Überweisungen im vereinfachten Verfahren
Ohne Aussprache hat der Bundestag am Donnerstag, 13. Februar 2020, eine Reihe von Vorlagen zur weiteren Beratung in die Ausschüsse überwiesen.
Jugend: Ein Gesetzentwurf der Fraktion Die Linke zur Änderung des Achten Buches Sozialgesetzbuch (Jugendentlastungsgesetz, 19/17091) wurde zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Jugend überwiesen. Die Vorlage soll die Aufhebung des Kostenbeitrags junger Menschen in stationären Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen regeln. Haben junge Menschen, die in stationären Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe und in Pflegefamilien leben, eigenes Einkommen, müssen bis zu 75 Prozent ihres bereinigten Einkommens als sogenannter Kostenbeitrag an das Jugendamt abgeführt werden. Bei jungen Volljährigen soll auch deren Vermögen herangezogen werden. Diese Regelungen würden es jungen Menschen erschweren, die auf die besondere Unterstützung der Kinder- und Jugendhilfe angewiesen seien und somit über schwierigere Startchancen ins Erwachsenenleben verfügen, Rücklagen zur Verselbstständigung anzulegen. Darüber hinaus mindere die bestehende Regelung den Anreiz, eine Berufsausbildung aufzunehmen.
Entschädigung I: Ein Gesetzentwurf des Bundesrates zur Änderung des Gesetzes über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (19/17035) wurde zur federführenden Beratung an den Rechtsausschuss überwiesen. Damit soll der Entschädigungsbetrag für immaterielle Schäden von 25 Euro auf 75 Euro pro Hafttag angehoben werden. Für eine Freiheitsentziehung auf Grund gerichtlicher Entscheidung zahlt der Staat eine Entschädigung, wenn ein Strafverfahren mit einem Freispruch oder der Einstellung des Verfahrens endete oder die Hauptverhandlung gar nicht eröffnet wurde. Nach einer rechtskräftigen Verurteilung kann man Haftentschädigung erhalten, wenn ein Wiederaufnahmeverfahren mit einem Freispruch endete oder die Strafe aufgehoben wurde. Die Entschädigung erfasst neben dem Ersatz des Vermögensschadens auch den Ersatz des immateriellen Schadens in Form einer Pauschale pro Hafttag. Diese Pauschale blieb zunächst in den Jahren 1988 bis 2009 nahezu unverändert bei 20 DM/11 Euro und wurde auf 25 Euro erhöht.
Patientenberatung: Die Linksfraktion fordert einen Trägerwechsel für die Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD). In einem Antrag (19/14373), der federführend im Gesundheitsausschuss beraten werden wird, heißt es, die undurchsichtige Vergabe an eine Firma, deren Hauptgeschäft in der Beratung von Pharmaunternehmen liege, habe die Reputation der UPD deutlich verschlechtert. In ihrem Antrag fordern die Abgeordneten, die UPD dauerhaft in die Hände derjenigen Patientenorganisationen zu legen, die mit institutioneller Patientenberatung beschäftigt seien. Zugleich sollte auch die Finanzierung dauerhaft gewährleistet sein, um Kontinuität und Qualität zu gewährleisten. Statt aus Versichertengeldern sollte die UPD aus Steuergeldern finanziert werden, da es sich um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe handele und die Unabhängigkeit zu gewährleisten sei. Der Beirat sollte zu einem unabhängigen Gremium von Wissenschaftlern umgestaltet werden. Seit Januar 2016 betreibt die Callcenter-Firma Sanvartis die UPD. Zuvor wurde der Auftrag von einer Bietergemeinschaft aus Sozialverband VdK, Verbraucherzentrale Bundesverband und Verbund unabhängige Patientenberatung (VuP) wahrgenommen.
