Verbot von Werkverträgen und Leiharbeit in Fleischfabriken beraten
Die parlamentarische Sommerpause hat dem Bewusstsein, dringend handeln zu müssen, keinen Abbruch getan. Diesen Eindruck konnten Zuhörer jedenfalls gewinnen, wenn sie der Debatte über den Entwurf der Bundesregierung für ein Arbeitsschutzkontrollgesetz (19/21978) gefolgt sind. Am heutigen Donnerstag, 10. September 2020, debattierte der Bundestag erstmals über das Vorhaben, dessen Kern es ist, Werkverträge und Leiharbeit in großen Fleischfabriken zu verbieten. Nach einigen heftigen Corona-Ausbrüchen unter Mitarbeitern von Schlachthöfen war vor der Sommerpause eine Debatte über die katastrophalen Arbeitsbedingungen der oft aus Osteuropa stammenden Mitarbeiter entbrannt.
Werkverträge und Leiharbeit in der Fleischwirtschaft
Nun geht die Diskussion im parlamentarischen Rahmen weiter und allen voran Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) warnte davor, den vorliegenden Entwurf von den Lobbyisten der Branche verwässern zu lassen. Kritik am Gesetzentwurf gab es vor allem wegen der Umsetzung. So bezweifelte die AfD-Fraktion, dass mehr Kontrollen ausreichen, um die Missstände zu beheben. Die FDP-Fraktion kritisierte das Verbot von Leiharbeit. Linke und Grüne bezeichneten die Vorgaben für die Arbeitsschutzkontrollen als viel zu lasch.
Mit dem Gesetzentwurf will die Bundesregierung zum einen im Kernbereich der Fleischwirtschaft Werkverträge und Leiharbeit zum 1. Januar beziehungsweise zum 1. April 2021 verbieten, strengere Auflagen für Gemeinschaftsunterkünfte von Mitarbeitern durchsetzen und die Kontrollen der Arbeitsschutzbehörden besser koordinieren und intensivieren. Unter anderem soll eine jährliche Mindestbesichtigungsquote von fünf Prozent der Betriebe (ab 2026) eingeführt werden. So solle der negative Trend der seit Jahren rückläufigen Betriebsbesichtigungen gestoppt werden und der Missbrauch von Werkverträgen zum Zweck des Lohndumpings beendet werden, heißt es im Entwurf. Vom Verbot von Leiharbeit und Werkverträgen sind kleinere Handwerksbetriebe bis 50 Mitarbeiter ausdrücklich ausgenommen.
Regierung: Das Katz- und Maus-Spiel ist vorbei
Bundesarbeits- und Sozialminister Hubertus Heil (SPD) betonte, er habe nichts gegen Werkverträge als solche, die unter anderem dafür da seien, Auftragsspitzen besser bewältigen zu können. „Aber wenn 80 bis 90 Prozent der Beschäftigten eines Betriebes über Werkverträge angestellt sind, dann ist das organisierte Lohndrückerei.“
Das Katz-und Maus-Spiel mit der Freiwilligkeit habe der Bundestag viel zu lange mitgespielt, jetzt müssten die Arbeitsbedingungen eben per Gesetz verbessert werden, betonte der Minister.
AfD kritisiert Eingriff in die unternehmerische Freiheit
Uwe Witt (AfD) kritisierte, dass erst die Corona-Skandale die Bundesregierung aus ihrem jahrelangen „Dornröschenschlaf“ gerissen hätten und bezweifelte, dass die Missstände in den Fabriken durch mehr Kontrollen behoben werden können. Erst der Sparkurs der Regierung beim Zoll habe doch dazu geführt, dass die Kontrolldichte so stark gesunken sei, sagte er.
Das völlige Verbot von Werkverträgen und Leiharbeit bezeichnete Witt als unzulässigen Eingriff in die unternehmerische Freiheit und forderte eine 15-Prozent-Quote für Werkverträge im Kernbereich.
CDU/CSU: Freiheit bedeutet auch Verantwortung
Peter Weiß (CDU/CSU) ging noch einmal auf die Selbstverpflichtung der Branche für bessere Arbeitsbedingungen ein: „Wenn sie 2014 auch umgesetzt worden wäre, bräuchten wir das Gesetz heute nicht.“
Ein Tarifvertrag, der die Arbeitsbedingungen regelt, sei bis heute nicht geschlossen worden, deshalb müsse der Staat nun eingreifen, das gehöre zur sozialen Marktwirtschaft dazu. Weiß betonte: „Freiheit ist damit verbunden, Verantwortung wahrzunehmen.“
FDP: Das Verbot von Leiharbeit ist falsch
Carl-Julius Cronenberg (FDP) sagte, praktisch alle Missstände seien schon nach heutiger Rechtslage ein Rechtsbruch. Ein paar mehr Kontrollen und eine zusätzliche Fachstelle reichten nicht aus, um die miserablen Zustände in vielen Betrieben zu beenden. Dafür sei es auch nötig, die zuständigen Behörden besser miteinander zu vernetzen, so Cronenberg.
