Merkel zur Corona-Krise: Das gemeinsam Erreichte nicht gefährden
Die Corona-Krise und ihre Auswirkungen – sie standen auch am Mittwoch, 13. Mai 2020, im Fokus der ersten Regierungsbefragung mit Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel (CDU) in diesem Jahr. Ursprünglich hatte sich die Kanzlerin bereits in der Bundestagssitzung am 25. März den Fragen der Abgeordneten stellen wollen. Aufgrund einer verkürzten Tagesordnung war der Termin jedoch verschoben worden. Ihr Eingangsstatement zu Beginn der einstündigen Befragung nutzte Merkel nun, um die Politik der Bundesregierung zur Eindämmung der Corona-Pandemie zu erläutern.
Zuvor hatte der Bundestag ohne Aussprache gegen die Stimmen der AfD-Fraktion die Tagesordnung beschlossen, nachdem vorab zwischen den Fraktionen kein Einvernehmen darüber hergestellt werden konnte.
Kanzlerin: Gesundheitssystem wird nicht überfordert
Gemeinsames Ziel sei es von Beginn an gewesen, die Ausbreitung des Virus so gut wie möglich zu verlangsamen. „Es ist uns gelungen, in einer gemeinsamen, enormen Anstrengung unserem Ziel näherzukommen“, lobte die Bundeskanzlerin. Gelungen sei dies, weil „Bürger, Wirtschaft und Staat“ in einer schwierigen Zeit zusammengehalten hätten. Das Ergebnis sei positiv: Mit den aktuellen Zahlen der Neuinfektionen werde das Gesundheitssystem nicht überfordert, Infektionsketten könnten wieder nachverfolgt und durch Tests sowie Quarantäne durchbrochen werden, sagte Merkel.
Mit ihrem Lob verband die Kanzlerin gleichzeitig aber auch eine Mahnung: „Ich sehe die Verpflichtung, das gemeinsam Erreichte nicht zu gefährden.“ Es wäre doch „deprimierend“, wenn man wieder zu Einschränkungen zurückkehren müsse, „weil wir zu schnell zu viel wollen“, sagte Merkel an die Adresse derjenigen, die sich für noch raschere und umfangreichere Lockerungen ausgesprochen hatten. Es gehe darum, in Zukunft „mutig und wachsam“ zu sein, so die Kanzlerin. „Wenn wir konsequent bleiben und so einen Rückfall verhindern, haben wir am Ende mehr davon.“
AfD erkundigt sich nach Steuererhöhungen
Für die AfD lenkte Tino Chrupalla den Blick auf die wirtschaftlichen Auswirkungen des Corona-Lockdowns: „Ihre Politik vernichtet Existenzen“, warf der Abgeordnete Merkel vor. Über zehn Millionen Menschen arbeiteten in Kurzarbeit, die Arbeitslosenzahl steige, die Rücklagen der Sozialkassen dagegen schmölzen dahin. „Pro Woche kostet uns der Lockdown 42 Milliarden Euro. Wo ist Ihr Finanzierungskonzept für die Zeit nach der Krise“, wollte Chrupalla wissen. „Können Sie ausschließen, dass die Bürger diese Kosten später durch höhere Steuern übernehmen müssen?“
Merkel betonte in ihrer Antwort, sie sei froh, dass Corona Deutschland in einer wirtschaftlich guten Phase getroffen habe. So könnten viele „Sicherungsmaßnahmen“ ergriffen werden. Mit der Kurzarbeit etwa könne die Politik „Brücken bauen“ und müsse die Menschen nicht ins „Nichts“ entlassen. Natürlich seien die wirtschaftlichen Folgen spürbar, aber Deutschland habe „die Chance, die Krise gut zu bewältigen“. Steuererhöhungen aber seien bislang nicht geplant, so die Kanzlerin.
SPD: Bessere Arbeitsbedingungen für Saisonarbeiter
Rainer Spiering (SPD) verwies auf die Situation der „Corona-Risikogruppe“ der Saisonarbeiter. Um bei der Ernte in der Landwirtschaft arbeiten zu können, seien Zehntausende trotz Einreisebeschränkungen nach Deutschland gekommen. Die Datenlage sei aber laut Presseberichten unübersichtlich, monierte der Abgeordneten. „Enge Platzverhältnisse und mangelnde Hygiene“ hätten zudem zu einer Vielzahl von Infektionen geführt. In der Fleischindustrie gebe es ähnliche „unhaltbare Zustände“, so Spiering. „Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um diese Missstände zu beheben?“
Die Kanzlerin betonte, die Einreise und Beschäftigung von Saisonarbeitern sei unter „strengen Auflagen“ erlaubt worden. Ein Konzept dazu sei mit dem Robert-Koch-Institut abgestimmt worden. Die Nachrichten über die Situation in der Fleischindustrie seien „erschreckend“, räumte Merkel ein und kündigte an, die Bundesregierung werde „notwendige Änderungen“ in der kommenden Woche beschließen.