Diabetes: Die Grünen-Fraktion fordert eine nationale Strategie gegen die Ausbreitung von Diabetes. In einem Antrag (19/14389), der federführend im Gesundheitsausschuss beraten werden soll, heißt es, Diabetes mellitus sei eine verbreitete Erkrankung in der erwachsenen Bevölkerung. Die Ursachen für Typ 2 dieser Erkrankung lägen in einer komplexen Wechselwirkung von genetischer Disposition sowie verhaltens- und verhältnisbedingter Faktoren. Die Eindämmung der Krankheit müsse als ressortübergreifende Aufgabe verstanden werden, heißt es in dem Antrag. Ferner sollte die Information und Aufklärung über Diabetes verstärkt werden. Um die Versorgungsqualität der Betroffenen zu verbessern, müsse die Datengrundlage weiterentwickelt und die Forschung ausgebaut werden. Zudem müssten auch die Rahmenbedingungen für ein gesundes Leben verbessert werden, etwa durch verbindliche Qualitätsstandards für das Essen in öffentlichen Einrichtungen, insbesondere Schulen und Kitas. Um den Anteil von Zucker, Salz und Fett in Fertiglebensmitteln zu verringern, sollten verbindliche Reduktionsziele etabliert und steuerliche Anreize geprüft werden.
Ausbeutung: Die FDP-Fraktion fordert von der Bundesregierung ein Maßnahmenpaket gegen die finanzielle Ausbeutung älterer Menschen. In einem entsprechenden Antrag (19/15254), der zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Senioren überwiesen wurde, sprechen sich die Liberalen unter anderem für eine wissenschaftliche Studie aus, die die finanziellen, psychischen und gesellschaftlichen Auswirkungen finanzieller Ausbeutung untersucht. Zudem sollen Straftaten gegen das Vermögen älterer Menschen in der jährlichen Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) und im Bericht der Bundesregierung zur Situation der älteren Generation erfasst, eine Informationskampagne über die Konsequenzen einer Vorsorgevollmacht gestartet und das Personal in den von der Bundesregierung geförderten Beratungsstellen für ältere Menschen zu dieser Thematik geschult werden. Die FDP-Fraktion verweist darauf, dass Menschen im hohen Alter ein erhöhtes Risiko hätten, Opfer von Eigentums- und Vermögensdelikten zu werden, die auf Täuschung beruhen. Es sei deshalb Aufgabe des Staates, diesem erhöhten Risiko mit einem höheren Schutz für ältere Menschen entgegenzutreten.
Behandlungsfehler: Die Grünen-Fraktion will den Opfern von Behandlungsfehlern besser helfen. Medizinische Behandlungsfehler führten bei Patienten nicht nur zu gesundheitlichen Einschränkungen, sondern auch zu mentalen und finanziellen Belastungen, heißt es in einem Antrag (19/16059) der Fraktion, der zur federführenden Beratung an den Gesundheitsausschuss überwiesen wurde. Die Abgeordneten fordern die Einführung eines Härtefallfonds, der das bisherige Haftungsrecht ergänzen und für schnelle und unbürokratische Hilfe sorgen soll. Durch ein bundesweites Monitoring könnten Zahl und Ursachen von Behandlungsfehlern transparent gemacht werden. So ließen sich auch Rückschlüsse ziehen auf Fehlerursachen. Gesundheitseinrichtungen sollten dazu verpflichtet werden, Strukturen der Fehlervermeidung und des Risikomanagements einzuführen.
Seuchenausbreitung im Flugverkehr: Ein Antrag der AfD-Fraktion mit dem Titel „Bekämpfung der Seuchenausbreitung im Flugverkehr“ (19/17128) wurde zur federführenden Beratung an den Gesundheitsausschuss überwiesen. Die Fraktion will, dass Ankommende mithilfe einer Wärmebildkamera auf Fieber untersucht werden und Passagieren mit auffälliger Temperatur eine ärztliche Beratung am Flughafen empfohlen und ermöglicht wird. Alle Deutschland anfliegenden Fluggesellschaften für Flüge aus China und anderen Ländern, in denen sich Menschen mit dem Corona-Virus angesteckt haben, ohne dass sie zuvor in China waren, sollten mit sogenannten „Universal Precaution Kits“ ausgestattet werden, um Crew-Mitglieder zu schützen, potenziell Infizierten zu helfen, potenziell verseuchtes Material sicher zu entsorgen und die Umgebung sicher zu reinigen. Auch solle eine ausreichende Anzahl von Isolierbetten für die Unterbringung von Verdachtsfallpatienten vorgehalten werden. Für Pandemiefälle sollten ausreichen Arzneimittel zur Verfügung stehen, verlangt die Fraktion.
