Der Bundestag hat am Donnerstag, 2. Juli 2020, eine Gutscheinlösung bei Pauschalreisen beschlossen, die aufgrund der Covid-19-Pandemie nicht stattfinden konnten. Dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Pauschalreisevertragsrecht (19/19851) stimmten bei Enthaltung der AfD-Fraktion alle übrigen Fraktionen zu. Zur Abstimmung hatte der Rechtsausschuss eine Beschlussempfehlung vorgelegt (19/20718).
Keine Mehrheit fanden Anträge der FDP-Fraktion mit dem Titel „Effektive und verbraucherfreundliche Hilfen für die Reisewirtschaft“ (19/20045) und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Die Tourismuswirtschaft in der Krise wirksam unterstützen“ (19/18959). Dem FDP-Antrag stimmten nur die Antragsteller zu, während die Koalitionsfraktionen und die Linksfraktion ihn ablehnten und die AfD und die Grünen sich enthielten. Dem Antrag der Grünen stimmte auch die FDP zu, während ihn Union und SPD ablehnten. Die AfD und die Linksfraktion enthielten sich. Zum FDP-Antrag hatte der Rechtsausschuss eine Beschlussempfehlung (19/20718) vorgelegt, zum Grünen-Antrag der Tourismusausschuss (19/20622).
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Im Gesetzentwurf der Bundesregierung (19/19851) heißt es, in Ergänzung zu den zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie bereits getroffenen Regelungen solle eine gesetzliche Regelung geschaffen werden, die den Reiseveranstaltern die Möglichkeit eröffnet, den Reisenden statt der sofortigen Rückerstattung des Reisepreises einen Reisegutschein im Wert der erhaltenen Vorauszahlungen anzubieten, der gegen eine etwaige Insolvenz des Reiseveranstalters abgesichert ist.
Dieser Gutschein, der von staatlicher Seite nur im Hinblick auf die aktuelle Covid-19-Pandemie und zeitlich befristet abgesichert werde, könne nach Ende der derzeitigen Reisebeschränkungen bei dem Reiseveranstalter eingelöst werden.
„Fairer Interessenausgleich“
Durch diese Regelung wird dem Entwurf zufolge ein fairer Interessenausgleich erreicht. Die Reiseveranstalter erhielten die Möglichkeit, zunächst weiter mit den bereits vereinnahmten Vorauszahlungen zu wirtschaften und den Fortbestand ihres Unternehmens sicherzustellen. Dem Reisenden entstünden aus der Annahme eines Gutscheins keine Nachteile, da die Gutscheine im Fall einer Insolvenz des Reiseveranstalters werthaltig blieben und somit auch in wirtschaftlicher Hinsicht attraktiv seien. Zudem seien die Reisenden nicht verpflichtet, die Gutscheine anzunehmen. Entschieden sie sich dagegen, hätten sie unverändert einen Anspruch auf Rückerstattung ihrer Vorauszahlungen.
Der Rechtsausschuss hatte den Regierungsentwurf dahingehend geändert, dass die Rechte der Reisenden im Hinblick auf die ergänzende staatliche Absicherung der Gutscheine und bei Nichteinlösung des Gutscheins klarer gefasst wurden. Weitere Änderungen ergeben sich aus dem Umstand, dass die ergänzende staatliche Absicherung der Gutscheine nach Auffassung der Europäischen Kommission als staatliche Beihilfe zu behandeln ist.
Die Änderungen haben ferner zum Ziel, angesichts der länderübergreifend angeordneten Versammlungs- und Veranstaltungsbe-schränkungen im Zuge der Covid-19-Pandemie Vorkehrungen für die Tätigkeit der regionalen Rechtsanwaltskammern, die Bundesrechtsanwaltskammer, die Patentanwaltskammer, die Notarkammern, die Bundesnotarkammer, die Notar- und die Ländernotarkasse sowie für die Wirtschaftsprüferkammer, die Bundessteuerberaterkammer und die regionalen Steuerberaterkammern zu treffen, um deren Handlungsfähigkeit sicherzustellen. Damit sollen Lösungen für die anstehenden Versammlungen, Wahlen und Beschlussfassungen der Kammern gefunden werden.
Abgelehnter Antrag der FDP
Die FDP forderte die Bundesregierung in ihrem Antrag (19/20045) auf, eine zukunftsfähige Unterstützungsmaßnahme für die Reisewirtschaft zu schaffen, die sowohl in Zeiten der Covid-19-Pandemie wirkt als auch darüber hinaus die Branche langfristig stabilisiert. Unter anderem sollte als Existenzsicherung ein Rückzahlungsfonds von mindestens zehnjähriger Laufzeit mit einem Zinssatz von einem Prozent errichtet werden, der die Rückzahlungsverpflichtungen aller rückzahlungspflichtigen Unternehmen aus der Touristik gegenüber den Endverbrauchern übernimmt.
Weiter sollte eine geplante Änderung im deutschen Pauschalreiserecht so schnell wie möglich umgesetzt werden, mit der sich Kunden bei pandemiebedingten Rücktritten von Reiseverträgen statt einer unverzüglichen Rückerstattung wahlweise auch Gutscheine über den bereits gezahlten oder angezahlten Reisepreis ausstellen lassen können. Auf europäischer Ebene sollte sich die Bundesregierung für eine Änderung der Pauschalreiserichtlinie einzusetzen, sodass sich bei pandemiebedingten Rücktritten von Reiseverträgen Kunden statt einer unverzüglichen Rückerstattung wahlweise auch Gutscheine über den bereits gezahlten oder angezahlten Reisepreis ausstellen lassen können.
Abgelehnter Antrag der Grünen
Einen „Rettungsfonds für die Reisewirtschaft“, um die Folgen der Corona-Krise aufzufangen, forderten die Grünen in ihrem Antrag (19/18959). Sie begründeten dies mit dem Hinweis, dass die bisherigen staatlichen Hilfsangebote viele Selbstständige und Kleinstbetriebe der Branche nicht erreichten. Dies sei besonders problematisch für einen Wirtschaftszweig, der wie der Tourismussektor überwiegend klein- und mittelständisch geprägt sei und sich von anderen durch seine Vielfalt unterscheide, das Nebeneinander von großen Konzernen, Freiberuflern, Vereinen.
Auf die Bedürfnisse dieser Zielgruppe seien die bisherigen staatlichen Maßnahmen nicht passgenau zugeschnitten. Kredite der staatlichen KfW-Bankengruppe würden von Hausbanken nur selten an touristische Betriebe vergeben, weil deren Ertragslage in der anhaltenden Corona-Krise voraussichtlich noch längere Zeit angespannt bleiben werde. Selbstständige und Freiberufler dürften die staatlichen Soforthilfen nicht für die eigene Lebenshaltung ausgeben, obwohl sie in der Regel nur geringe Betriebskosten hätten und auf ihre Einnahmen zur Bestreitung des Lebensunterhalts angewiesen seien. (hau/wid/mwo/02.07.2020)