Heftige Attacken der Opposition auf Verkehrsminister Andreas Scheuer
Vertreter der Opposition haben Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) nach seiner Vernehmung im 2. Untersuchungsausschuss („Pkw-Maut“) zum Rücktritt aufgefordert. Hingegen riefen Vertreter der Koalition in einer Aktuellen Stunde am Donnerstag, 8. Oktober 2020, dazu auf, zur Sacharbeit zurückzukehren. Die Aktuelle Stunde stand unter dem Titel „Politische Konsequenzen aus dem Auftritt des Bundesministers Scheuer im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu der gescheiterten Pkw-Maut“ und bezog sich auf die Vernehmung Scheuers am 1./2. Oktober 2020.
Grüne fordern Entlassung Scheuers
Im Untersuchungsausschuss zeige sich „das Sittengemälde eines Ministeriums, dem alles egal war“, kritisierte Oliver Krischer (Bündnis 90/Die Grünen): „Es ging jahrelang nur darum, diese Maut durchzusetzen.“ Es stehe fest, dass Scheuer gegen Haushalts- und Vergaberecht verstoßen habe, und wahrscheinlich habe er auch mehrfach das Parlament belogen. „Frau Merkel, Herr Söder: Entlassen Sie endlich diesen Minister!“, forderte Krischer.
Die Vernehmung des Ministers im Ausschuss suche in der deutschen Politik ihresgleichen, sagte der Grünen-Politiker weiter. Drei Zeugen hätten übereinstimmend berichtet, Scheuer habe ihren Vorschlag abgelehnt, die Einführung der Maut zu verschieben. Scheuer könne sich hingegen nicht daran erinnern. Dieses Drehbuch, sagte Krischer, könnte man fast für eine Vorabendserie verkaufen – „House of Scheuer oder so ähnlich“.
CDU/CSU kritisiert „Inszenierung“ der Opposition
Scharfe Kritik an der Opposition übte Michael Frieser (CDU/CSU). Schon der Titel der Aktuellen Stunde entlarve die „Inszenierung“ der Opposition. Diese behindere die Arbeit des Untersuchungsausschusses. „Und warum?“, fragte Frieser. „Weil Sie den Zirkus wollen und nicht die Suche nach der Wahrheit.“
Es seien keine Verstöße des Ministeriums gegen Vergabe- und Haushaltsrecht und keine persönlichen Verfehlungen Scheuers bewiesen, betonte der CSU-Politiker. Die Vernehmung Scheuers in der Nacht vom 1. auf den 2. Oktober habe lediglich gezeigt, dass Aussage gegen Aussage stehe. Dabei stelle sich die Frage, warum die Betreiberfirmen eine Verschiebung der Einführung der Pkw-Maut hätten vorschlagen sollen, wo sie doch ein finanzielles Interesse an einem möglichst frühen Start gehabt hätten.
AfD will Bundeskanzlerin Merkel als Zeugin laden
Wolfgang Wiehle, Obmann der AfD-Fraktion im Untersuchungsausschuss, bezeichnete die Pkw-Maut als „politische Obsession einer kleinen Partei“. Das Problem gehe zurück auf den Koalitionsvertrag von 2013. Wenn der Ausschuss die Vorgeschichte aufklären wolle, müsse er auch Bundeskanzlerin Merkel und den damaligen SPD-Vorsitzenden Gabriel als Zeugen hören.
Wiehle kritisierte „auffällige Erinnerungslücken“ von Minister Scheuer und einen „abenteuerlichen Umgang mit Recht und Gesetz“. Es sei nicht nachvollziehbar, warum das Verkehrsministerium mit dem Abschluss des Betreibervertrags nicht bis 2019 gewartet habe. Als Bundesminister sei Scheuer „eine tonnenschwere Last“.
SPD fordert zu konstruktiver Arbeit auf
Kritik am Vorgehen der Opposition übte Udo Schiefner (SPD). Die bisher konstruktive Arbeit im Ausschuss werde „zunehmend von Theaterdonner übertönt“, beklagte der Vorsitzende des 2. Untersuchungsausschusses.
Aufgaben des Ausschusses seien Aufklärung und faire Behandlung der Beteiligten, sagte Schiefner, nicht aber Strafe. „Wir sind weder Ankläger noch Verteidiger“, betonte er. Allerdings habe die Vernehmung Scheuers noch „kein ausreichendes Licht ins Dunkel“ gebracht, und noch immer stünden Vorwürfe im Raum. So sei offen, ob Vergaberecht und Haushaltsrecht gebrochen worden seien und ob Minister Scheuer gelogen habe.
FDP verlangt Rücktritt des Ministers
Die Vernehmung des Ministers sei „keine Sternstunde der parlamentarischen Demokratie“ gewesen, befand Dr. Christian Jung (FDP). Vielmehr habe Scheuer den Eindruck erweckt, er stehe über dem Gesetz und wisse alles besser. Bei der Vergabe der Pkw-Maut habe der Minister Vergabe-, Haushalts- und Europarecht missachtet. Außerdem kritisierte der Obmann der FDP-Fraktion im Untersuchungsausschuss, dass viele Gespräche nicht dokumentiert worden seien.
„Sie konnten nicht beweisen, dass Sie das Parlament und den Untersuchungsausschuss nicht belogen haben“, sagte Jung mit Blick auf den Minister. Er forderte diesen auf, sofort zurückzutreten.
Linke sieht Glaubwürdigkeit der Politik beschädigt
An einen „schlechten Mafia-Film“ erinnert fühlte sich Jörg Cezanne, Obmann der Linksfraktion im Untersuchungsausschuss. Jemand wie Minister Scheuer habe „in einer Führungsposition schlicht nichts zu suchen“ und sei „einfach eine peinliche Erscheinung“.
Besonders scharf kritisierte Cezanne, dass die Gespräche mit dem Betreiberkonsortium vergaberechtswidrig geführt worden seien. Mit rechtsstaatlichem Verwaltungshandeln habe das nichts zu tun gehabt. Scheuer habe damit die Glaubwürdigkeit der Regierung und auch das Vertrauen vieler Menschen in die Politik insgesamt beschädigt. (chb/08.10.2020)