Ehrenkreuz der Bundeswehr: „Einer ehemaligen Staatssekretärin im Bundesverteidigungsministerium das Ehrenkreuz der Bundeswehr entziehen“ lautet der Titel eines weiteren Antrags der AfD-Fraktion (19/17125), der federführend im Verteidigungsausschuss beraten werden wird. Gemeint ist Dr. Katrin Suder, die von 2014 bis 2018 beamtete Staatssekretärin im Bundesverteidigungsministerium und im Zuge der sogenannten Berateraffäre am 30. Januar 2020 als Zeugin im Verteidigungsausschuss als Untersuchungsausschuss geladen war.
Entschädigung II: Ein Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Gerechte Entschädigung für alle“ (19/17108) ist zur federführenden Beratung an den Rechtsausschuss überwiesen worden. Die Bundesregierung wird aufgefordert, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der im Gesetz über Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen die Entschädigung für den Schaden, der nicht Vermögensschaden ist, für jeden angefangenen Tag der Freiheitsentziehung von 25 Euro auf 150 Euro anhebt. Ab dem 90. Hafttag solle die Entschädigung 200 Euro für jeden angefangenen Tag betragen, ab dem Ablauf des ersten Jahres für jeden angefangenen Tag 250 Euro. Eine Aufrechnung gegen die Entschädigung will die Fraktion ausschließen. Auch sei zu regeln, dass ein prozessual erklärter Verzicht auf Haftentschädigung unzulässig ist. Zudem solle eine Beweiserleichterung in der Form geschaffen werden, dass für Vermögensschäden, die während einer zu entschädigenden Inhaftierung eintreten, die widerlegbare Vermutung gilt, dass sie durch die Strafverfolgungsmaßnahmen bedingt sind. Die Zuständigkeit für die Entschädigungsansprüche will die Fraktion von der Staatsanwaltschaft auf die Justizbehörden übertragen. Darüber hinaus solle eine Anlaufstelle für Justizopfer geschaffen werden.
Arzneimittelrückstände: Ein im Auftrag des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung durch das Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) erstellter Bericht über Arzneimittelrückstände in Trinkwasser und Gewässern (19/16430) wurde an den Umweltausschuss überwiesen. Hintergrund ist der seit Jahren zunehmende Verbrauch von Arzneimitteln. Ausgeschieden gelangen diese, stark verdünnt, wieder in Grundwasser und Gewässer. Dort bauen sich manche der Stoffe nur langsam ab, „können in der Umwelt akkumulieren und über den Nahrungskreislauf oder das Trinkwasser wieder in den Körper gelangen“, heißt es in dem Bericht. Es gebe „noch große Wissenslücken über Vorkommen und Wirkungen von Arzneimittelrückständen in der Umwelt“, heißt es im Vorwort. Ein flächendeckendes Monitoring der Mikroverunreinigungen im Wasser und deren Wirkungen fehle. Beim Genuss von Trinkwasser sei derzeit nichts zu befürchten, aber aus Laborversuchen und ersten Felduntersuchungen gebe es „interpretationsbedürftige Hinweise, dass Gewässerökosysteme durch Arzneimittelrückstände in Kombination mit anderen Mikroverunreinigungen beeinträchtigt werden“ können. Der Bericht sei eine Bestandsaufnahme zu Mengen, Konzentrationen und Trends von Arzneimittelreststoffen im Wasser sowie zu vorhandenen Hinweisen, Indizien und Evidenzen für negative Wirkungen.
