Frühes Fahrverbot im neuen Bussgeldkatalog könnte kippen
Der Bundestag hat sich am Freitag, 15. Mai 2020, erstmalig mit einem Antrag der AfD-Fraktion mit dem Titel „Autofahrer unterstützen – Neuen Bußgeldkatalog sofort außer Kraft setzen – Rückkehr zu alter Bußgeldkatalog-Verordnung“ (19/19157) befasst. Ebenso beraten wurde ein Antrag der FDP-Fraktion zum Thema „Die Straßenverkehrsordnung reformieren – Verhältnismäßigkeit statt sofortige Fahrverbote“ (19/19128). Im Anschluss an die Debatte wurden die Vorlagen zur weiteren Beratung in den federführenden Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur überwiesen.
Während der Debatte wurde deutlich, dass neben der AfD- und der FDP-Fraktion auch die Unionsfraktion Änderungsbedarf bei der erst seit 28. April geltenden neuen Bußgeldkatalog-Verordnung sieht.
CDU/CSU: Kritisierte Verschärfungen zurücknehmen
Die „zu Recht“ kritisierten Verschärfungen des Bußgeldkataloges – einen Monat Fahrverbot bei Geschwindigkeitsüberschreitungen von 21 km/h innerorts und 26 km/h außerorts – müssten zurückgenommen und die Verhältnismäßigkeit wieder hergestellt werden, forderte Björn Simon (CDU/CSU). Sie stammten jedoch nicht aus der Feder des Bundesverkehrsministers Andreas Scheuer (CSU), machte er deutlich, sondern seien vom Bundesrat einstimmig beschlossen worden. Dort müssten sie auch rückgängig gemacht werden, weshalb Scheuer laut Medienberichten mit den Ländern auch schon Kontakt aufgenommen habe, sagte Simon.
Der Unionsabgeordnete kritisierte das Verhalten der FDP, die im Bundesrat prominent vertreten sei und in zwei Ländern den Verkehrsminister stelle, der Verschärfung aber dennoch zugestimmt habe. Simon verteidigte das Vorgehen des Verkehrsministers, der die Novelle dennoch in Kraft gesetzt habe. Bei Ablehnung des Pakets hätte man noch länger auf die Errungenschaften im Bereich der Verkehrssicherheit warten müssen, die es in der Verordnung gebe.
FDP: Die Führerscheinfalle muss weg
Oliver Luksic (FDP) nannte die Bußgeld-Novelle „in weiten Teilen gut“. So etwa bei den Themen Rettungsgasse, Fahrradzonen oder rechts abbiegende Lkw. Bei einmaligem „zu schnellen Fahren“ dürfe es jedoch nicht sofort zu Fahrverboten kommen. Er begrüße es, so Luksic weiter, dass Minister Scheuer diese Anregung aufgegriffen habe. Schließlich könnten „Millionen von Menschen“ in ihrer beruflichen Existenz betroffen seien. Es sei auch nicht gerecht, wenn ein 50-Jähriger, „der ein einziges Mal zu schnell gefahren ist“, ebenso wie ein 18-Jähriger behandelt wird.
„Die Führerscheinfalle muss weg“, forderte der FDP-Abgeordnete. Dieser Fehler, den auch die FDP mitbeschlossen habe, müsse korrigiert werden. Das Gleiche gelte auch für die Strafen beim Halten in zweiter Reihe und bei der Nutzung von Gehwegen durch Radfahrer.
AfD: Lebensfremd und nicht verhältnismäßig
Wolfgang Wiehle (AfD) verwies darauf, dass immer mehr Städte und Gemeinden auf breiten Hauptstraßen temporäre Tempo-30-Zonen einrichten würden – „je nach Wochentag und Uhrzeit“. In so einer Tempofalle sei eine Überschreitung von 20 km/h schnell passiert, sagte er. Ein darauf folgendes Fahrverbot bedeute für kleine Handwerker, Taxifahrer oder Außendienstmitarbeiter den Jobverlust, gab er zu bedenken. „Der Bußgeldkatalog ist lebensfremd und ganz bestimmt nicht verhältnismäßig“, sagte er, räumte aber zugleich ein, dass nicht alles darin falsch sei.
Wer etwa Rettungsgassen auf Autobahnen nicht bildet oder sie missbraucht, gehöre hart bestraft, befand Wiehle. Ebenso gelte das für Lkw, die beim Abbiegen Fußgänger gefährden. „Der Rest des Katalogs muss aber revidiert werden“, machte er deutlich. Der Bundestag sollte ein dahingehend klares Signal an den Bundesrat senden, befand der AfD-Abgeordnete.