FDP erkundigt sich nach der Tracing-App
Manuel Höferlin (FDP) fragte nach der Fertigstellung der geplanten Corona-Tracing-App der Bundesregierung. Seit „mehr als sieben Wochen“ werde daran bereits gearbeitet, monierte der Liberale. Das Bundeskanzleramt habe zwar die Koordinierung übernommen. „Trotzdem soll die App erst im Juni fertig sein. Das ist nicht wirklich ein Vorantreiben!“
Merkel betonte, das Kanzleramt habe bei allen Projekten der Bundesregierung eine koordinierende Funktion. Dass eine solche App-Entwicklung dauere, „sei auch nichts “Neues„. Aktuell arbeite man an den Schnittstellen für die Betriebssystembetreiber. “Diese werden dieser Tage bereitgestellt„, sagte die Kanzlerin und betonte, “Gründlichkeit und Datenschutz„ müssten eben gewährleistet sein.
CDU/CSU will Hoffnung für Coesfeld
Marc Henrichmann (CDU/CSU) wollte von der Kanzlerin wissen, ob es in seinem Wahlkreis Coesfeld nach dem Corona-Ausbruch in einer Fleischfabrik möglicherweise Ausnahmen vom neuen Lockdown geben könne. Solche seien im Fall “lokal eingrenzbarer Infektionsgeschehen wie etwa in Altersheimen„ erlaubt. “Vielleicht könnte das den Menschen in Coesfeld Hoffnung geben, dass sie nicht allzu lange unter den neuen Beschränkungen leiden müssen„, so der Abgeordnete.
Die Kanzlerin gab zu bedenken, dass im Fall des Coesfelder Unternehmens nicht nur der Betrieb betroffen sei, sondern auch die Unterbringungen der Arbeitskräfte. “Damit ist das Infektionsrisiko größer gestreut.„ Die Aussetzung der Lockerungsmaßnahmen begrüße sie deshalb, sagte Merkel.
Linke: Krisenmonitoring für Pflegebereich
Harald Weinberg (Die Linke) erkundigte sich, ob die Bundeskanzlerin eine Forderung von Pflegekräften in Krankenhäusern nach einer Einführung eines “unabhängigen Krisenmonitorings„ unterstütze, um Verstößen im Arbeitsschutzrecht nachzuverfolgen. Vertreten sein in einem solchen Gremium sollten Gewerkschaften ebenso wie Arbeitgeberverbände. “Was würden Sie davon halten?„, fragte Weinberg.
Merkel zeigte sich in ihrer Antwort grundsätzlich aufgeschlossen: “Wenn wir die Pandemie überwunden haben, werden wir über alle Erfahrungen und Anregungen dankbar zu sein.„ Schließlich gehe es auch der Bundesregierung darum, nun sichtbar gewordene Schwachstellen im Gesundheitssystem zu beheben.
Grüne fragen nach Hacker-Angriff auf Bundestag
Tabea Rösner (Bündnis 90/Die Grünen) erkundigte sich vor dem Hintergrund des Hacker-Angriffs eines mutmaßlich russischen Cyberspions auf den Bundestag 2015 nach den Konsequenzen für die Zusammenarbeit mit Russland. Auch wollte die Abgeordnete wissen, welche Daten konkret aus Merkels eigenem Abgeordnetenbüro erbeutet wurden. “Können Sie sagen, welche Daten abgegriffen wurden und zu welchem Zweck?„
Die Kanzlerin antwortete, es sei offenbar “relativ wahllos„ nach Daten gefischt worden. Sie nehme den Angriff aber nichtsdestotrotz sehr ernst und sei froh, dass die Bundesanwaltschaft nun eine konkrete Person auf die Fahndungsliste gesetzt habe. Für sie selbst, die sich “tagtäglich für ein besseres Verhältnis zu Russland„ einsetze, sei diese Angelegenheit aber “sehr unangenehm„. (sas/13.05.2020)