Terroristische Online-Inhalte: „Terroristische Online-Inhalte grundrechtskonform bekämpfen“ lautet der Titel eines Antrags der FDP-Fraktion (19/17099), der federführend im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz beraten werden wird. Die FDP verweist auf den 2018 von der EU-Kommission veröffentlichten Verordnungsvorschlag zur Verhinderung der Verbreitung terroristischer Online-Inhalte. Deren Ziel sei es, die Verbreitung von sogenannten terroristischen Inhalten auf Websites und in sozialen Netzwerken zu verhindern. Der Vorschlag sehe als zentrale Maßnahmen die Entfernungsanordnung und die unverzügliche Bewertung durch den Diensteanbieter bei Benachrichtigung vor. Ferner würden Diensteanbieter zur Verwendung automatisierter Werkzeuge verpflichtet. Die FDP fordert die Bundesregierung unter anderem auf, einem Inkrafttreten der Verordnung solange entgegenzutreten, bis diese ein angemessenes Schutzniveau für betroffene Grundrechte, vorhersehbare Verfahren sowie angemessenen Rechtsschutz erreicht. Dabei sei im weiteren Verfahren die Meinungs- und Pressefreiheit stärker zu berücksichtigen. Vor allem Äußerungen polemischer oder kontroverser Ansichten zu sensiblen politischen Fragen dürften nicht per se als terroristische Inhalte angesehen werden. Ausnahmen seien auch für journalistische oder Bildungszwecke vorzusehen. Im Rat der EU solle sich die Regierung für eine klarere Definition des Begriffs „terroristischer Inhalt“ einsetzen.
Gesundheitsprävention: „Gesundheitsprävention stärken und zielgerichtet weiterentwickeln“ ist ein weiterer Antrag der FDP-Fraktion (19/17094) überschrieben, der federführend im Gesundheitsausschuss beraten werden wird. Die FDP fordert die Bundesregierung auf, die bestehenden Programme und Maßnahmen im Bereich der Gesundheitsprävention und Suchthilfe auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen und eine gesamtheitliche Strategie in der Gesundheitsprävention und Suchthilfe zu entwickeln, die auch Online-Angebote umfasst. Neue Programme und Maßnahmen sowie eine Verlängerung bestehender Programme sollten nur noch mit verbindlichen Zielvorgaben gefördert werden. Alle von der Bundesregierung geförderten einschlägigen Programme und Maßnahmen sollten alle zwei Jahre und nach Programmende von einer unabhängigen Stelle evaluiert werden.
Nebenkosten bei Immobilien-Kaufverträgen: Ein Gesetzentwurf der AfD-Fraktion über die Reduktion der Kaufnebenkosten bei der Vermittlung von Kaufverträgen über Immobilien (19/17120) wurde zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz überwiesen. Die AfD will für den Fall erreichen, dass bei einem Immobilienverkauf der Makler vom Verkäufer eingeschaltet wurde, eine Zahlungsverpflichtung des Käufers hinsichtlich der Maklerkosten nur wirksam ist, wenn sie im notariellen Kaufvertrag beurkundet wird. Ausreichend sei eine Bestimmung, wonach sich der Käufer verpflichtet, den Verkäufer von seiner Verpflichtung zur Provisionszahlung gegenüber dem Makler freizustellen. Die notwendige Beurkundung hat aus Sicht der AfD mehrere positive Wirkungen. Der Makler, der vom Verkäufer in den Verkaufsvorgang einbezogen wird, werde nur dann tätig werden, wenn er vorab sichergestellt hat, dass er seine Provision zumindest vom beauftragenden Verkäufer erhält.
Medizinische Versorgung im ländlichen Raum: Ein Antrag der AfD-Fraktion mit dem Titel „Medizinische Versorgung im ländlichen Raum sicherstellen – Kommunale MVZ stärken“ (19/17130) wird federführend im Gesundheitsausschuss beraten werden. Die Bundesregierung wird unter anderem aufgefordert, den Versorgungs- und Finanzbedarf im Hinblick auf die mögliche Gründung von kommunalen Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) im ländlichen Raum zu ermitteln und zu veröffentlichen. Auch solle sie prüfen, ob und in welchem Umfang zur Deckung des ermittelten Finanzbedarfs aus dem Bundeshaushalt Finanzmittel zur Verfügung gestellt werden können, um die Gründung von kommunalen MVZ finanziell zu unterstützen.
(eis/vom/13.02.2020)