Linke und Grüne wollen Kinderrechte in der Pandemie schützen
Nach Ansicht der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen wird den Rechten von Kindern und Jugendlichen in der Corona-Pandemie zu wenig Beachtung geschenkt. Beide Fraktionen haben deshalb Anträge eingebracht (19/19145, 19/19146), um ihren Belangen und Bedürfnissen wieder mehr Geltung zu verschaffen. Anschließend an die Debatte am Donnerstag, 14. Mai 2020, wurden die Vorlagen zur weiteren Beratung in den federführenden Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend überwiesen.
Grüne: Belange der Kinder ist Chefinnensache
Katja Dörner (Bündnis 90/ Die Grüne) und Norbert Müller (Die Linke) wiesen darauf hin, dass Kinder und Jugendliche durch die Schließung von Kitas, Schulen, Freizeit- und Sportstätten sowie Jugendeinrichtungen besonders stark von den Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung betroffen seien.
In dieser Situation bräuchten sie die Unterstützung von Seiten der Politik, mahnte Dörner und kritisierte zugleich, dass die Belange der Kinder noch immer nicht zur „Chefinnensache“ gemacht worden seien – weder bei Bundeskanzlern Dr. Angela Merkel (CDU) noch bei Familienministerin Dr. Franziska Giffey (SPD).
Linke moniert „Politik der Ignoranz“
Stattdessen habe die Kanzlerin die „Autobosse“ zum Krisengipfel geladen. Norbert Müller monierte, den Kindern und Jugendlichen gegenüber werde eine „Politik der Ignoranz“ betrieben.
Obwohl es keine wissenschaftlichen Belege dafür gebe, dass Kinder besonders gefährdet seien oder besonders stark zur Verbreitung des Corona-Virus beitragen würden, habe sich an dieser Politik nichts geändert.
FDP: Recht auf Schutz, Spiel und Freizeit
Auch Matthias Seestern-Pauly (FDP) monierte, dass den Rechten von Kindern und Jugendlichen nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt werde. Seine Fraktion habe bereits in der vergangenen Woche eine zügige Öffnung von Kitas und Schulen gefordert.
Es gehe aber nicht nur um das Recht auf Bildung, sondern auch um das Recht auf Schutz, Spiel und Freizeit. Die Maßnahmen gegen Corona müssten regelmäßig auf ihre Verhältnismäßigkeit überprüft werden, forderte der Abgeordnete. Zudem verlangte Seestern-Pauly eine unbürokratische Corona-Elternzeit mit Kündigungsschutz.
CDU/CSU: Kinder müssen Corona aufarbeiten können
Nadine Schön (CDU/CSU) und Susann Rüthrich (SPD) räumten für die Koalitionsfraktionen ein, dass Kinder und Jugendliche in den vergangenen zwei Monaten zu wenig im Licht der Öffentlichkeit gestanden hätten. Schön wies allerdings darauf hin, dass beispielsweise die Hilfstelefone für Kinder, die von Gewalt oder Missbrauch betroffen sind, auch während des Lockdowns weiterhin betrieben worden seien.
Die Unionsabgeordnete forderte, dass es nach der Wiedereröffnung der Schulen nicht allein um das Nachholen von Schulstoff gehen dürfe. In den Kitas und Schulen müsse den Kindern die Möglichkeit gegeben werden, über ihre Erfahrungen während der Corona-Krise zu sprechen und diese aufzuarbeiten.
SPD: Missverhältnis bei der Flüchtlingsaufnahme
Susann Rüthrich kritisierte, dass während der Krise zwar die Einreise von Erntehelfern aus anderen Ländern genehmigt wurde, anderseits Deutschland aber keine Flüchtlingskinder von den griechischen Inseln aufnehmen wollte. Dies stehe in einem Missverhältnis.
Rüthrich sagte den Grünen und der Linken zu, dass man sich über das Ziel, den Rechten der Kinder mehr Geltung zu verschaffen, einig sei. Auf die konkreten Forderungen der beiden Oppositionsfraktionen ging sie nicht ein.
AfD macht Grüne verantwortlich für Kinderarmut
Heftige Kritik übte für die AfD-Fraktion Martin Reichardt an den Grünen. Sie hätten überhaupt nicht das Recht, über die Rechte von Kindern zu sprechen. Die Grünen seien in zehn Bundesländern an der Regierung beteiligt und stellten in Baden-Württemberg gar den Ministerpräsidenten. Nun würden sie jene Politik beklagen, die sie selbst zu verantworten hätten.
Zudem hätten die Grünen gemeinsam mit der SPD Hartz IV eingeführt und seien deshalb verantwortlich für die zunehmende Kinderarmut in Deutschland, sagte Reichardt. Erst in dieser Woche hätten die Grünen im Familienausschuss den Antrag der Linken unterstützt, während der Corona-Krise die Beratungspflicht bei Schwangerschaftsabbrüchen auszusetzen. Dies sei Ausdruck der „menschenfeindlichen Politik“ der Grünen gegenüber Kindern und Familien.
Antrag der Linken
Die Linke (19/19145) fordert die Bundesregierung unter anderem auf, zu einem Kindergipfel ins Bundeskanzleramt einzuladen mit dem Ziel, die Achtung der Kinderrechte gemäß UN-Kinderrechtskonvention sowie den gesetzlichen Auftrag des Kinder- und Jugendhilfegesetzes auch unter Pandemiebedingungen zu erfüllen und Kindern und Jugendlichen gesellschaftliche Teilhabe unter Pandemiebedingungen zu ermöglichen.
Auch solle die Regierung finanzielle Hilfen für die Herausforderungen und Folgen der Coronakrise vor allem in der Kinder- und Jugendhilfe bereitstellen, um während der Zeit der Pandemie alle Einrichtungen öffnen und alle Angebote ausstatten zu können.
Antrag der Grünen
Die Grünen fordern die Bundesregierung in ihrem Antrag (19/19146) unter anderem auf, den Schutz und die besondere Perspektive von Kindern in den bundesweiten Pandemieplan aufzunehmen und damit die Bedürfnisse der Kinder von Anfang an zu berücksichtigen. Auch sollen der Wegfall verschiedener Leistungen nach dem Bildungs- und Teilhabepaket sowie steigende Kosten etwa für Lebensmittel ausgeglichen werden, indem ein monatlicher Zuschlag für anspruchsberechtigte Kinder und Jugendliche in Höhe von 60 Euro automatisch ausgezahlt wird.
Darüber hinaus tritt die Fraktion für ein „Gerechtigkeitspaket für faire Bildungschancen“ ein, um Kindern aus finanziell benachteiligten Familien von zusätzlicher Lernförderung über (Schul-)Sozialarbeit bis hin zu Freizeit- und Ferienangeboten umfassende Teilhabe und Unterstützung anzubieten. Ebenso verlangen die Grünen, dass kein Kind von digitalem Lernen und digitalen Anwendungen ausgeschlossen wird und ungleiche Startchancen ausgeglichen werden. (aw/14.05.2020)