Konsequenzen aus dem Brand im Flüchtlingslager Moria auf Lesbos verlangt
Vertreter der Regierungsfraktionen und der Opposition haben sich uneins über die dringendsten Schritte zur Bewältigung der humanitären Katastrophe auf der griechischen Insel Lesbos gezeigt. Auf Antrag der Linksfraktion (19/22264) debattierte der Bundestag am Freitag, 11. September 2020, über die Konsequenzen nach dem Brand des überfüllten Flüchtlingslagers in Moria. Die Linksfraktion verlangte die Aufnahme der rund 13.000 Geflüchteten des Lagers in Deutschland, soweit nicht andere Länder aufnahmebereit sind. „In Moria sind die Werte der EU in Flammen aufgegangen“, sagte der Vorsitzende der Linksfraktion, Dr. Dietmar Bartsch, in der einstündigen, von zahlreichen Zwischenrufen unterbrochenen Debatte. Innenminister Horst Seehofer (CSU) verwies darauf, dass Deutschland bereits in enger Abstimmung mit der griechischen Regierung bei der Notversorgung der obdachlosen Menschen vor Ort helfe.
Innenminister mahnt europäische Lösung an
Seehofer betonte, dass 400 unbegleitete Kinder und Jugendliche aus Moria auf das Festland überführt worden seien. Einige EU-Länder, darunter Deutschland, seien bereit, diese Geflüchteten aufzunehmen. Seehofer verwies zudem darauf, dass Deutschland seit 2015 rund 1,7 Millionen Flüchtlinge aufgenommen habe. Pro Werktag würden aktuell 300 bis 400 Flüchtlinge aufgenommen. „Wir nähern uns wieder den Höchstzahlen der Vergangenheit an“, sagte der CSU-Politiker.
Gleichzeitig mahnte Seehofer erneut eine europäische Lösung der Flüchtlingsfrage an. Die EU-Kommission werde am 30. September „ganzheitliche Vorschläge“ vorlegen, sagte er. „Rasche Lösungen sind europäisch möglich mit denen, die bereit sind, Solidarität zu zeigen.“ Ein globales Problem werde sich auch nur europäisch und international lösen lassen. „Das schreckliche Feuer sollte für uns eine Mahnung sein, dass sich substanziell etwas verbessern muss“, sagte Seehofer.
Bartsch warf dem Innenminister dagegen vor, dass sein Verbot an die Kommunen, Flüchtlinge in Eigenregie aufnehmen zu dürfen, ein Skandal sei. „Ihr Agieren ist nicht christlich, Ihr Agieren ist unmenschlich“, sagte Bartsch.
Grüne: Deutschland muss vorangehen
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen warf der Bundesregierung Versagen vor, weil sie dem Asylthema während der EU-Ratspräsidentschaft keine Priorität gebe. „Jetzt wird nach der großen Lösung gesucht, anstatt zu helfen, zu versorgen“, sagte die Sprecherin für Flüchtlingspolitik, Luise Amtsberg.
„Wir sind überzeugt, dass Deutschland vorangehen muss, damit andere mitziehen“, fügte sie hinzu.
AfD gegen Aufnahme von „Wirtschaftsflüchtlingen“
Die AfD-Fraktion wandte sich entschieden gegen eine Aufnahme der notleidenden Menschen aus Lesbos. Warum sollte Deutschland Wirtschaftsflüchtlinge und Erpresser mit Sozialhilfe entlohnen, fragte der innenpolitische Sprecher der Fraktion, Dr. Gottfried Curio.
„Deutschland ist keine weltweite Hilfsorganisation. Aufgabe der Regierung ist es, die Interessen des deutschen Volkes zu vertreten“, sagte er.
SPD wirft EU-Kommission Verzögerung vor
Die innenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Ute Vogt, betonte, dass jetzt schnelle Lösungen und sofortige Hilfe für die Menschen vor Ort wichtig seien. „Wir dürfen es nicht mehr zulassen, dass so ein Lager wie Moria auf europäischen Boden entsteht“, sagte sie. Alle 13.000 Flüchtlinge aus dem abgebrannten Lager müssten jetzt schnell auf EU-Länder verteilt werden.
Der EU-Kommission warf sie Verzögerungspolitik vor. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hätte in der Asylpolitik mehr Tatkraft zeigen sollen. Das sei beschämend, sagt Vogt.
Landesminister: Es darf keinen deutschen Alleingang geben
Als Vertreter des Bundesrates betonte Nordrhein-Westfalens Flüchtlingsminister, Joachim Stamp (FDP), dass es keinen deutschen Alleingang geben dürfe. „Es ist ein Versagen der EU, dass sie diese Entwicklung zugelassen hat“, sagte Stamp.
Griechenland müsse bei der Beschleunigung der Asylverfahren geholfen werden. Gleichzeitig müssten Menschen, die kein Asylrecht hätten, in ihre Heimat zurückgeschickt werden.
Der Bundestag überwies den Antrag der Linken mit dem Titel „Konsequenzen aus dem Brand in Moria ziehen – Lager auf den griechischen Inseln auflösen und Geflüchtete in Deutschland aufnehmen“ (19/22264) im Anschluss zur weiteren Beratung an den federführenden Ausschuss für Inneres und Heimat. Die Linke wollte direkt über ihren Antrag abstimmen lassen, wurde darin aber nur von Bündnis 90/Die Grünen unterstützt.
Antrag der Linken
Die Abgeordneten fordern die Bundesregierung auf, in einem ersten Schritt die rund 13.000 Menschen, die durch die Brände in Moria obdachlos geworden sind, aufzunehmen, soweit diese nicht in andere aufnahmebereite Länder möchten. Darüber hinaus soll sich Bundesregierung dabei auf die Aufnahmebereitschaft und Initiativen zahlreicher Bundesländer und Kommunen stützen.
Auf EU-Ebene soll sich zudem für die Abschaffung des sogenannten Hotspot-Systems, die Auflösung aller Hotspot-Lager und für eine finanzielle Unterstützung der auf den griechischen Inseln betroffenen Bevölkerung eingesetzt werden. Die Schutzsuchenden aus diesen Lagern sollen im Rahmen eines fairen Aufnahmesystems auf andere EU-Mitgliedstaaten verteilt werden; dabei sollen die Interessen und bestehende soziale Kontakte der Geflüchteten berücksichtigt werden, heißt es in dem Antrag weiter. (sk/vom/11.09.2020)