränkungen während der Covid-19-Pandemie. Die AfD-Anträge stießen auf deutliche Kritik aus den Reihen der anderen Fraktionen.
Erster Antrag der AfD
Dem ersten Antrag (19/18977) zufolge soll die Bundesregierung darauf hinwirken, dass Eingriffe in Grundrechte nur „nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in verhältnismäßiger Weise, im Lichte der jeweilig betroffenen Grundrechte und unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls erfolgen“. Ferner soll die Bundesregierung nach dem Willen der Fraktion darauf hinwirken, dass „die Corona-Verordnungen der Länder entsprechend geändert werden“.
Hierbei soll laut Antrag insbesondere sichergestellt werden, „dass religiöse Feiertage, die seit vielen Jahrhunderten das Leben in Deutschland prägen (Ostern, Pfingsten, Weihnachten), auch unter erschwerten Rahmenbedingungen einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite angemessen begangen werden“ können. Auch „sogenannte Kasualien (zumindest Taufen und Beerdigungen)“ müssten unter den „erschwerten Bedingungen einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite in einer menschenwürdigen Form“ begangen werden können. „Zu diesem Zweck sollten Mustervorschriften durch die Bundesregierung erstellt werden, um situationsangemessene und verhältnismäßige Entscheidungen in Ländern und Kommunen sicher zu stellen“, heißt es weiter.
Zweiter Antrag der AfD
In ihrem zweiten Antrag (19/18976) fordert die AfD die Bundesregierung auf, die Entwicklung bisher angestrebter Covid-19-Tracking-Applikationen einzustellen. Da aus der aktuellen Informationslage hervorgehe, dass die Bundesregierung die Entwicklung einer Tracking-Applikation voranbringt, müsse sichergestellt sein, dass, sofern sie zum Einsatz kommt, die Nutzung der App nicht mit einer Einschränkung von Grundrechten verbunden ist.
Bei einer möglichen digitalen Applikation zur Erkennung und Unterbindung von Ansteckungswegen sei daher sicherzustellen, dass, entsprechende Technologien ausschließlich auf Basis freiwillig zur Verfügung gestellter Daten betrieben werden und dafür gesorgt wird, dass deren Nichtnutzung zu keinen sozialen Benachteiligungen führt. Bei eventuell durch die Technologie hervorgerufenen unverhältnismäßigen sozialen Verwerfungen oder Benachteiligungen der Bürger im alltäglichen Leben müssten Gegenmaßnahmen ergriffen oder es müsse die Technologie deaktiviert werden. Zudem verlangt die AfD eine Exit-Strategie für Technologien zur Bekämpfung von Covid-19 schon bei der Einführung.
AfD: Tiefe Krise unserer christlichen Kultur
In der Debatte beklagte Beatrix von Storch (AfD), es sei ein „Symbol für die tiefe Krise unserer christlichen Kultur in Zeiten der völligen moralischen Beliebigkeit“, dass die Kirchen „in diesem Jahr zu Ostern leer bleiben mussten“.
Zugleich betonte Storch, dass ihre Fraktion sich bereits vor Ostern für eine zügige Aufhebung der Beschränkungen ausgesprochen habe. Auf diesen Kurs seien die Länder in den vergangenen Tagen eingeschwenkt.
CDU/CSU: Auf den Weg zu Lockerungen machen
Philipp Amthor (CDU/CSU) unterstrich, je länger die Freiheitsbeschränkungen andauerten, desto begründungsbedürftiger würden sie. Deshalb sei es richtig, sich auf den Weg zu Lockerungen zu machen.
Es gehe aber nicht um „Gesundheit oder Religionsfreiheit“, sondern immer um „Gesundheit und Religionsfreiheit, Gesundheit und andere Grundrechte“. Diese Abwägung müsse im Parlament eingefordert werden.
FDP: Grundrechte mehr in den Vordergrund rücken
Konstantin Kuhle (FDP) mahnte, angesichts der momentanen Einschränkungen der Grundrechte müsse darüber diskutiert werden, wie man diese Rechte institutionell wieder mehr in den Vordergrund rücken und die Diskussion über Grundrechtsbeschränkungen „weg von der Exekutive, hin zur Legislative bewegen“ könne.
„Je länger diese Maßnahmen dauern, umso mehr müssen diese Debatten darüber im Parlament geführt werden“, fügte Kuhle hinzu.
SPD: Zusammenkünfte finden mit Auflagen statt
Mahmut Özdemir (SPD) wertete es als „ehrenwertes Anliegen“, der Versammlungs- und der Religionsfreiheit Geltung verschaffen zu wollen. Er frage sich aber, wo die AfD gewesen sei, als die Menschen im Lande während des Osterfestes die Einschränkungen „erfüllt haben und so den Erfolg – gemessen an den Infektionszahlen – auch erzielten“.
Auch würden längst wieder „viele demokratische Protestversammlungen und Zusammenkünfte zur Religionsausübung“ mit notwendigen Auflagen durchgeführt.
Linke gegen „voreilige Schritte“
André Hahn (Die Linke) begrüßte für seine Fraktion, dass jetzt erste Lockerungen der Freiheitsbeschränkungen möglich seien. Dabei hoffe sie, „dass es keine voreiligen Schritte gibt, die zu einem erneuten Ansteigen der Infektionszahlen führen“.
Zugleich nannte er es „grotesk“, dass sich die AfD, „die bei jeder Gelegenheit gegen Muslime hetzt“, sich „jetzt auch noch zur Verteidigerin der Religionsfreiheit aufzuspielen versucht“.
Grüne: Rechtsstaat funktioniert auch ohne AfD
Canan Bayram (Bündnis 90/Die Grünen) betonte, die Versammlungs- und die Religionsfreiheit seien ein „hohes Gut, das wir alle schützen wollen“. Dabei seien schon wieder Versammlungen mit mehr als 20 Personen erlaubt, und „die eine oder andere Verordnung“ sei durch Gerichtsentscheidungen korrigiert worden.
Auch Gottesdienste hätten vielfach bereits stattgefunden. Der Rechtsstaat funktioniere also auch ohne die AfD und ihren Antrag sehr gut. (sto/07.05.2020)