FDP-Antrag fordert Verurteilung des Sicherheitsgesetzes für Hongkong
Erstmals hat der Bundestag am Freitag, 29. Mai 2020, über einen Antrag der FDP-Fraktion mit dem Titel „Sicherheitsgesetz für Hongkong verurteilen – Das Prinzip ‚Ein Land, zwei Systeme‘ bewahren“ (19/19504) debattiert. Im Anschluss wurde die Vorlage mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und Linken zur weiteren Beratung an den federführenden Auswärtigen Ausschuss überwiesen. FDP, AfD und Bündnis 90/Die Grünen votierten dagegen. Sie hatten für Federführung beim Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe gestimmt.
In der Debatte waren sich die Redner in der Verurteilung des geplanten chinesischen Sicherheitsgesetzes für Hongkong sehr einig. Klaren Dissens allerdings gab es in der Frage, wie die Bundesregierung auf den Angriff auf die Autonomie der Sonderverwaltungszone und die damit verbundene Gefährdung der Bürger- und Menschenrechte reagieren solle.
FDP: „Letzter Sargnagel“ für Autonomie Hongkongs
Gyde Jensen (FDP), Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses, griff in ihrer Rede zum Auftakt der Debatte die Bundesregierung scharf an. Die Verabschiedung des Sicherheitsgesetzes durch den chinesischen Volkskongress sei der „letzte Sargnagel“ für die Autonomie in Hongkong. Das Prinzip „Ein Land, zwei Systeme“ gelte nun nicht mehr. China habe bestehendes Völkerrecht gebrochen. Trotzdem brauche es Tage, bis die Bundesregierung überhaupt reagiere. „Außenminister Maas waren die Vorgänge in Peking nur einen kleinen Tweet wert, der Kanzlerin bislang keinen einzigen Kommentar“, kritisierte Jensen und forderte umgehend Konsequenzen: „Die Bundesregierung muss China endlich rote Linien aufzeigen.“
Konkret verlangte die Liberale auf personenbezogene Sanktionen gegenüber Funktionären der Kommunistischen Partei auf EU-Ebene einzuführen, um Menschenrechtsverletzungen zu ahnden. Auch der im September in Leipzig geplante EU-China-Gipfel müsse abgesagt werden. „Der Volksrepublik darf kein weiterer Rahmen für Propaganda geboten werden“, forderte Jensen.
CDU/CSU: Eintritt für Demokratie „in unserem Interesse“
Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses, pflichtete seiner Vorrednerin bei. Tatsächlich sei eine Verurteilung des chinesischen Sicherheitsgesetzes durch Deutschland geboten, denn es sei eine „eindeutige Verletzung der Rechte, die Hongkong zugesagt worden“ seien. Eine Reaktion gebiete aber auch das deutsche Selbstverständnis: „Wir treten für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Freiheit und Menschenrechte ein. Und zwar bedingungslos“, betonte Röttgen.
Dies liege auch im eigenen Interesse. „Wenn wir unsere außenpolitische Glaubwürdigkeit beschädigen, beschädigen wir auch unsere außenpolitische Wirksamkeit.“ Wenn China im Westen als Reaktion auf „solche Unrechtsakte“ nur Schweigen erfahre, habe das „ermunternden Einfluss“, warnte der CDU-Politiker. Dennoch plädierte er dafür, den anstehenden Gipfel nicht abzusagen. „Eine Schweigepolitik macht keinen Sinn.“ Es brauche weiterhin Kooperation mit China – aber keine „Unterwerfung“.
AfD kritisiert „Kotau vor den Kommunisten“
Jürgen Braun (AfD) verband seine Kritik an der chinesischen Regierung mit der an der Bundesregierung. „Angela Merkel macht vor den chinesischen Kommunisten einen Kotau. An der Bürgerrechtsbewegung in Hongkong zeigt sie sich demonstrativ desinteressiert“, monierte der AfD-Abgeordnete.
Selbst wenn völkerrechtliche Verträge gebrochen würden, sei die Bundesregierung offenbar nicht bereit, ihre Politik gegenüber China zu ändern. Sie stehe weiterhin zum „Dogma der Ein-China-Politik“.
Regierung betont Wert der Beziehungen zu Peking
Diesen Vorwurf wies Niels Annen (SPD), Staatsminister im Auswärtigen Amt, zurück: Außenminister Maas habe klar gemacht, dass die Autonomie in der ehemaligen britischen Kronkolonie Hongkong nicht ausgehöhlt werden dürfe, so Annen. In einer EU-Demarche hätten auch alle EU-Mitgliedstaaten „ihre Bedenken“ zum Ausdruck gebracht.
