FDP will klare gesetzliche Grundlage für Infektionsschutzmaßnahmen
Neue Gesetze, weitere Einschränkungen. Die Bundeskanzlerin und die Ministerpräsidenten der Länder sind es, die über die Maßnahmen zu Pandemiebekämpfung entscheiden, ohne das Parlament. Dagegen wächst der Widerstand. Die FDP verlangt nun in einem Antrag (19/23689), das Infektionsschutzschutzgesetz zu novellieren, um das das Parlament stärker einzubinden. Eine Forderung, die in der Debatte über die Vorlage am Donnerstag, 29. Oktober 2020, auf breite Unterstützung stieß.
FDP: Klare Grundlage für Infektionsschutzmaßnahmen
„Wir würde gern hier im Bundestag um die besten Lösungen ringen, aber statt eines öffentlichen parlamentarischen Abwägens von Handlungsalternativen erleben wir lediglich ein nachträgliches Präsentieren der Ergebnisse. Das wollen wir ändern“, begründete Dr. Christine Aschenberg-Dugnus (FDP) den Vorstoß ihrer Fraktion. „Wir fordern deshalb parlamentarische Erlassvorbehalte und Unterrichtungspflichten.“
Ziel sei es, Infektionsschutzmaßnahmen auf eine „klare gesetzliche Grundlage“ zu stellen. Außerdem beantrage ihre Fraktion, die Feststellung der epidemischen Lage automatisch enden zu lassen. „Dann muss man argumentieren, um sie zu verlängern – und das ist ein Legitimationsgewinn.“ Zudem erhöhe es die Qualität der Maßnahmen und deren Akzeptanz.
CDU/CSU: Kein Mangel an parlamentarischem Einfluss
Abgeordnete der Koalitionsfraktionen signalisierten Verständnis für die Forderungen und räumten auch die Notwendigkeit zur Korrektur und Überarbeitung des Infektionsschutzgesetzes ein, verwehrten sich aber ausdrücklich gegen den Vorwurf des undemokratischen Agierens.
Rudolf Henke (CDU/CSU) etwa erklärte, er könne „keinen Mangel an parlamentarischen Einfluss“ erkennen: „Über die Aufhebung der epidemischen Lage haben hier zuletzt von Ihnen beantragt am 17. September diskutiert“, so der Abgeordnete. „Nur weil wir mit der Mehrheit des Hauses Ihren Antrag abgelehnt haben, verdienen wird nicht das Prädikat ,Nicht-Demokraten'.“
SPD sieht Reformbedarf
Sabine Dittmar (SPD) gestand ein, dass die Ermächtigungsgrundlage für Rechtsverordnungen nach dem Infektionsschutzgesetz im Lichte der aktuelle Pandemie-Lage „defizitär und überarbeitungsbedürftig“ wirken könne. Aber so sei nun mal die aktuelle Gesetzeslage.
Corona als „die erste große Herausforderung für das Infektionsschutzgesetz“ habe den Reformbedarf aufgezeigt. Eine Diskussion über eine Überarbeitung des Gesetzes sei richtig – aber nicht verknüpft mit dem Vorwurf, „den bisher getroffenen Entscheidungen fehle die demokratische Legitimation“, stellte die Abgeordnete klar.
AfD: Neue Corona-Maßnahmen sind willkürlich
Die Kritik der FDP sei berechtigt, komme aber „ganz schon spät“, monierte hingegen Beatrix von Storch (AfD): Ihre Fraktion habe wiederholt seit März mit Anträgen gefordert, die Feststellung der epidemischen Lage zu befristen und die getroffenen Maßnahmen regelmäßig zu überprüfen – unter Beteiligung des Parlaments. Das habe die FDP abgelehnt, stichelte Storch. Die Lage sei seither gleich: Merkel regiere Deutschland mit einem „Notstandsregiment“ zusammen mit den Ministerpräsidenten.
Abgeordnete würden vor „vollende Tatsachen gestellt“. Über den Lockdown erfahre man aus den Nachrichten. „Das ist nicht die Missachtung des Parlaments, sondern die Verachtung des Parlaments.“ Die Maßnahmen selbst geißelte Storch als wissenschaftlich nicht fundiert, „willkürlich“ und damit „unrecht“.
Grüne: Wir brauchen die öffentliche Debatte
Vertreter der zwei anderen Oppositionsfraktionen teilten die Kritik im Kern, grenzten sich aber gegenüber der Position der AfD klar ab: Britta Haßelmann (Bündnis 90/Die Grünen) hielt von Storch entgegen, bei allen „notwendigen Kontroversen“ über das Thema brauche es gerade von der AfD keine solche Einlassung zum Parlamentarismus.
Keine andere Partei trete mit „soviel Verachtung“ gegenüber demokratischen Institutionen und ihren gewählten Vertretern auf, empörte sich die Abgeordnete. Unbestritten sei aber, dass es bei der Entscheidung über Schutzmaßnahmen eine stärkere Beteiligung des Parlaments brauche. „Gerade in der Corona-Pandemie brauchen wir die öffentliche Debatte.“
Linke: Kanzlerin soll Verhandlungslinie erklären
Jan Korte (Die Linke) nannte es „absurd“, dass der Bundestag erst nach Beschluss und Bekanntgabe der verschärften Corona-Regeln debattiere: „Das muss vorher geschehen.“ Verschärfend wirke, dass die Maßnahmen die Grundrechte stark beschnitten; umso wichtiger sei da eine öffentliche Debatte im Vorfeld, so Korte mit Blick auf die nichtöffentlich tagenden Treffen von Kanzlerin und Ministerpräsidenten.
Korte verlangte, die Bundeskanzlerin müsse vor jeder weiteren dieser Runden in den Bundestag kommen und eine Regierungserklärung zu ihrer Verhandlungslinie abgeben.
Antrag der FDP
In ihrem Antrag (19/23689) fordern die Liberalen von der Bundesregierung, eine Novelle des Infektionsschutzgesetzes vorzulegen, welche die durch die Bundesländer zu erlassenden Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie auf eine ausreichend bestimmte und spezifizierte Rechtsgrundlage stellt. Bei der Einführung von Verordnungsermächtigungen im Infektionsschutzgesetz für den Bund solle zudem verstärkt auf parlamentarische Erlassvorbehalte und Unterrichtungspflichten gesetzt werden.
Der Bundestag solle darüber hinaus einen Expertenrat aus Medizinern, Soziologen, Wirtschaftswissenschaftlern und Verfassungsrechtlern einsetzen, um die Abgeordneten bei der Beurteilung von Fragen der Rechtmäßigkeit, Wirksamkeit und Angemessenheit von Maßnahmen zu unterstützen. (sas/29.10.2020)