AfD kritisiert Corona-Anleihekaufprogramm der EZB
Der Bundestag hat am Donnerstag, 28. Mai 2020, einen Antrag der AfD-Fraktion mit dem Titel “Rechtskonforme Zustände herstellen – PEPP-Anleihekäufe sofort beenden„ (19/19516) nach erster Ausprache zur weiteren Beratung an den federführenden Haushaltsausschuss überwiesen. Die AfD-Fraktion sieht darin das laufende Anleihekaufprogramm der Europäischen Zentralbank (EZB) in Reaktion auf die Corona-Krise als “offensichtlich rechtswidrig, mandatsüberschreitend und unvereinbar mit den europäischen Verträgen„ an.
Kontroverse Debatte
Während die AfD ihre Position überwiegend mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu einem anderen Anleihekaufprogramm der EZB, dem “Public Sector Purchase Programme“ (PSPP), (Aktenzeichen: 2 BvR 859 / 15, EZB-Urteil vom 5. Mai 2020) begründete, warfen Redner der übrigen Fraktionen den Antragstellern vor, dieses Urteil zu instrumentalisieren. Zudem rufe die AfD zum Verfassungsbruch auf, da die Bundesbank unabhängig sei. Gegenstand der Debatte war zudem, wie der Bundestag mit dem EZB-Urteil umgehen könne.
Im Rahmen von PEPP, das die EZB am 18. März 2020 beschlossen hatte, können laut EZB temporär Anleihen öffentlicher und privater Schuldner in Höhe von 750 Milliarden Euro angekauft werden. Ziel des Programms ist nach Angaben der Zentralbank, „den Risiken für die geldpolitische Transmission und der Preisstabilität durch den außerordentlichen Rückgang wirtschaftlicher Aktivität im Euroraum infolge des Coronavirus (Covid-19) zu begegnen“.
AfD warnt vor Steuererhöhungen
Peter Boehringer (AfD) wies die von ihm erwartete Kritik am Adressaten des Antrags zurück. Die Bundesbank zu adressieren, sei zwar „ungewöhnlich“, es handle sich aber nicht um eine „explizite Weisung“. Außerdem müsse der Bundestag in Folge des Verfassungsgerichtsurteils tätig werden.
Im Rahmen von PEPP seien schon 200 Milliarden ausgegeben worden, die EZB wolle das Programm auch noch ausweiten. Es drohe ein „hoher Billionenschaden“. In der Folge würde es zu neuen deutschen Schulden und Steuererhöhungen kommen, prognostizierte Boehringer.
CDU/CSU betont Unabhängigkeit der Bundesbank
Eckhardt Rehberg (CDU/CSU) betonte, dass nach Artikel 88 des Grundgesetzes die Bundesbank unabhängig sei. „Es gibt kein Weisungsrecht von niemandem gegenüber der Bundesbank“. Mit ihrem Antrag fordere die AfD-Fraktion daher zum Verfassungsbruch auf. Politischer Einfluss auf die Geldpolitik sei schädlich, sagte Rehberg mit Verweis auf die historischen Erfahrungen in Deutschland und Italien.
Die Unabhängigkeit von EZB und Bundesbank sei eine „gute Konstruktion für Deutschland und Europa“, betonte der Christdemokrat. Rehberg verwies auf laufende Gespräche, wie der Bundestag die vom Gericht geforderte Integrationsverantwortung mit Blick auf die Anleihekaufprogramme herstellen könne.
FDP lobt Urteil aus Karlsruhe
Dr. Florian Toncar (FDP) warf der AfD-Fraktion vor, das Bundesverfassungsgericht wider besseres Wissen zum Kronzeugen ihrer Agenda zur Zerstörung der gemeinsamen Währung zu machen. Denn der Präsident des Bundesverfassungsgerichts Prof. Dr. Andreas Voßkuhle habe bei der Urteilsverkündung deutlich gemacht, dass das Urteil für PSPP gelte und eben nicht für PEPP. Zwischen diesen beiden Programmen gebe es entscheidende Unterschiede, betonte der Liberale.
Toncar lobte das Urteil des Bundesverfassungsgerichts und mahnte an, in Europa darüber nachzudenken, was mit Unabhängigkeit der Zentralbank gemeint sei.
SPD: EZB sichert Preisstabilität
Sonja Steffen (SPD) meinte, dass die EZB mit PEPP ihre Aufgabe erfülle, denn die wirtschaftlichen Verwerfungen der Corona-Krise gefährdeten die Preisstabilität. Die AfD träume hingen von alten D-Mark-Zeiten, aber auch „in den guten alten Zeiten hatten weder die Bundesregierung noch der Bundestag“ der Bundesbank irgendwas zu sagen.
Die Sozialdemokratin wies zudem die Interpretation der AfD zurück, nach der sich aus dem Urteil allgemeine Kriterien zur Bewertung von Anleihekaufprogrammen ergeben würden. Steffen mahnte an, das EZB-Urteil besonnen und möglichst deeskalierend umzusetzen.
Linke warnt vor Spaltung der Europas
Dr. Gesine Lötzsch (Die Linke) beschied der Bundesregierung, über das Urteil gar nicht so böse zu sein, werde der Schwarze Peter doch der EZB zugeschoben. Dabei lenke das Urteil vom Totalversagen in vielen Feldern der Europapolitik ab. Die Spaltung in der EU gehe vor allem auf das Konto der Bundesregierung.
Die von der Bundesregierung vorangetriebene Austeritätspolitik infolge der Krise von 2008 dürfe sich nicht wiederholen, forderte Lötzsch. Die Corona-Krise könne vielmehr als Chance für eine „gerechtere, ökologischere und friedlichere Welt“ dienen.
Grüne sehen schwierige Umsetzung des Urteils
Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen) sagte, das EZB-Urteil sei aus politischen und rechtlichen Gründen schwer umzusetzen. Die Grünen-Abgeordnete verwies auf eine Anhörung zu dem Urteil im Europaausschuss am 25. Mai 2020, in der sich viele Sachverständige sehr kritisch dazu geäußert hätten.
Der Bundestag müsse bei der Umsetzung des Urteils nun deeskalierend zwischen nationaler und europäischer Ebene wirken. Die AfD-Fraktion mache mit ihrem Antrag das Gegenteil und versuche, das Urteil in Geiselhaft zu nehmen. Das habe das Verfassungsgericht nicht verdient, sagte Paus.
Antrag der AfD
Laut AfD soll der Bundestag die Bundesbank auffordern, im Rahmen des Pandemic Emergency Purchasing Programme (PEPP) der Europäischen Zentralbank (EZB) ab sofort keine weiteren Anleihen aufzukaufen und die bereits erworbenen Titel schrittweise zu veräußern. Dem Bundestag und dessen Vertretern solle die Bundesbank auf Anfrage künftig alle relevanten Informationen zu Anleihekaufprogrammen zur Verfügung stellen.
Das Vorgehen der EZB im Zuge der Corona-Krise ist aus Sicht der AfD offensichtlich rechtswidrig, mandatsüberschreitend und unvereinbar mit den europäischen Verträgen. Die Bundesbank dürfe sich an „derartigen Gesetzesübertretungen“ nicht beteiligen, wie das Bundesverfassungsgericht in seinem EZB-Urteil vom 5. Mai 2020 klargestellt habe. (hau/28.05.2020)