Der SPD-Politiker betonte trotz aller Differenzen aber auch die „engen und substanzreichen Beziehungen“ zwischen Deutschland und China. Gerade die Unterschiede machten diese so wertvoll. Daher dürften sie auch nicht abgebrochen werde. „Von einer neuen globalen Konfrontation wird niemand profitieren“, sagte Annen und beteuerte, im Dialog mit China werde die Bundesregierung „alles darangeben, eine gute Lösung für Hongkong zu finden“.
Linke fordert „ehrlichen und kritischen Dialog“
Ähnlich wie Annen äußerte sich auch Stefan Liebich. Gesprächsformate abzusagen lehnte der Abgeordnete der Fraktion Die Linke aber ebenso ab wie die von der FDP geforderten Sanktionen. In einer „immer regelloseren Welt“ brauche es einen „ehrlichen und kritischen Dialog“. Eine Absage des Gipfels in Leipzig, würde zudem den Menschen in Hongkong nichts nützen.
Gleichwohl unterstützte Liebich die Forderung nach einer eindeutigeren Redaktion der Bundesregierung: „Man darf doch erwarten, dass sie auf die Einhaltung völkerrechtlich bindender Verträge dringt.“ Wirtschaftliche Interessen sollten die Bundeskanzlerin und ihren Außenminister „nicht verstummen lassen“. Allerdings müsse die Bundesregierung konsequent sein. „Das gilt auch gegenüber der Türkei und Saudi-Arabien.“
Grüne: Demokratiebewegung braucht unseren Schutz
Katrin Göring-Eckardt (Bündnis 90/Die Grünen) erinnerte angesichts der Demonstrationen für Demokratie und Freiheit auf den Straßen Hongkongs an die Bürgerrechtsbewegung 1989 in der DDR: „Wir wussten damals, der Westen schaut auf uns, und das ist unser Schutz.“ Nun sei es die Demokratiebewegung in Hongkong, die „Schutz und Hinsehen“ brauche, mahnte die Fraktionsvorsitzende der Grünen. Das geplante Sicherheitsgesetz sei eine „Katastrophe“ für die Bürger Hongkongs und „Grund genug, sich einzumischen“.
Doch von der Bundesregierung komme zu wenig, kritisierte Göring-Eckardt. Man spreche zwar von China als einem „systemischen Rivalen“, aber das wirke angesichts der Politik und der „Laschheit der Äußerungen“ nur wie ein „Feigenblatt“. Es brauche statt „Autopolitik Außenpolitik“ und statt „windelweicher Erklärungen“ endlich eine europäische Antwort auf die chinesischen Eskalationen, forderte die Abgeordnete.
FDP: Ein heftiger Angriff auf die Autonomie Hongkongs
Die FDP-Fraktion wendet sich in ihrem Antrag (19/19504) gegen das chinesische Sicherheitsgesetz für Hongkong und fordert die Bundesregierung auf, sich für die Bewahrung des Status der Sonderverwaltungszone einzusetzen. Das Vorhaben Pekings sei „ein heftiger Angriff auf die Autonomie der Sonderverwaltungszone Hongkongs und somit eine Zäsur des bisher geltenden ,Ein Land, zwei Systeme'-Prinzips auf Basis der ,Chinesisch-britischen gemeinsamen Erklärung zu Hongkong' von 1984“, schreiben die Abgeordneten in ihrem Antrag.
Das Gesetz berge eine beispiellose Gefahr für die Bürger- und Menschenrechte sowie die Rechtsstaatlichkeit in Hongkong. Durch das Sicherheitsgesetz werde ohne die lokale parlamentarische Beteiligung des Legislative Council das Grundgesetz Hongkongs („Basic Law“) geändert. Das Grundgesetz gewährleiste ein hohes Maß an Autonomie für Hongkong, festige seinen Sonderstatus gemäß dem Prinzip „Ein Land, zwei Systeme“ und garantiere seinen Bürgern Freiheitsrechte, die in der Volksrepublik China weitgehend eingeschränkt würden.
Die Liberalen fordern die Bundesregierung unter anderem auf, sich für das Recht auf Versammlungsfreiheit und die Unabhängigkeit der Justiz in Hongkong einzusetzen und den chinesischen Botschafter einzubestellen, um ihm die „Empörung der Bundesregierung über das Sicherheitsgesetz zu übermitteln“. Außerdem sollen Menschenrechtsverletzungen in China im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen und auf EU-Ebene angesprochen und ihre Einhaltung auf die Tagesordnung des geplanten EU-China-Gipfels im September gesetzt werden. (sas/ste/vst/29.05.2020)