SPD: Verschärfung längst überfällig
Bela Bach (SPD) erkannte hingegen keinen Bedarf für Veränderungen. Angesichts der hohen Zahl an Verkehrstoten und der Häufigkeit von Unfällen aufgrund unangepasster Geschwindigkeit sei die Verschärfung „längst überfällig“, sagte sie. Mit der Erhöhung der Bußgelder werde ganz bewusst die generalpräventive Abschreckung verfolgt. „Es geht darum, die Fälle der Geschwindigkeitsüberschreitung so gering wie möglich zu halten“, sagte Bach.
Ihrer Auffassung nach kann auch von einem „Abkassieren“ keine Rede sein. Es sei schließlich keiner gezwungen, zu schnell zu fahren. Blicke man auf die Strafen in der Schweiz oder in Österreich, könne man gar den Eindruck bekommen, die Bußgelder seien in Deutschland noch viel zu niedrig. Es sei wichtig, mit der gesetzlichen Norm auch gesellschaftliche Normen zu verändern und für einen Bewusstseinswandel zu sorgen, sagte die SPD-Abgeordnete.
Linke: Ein Fahrverbot ist zumutbar
Sabine Leidig (Die Linke) begrüßte es, dass die Bundesregierung die Bußgelder angehoben und einen zeitweisen Führerscheinentzug für Raser eingeführt habe. Gerecht sei das zwar immer noch nicht, bemängelte sie. AfD und FDP gehe aber selbst das schon zu weit. Sie stünden „auf die Seite der Rücksichtslosen“. Weil Rasen Todesopfer fordere, sei ein Fahrverbot zumutbar, sagte Leidig. Wer „aus Versehen“ mit 70 km/h durch das Wohngebietet fahre, „hat zu viel PS unter dem Hintern und ist mit Sicherheit kein armes Würstchen“.
Die Linken-Abgeordnete forderte dazu auf, die Nutzung der Straße neu zu denken. Nötig seien Tempo 30 innerorts und die unbürokratische Umwandlung von Parkflächen zu Gehwegen und Spielplätzen, sagte sie.
Grüne: Ganz einfach an die Regeln halten
Menschen, die ihre Mitmenschen auf den Straßen durch „rücksichtsloses, widerrechtliches und unachtsames Fahren oder Parken“ gefährden, müssten spüren, „dass das so nicht geht“, sagte Daniela Wagner (Bündnis 90/Die Grünen). Sie wolle keineswegs, dass jemand seinen Führerschein verliert.
„Wer verhindern will, dass ihm das Recht auf das Führen eines Fahrzeugs entzogen wird, kann sich ganz einfach an die Regeln halten“, sagte sie. Im Übrigen habe sich in der Vergangenheit gezeigt, dass notorische Raser und Drängler sich von Bußgeldern nicht beeindrucken ließen.
Antrag der AfD
Die AfD will die am 28. April 2020 in Kraft getretenen Änderungen im Bußgeldkatalog außer Kraft setzen mit Ausnahme der Teile, die sich auf das innerörtliche Rechtsabbiegen von Lkw mit einem zulässigen Gesamtgewicht über 3,5 Tonnen an Stellen beziehen, an denen mit Rad- und Fußgängerverkehr gerechnet werden muss (19/19157). Von der Außerkraftsetzung will sie auch das neue Bußgeld für die unerlaubte Nutzung einer Rettungsgasse ausnehmen.
Die Fraktion fordert das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur auf, den vorherigen Bußgeldkatalog mit Ausnahme dieser beiden Änderungen wieder in Kraft zu setzen.
Antrag der FDP
Die FDP fordert in ihrem Antrag (19/19128), die in Kraft getretenen Verschärfungen bezüglich der Einführung von Fahrverboten bei Geschwindigkeitsüberschreitungen von 21 km/h innerorts und 26 km/h außerorts zurückzunehmen. Die ebenfalls in Kraft getretenen Bußgelderhöhungen für Vergehen ohne Behinderung, Gefährdung oder Schadensfälle sollten nach dem Willen der Fraktion auf ihre Verhältnismäßigkeit geprüft und zurückgenommen oder verringert werden.
Alle Änderungen aufgrund der Novelle der Straßenverkehrsordnung will die FDP auf Verhältnismäßigkeit prüfen und gegebenenfalls angepasst werden. (hau/sas/15.05.2020)