Er kritisierte vor allem das Verbot von Leiharbeit, die sich für Unternehmen sehr bewährt habe, um personelle Engpässe auszugleichen. „Auch die Abgrenzung allein anhand der Mitarbeiterzahl trifft die Falschen“, sagte er.
Linke: Über 30.000 Euro Bußgeld lacht Herr Tönnies
Amira Mohamed Ali (Die Linke) betonte, sie könne nicht erkennen, wie der Gesetzentwurf dazu beitragen solle, mit den Missständen in der Fleischbranche aufzuräumen. Die vorgesehene Verpflichtung bedeute, fünf Prozent der Betriebe würden jährlich kontrolliert. „Es würde also 20 Jahre dauern, bis man alle Betriebe kontrolliert hätte.“
Diese Vorgabe sei viel zu lasch, kritisierte die Linke. Auch über ein Bußgeld von maximal 30.000 Euro lache der zweifache Milliardär Tönnies doch nur, ergänzte sie.
Grüne: Mindestbesichtigungsquote kommt zu spät
Beate Müller-Gemmeke (Bündnis 90/Die Grünen) begrüße ausdrücklich das Verbot der Werkverträge. Dies habe ihre Fraktion ebenfalls in einem Antrag gefordert. Sie verteidigte den Plan, gleichzeitig auch die Leiharbeit zu verbieten. Denn geschehe dies nicht, würden die Werkvertragsfirmen schnell zu Leiharbeitsfirmen.
„Das kann ja nicht das Ziel sein“, sagte sie. Sie kritisierte aber die Vorgaben für die Arbeitsschutzkontrollen: „Eine Mindestbesichtigungsquote von fünf Prozent und das auch erst ab 2026. Das ist viel zu wenig und viel zu spät.“
SPD: Wir müssen Kurs halten
Katja Mast (SPD) betonte dagegen: „Mit dem Gesetzentwurf gehen wir extrem weit. Wir ändern die Arbeitsbedingungen fundamental, wie in keiner anderen Branche.“ Die Politik habe das Thema auch keinesfalls jahrelang ignoriert, zuletzt habe es 2017 Verschärfungen gegeben.
Aber man hätte jedes Mal beobachten können, dass Regelungen „mit allen Tricks“ umgangen würden, so Mast. Wie der Minister, so appellierte auch sie an die Abgeordneten: „Die Industrie versucht massiv, auf uns Einfluss zu nehmen. Jetzt geht es darum, Kurs zu halten.“
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Der Arbeitsschutz in Betrieben soll laut Gesetzentwurf künftig besser kontrolliert und Werkverträge im Kernbereich der Fleischwirtschaft sollen verboten werden. Die Leistungsfähigkeit des deutschen Arbeitsschutzsystems hänge neben der entsprechenden Umsetzung der Vorgaben durch die Arbeitgeber maßgeblich von einer transparenten und passgenauen Beratung und Überwachung der Betriebe durch die Arbeitsschutzbehörden ab, schreibt die Regierung. Das Arbeitsschutzgesetz enthalte dazu aber derzeit keine Vorgaben. Vor allem über die Kontrolldichte würden die Arbeitsschutzbehörden nach eigenem Ermessen entscheiden, was in der Praxis seit Jahren zu rückläufigen Betriebsbesichtigungen geführt habe. „Dieser negative Trend soll gestoppt werden“, heißt es in dem Entwurf.
Bund und Länder sollen auf Grundlage einheitlicher Standards den Arbeitsschutzvollzug weiter verbessern. Unter anderem soll betriebsbezogen eine jährliche Mindestbesichtigungsquote eingeführt werden. Diese soll durch die Einrichtung einer Bundesfachstelle für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) flankiert werden. Dadurch soll gleichzeitig mehr Transparenz bei den Kontrollen und den Datenlieferungen aus den Ländern hergestellt werden.
Kein Fremdpersonal mehr in der Fleischverarbeitung
Als eine der „zentralen Maßnahmen“ zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie bezeichnet die Regierung die Vorgabe, dass im Bereich der Schlachtung, Zerlegung und der Fleischverarbeitung in einem Unternehmen kein Fremdpersonal mehr eingesetzt werden darf. Der Einsatz von Werkvertrags- und Leiharbeitnehmern soll damit künftig verboten werden. Für Verstöße ist eine entsprechende Bußgeldtabelle vorgesehen. Das Verbot soll nicht für Handwerksbetriebe gelten, die in den Bereichen Schlachtung, Zerlegung und Fleischverarbeitung tätig sind.
Der Gesetzentwurf sieht ferner vor, die Arbeitszeit in der Fleischindustrie künftig elektronisch zu erfassen. Für die Unterbringung von Beschäftigten in Gemeinschaftsunterkünften sollen Mindestanforderungen festgelegt werden. Eine Dokumentationspflicht im Hinblick auf die Bereitstellung von Gemeinschaftsunterkünften soll die Überwachungstätigkeit der zuständigen Landesbehörden und der Unfallversicherungsträger unterstützen. (che/10.09.2020)