Gemischtes Echo auf Karlsruher Urteil zu EZB-Anleihekäufen
Mit einem gemischten Echo haben die Bundestagsfraktionen in einer auf Antrag der AfD anberaumten Aktuellen Stunde am Donnerstag, 7. Mai 2020, auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Anleihekäufen der Europäischen Zentralbank (EZB) reagiert. Selbst innerhalb der Koalitionsfraktionen gingen die Einschätzungen zum Teil weit auseinander.
AfD: Bewusste Mandatsüberschreitung der EZB
Peter Boehringer (AfD) begrüßte den Richterspruch als überfällig und sprach von einem „Rechtsbruch“ und einer „bewussten Mandatsüberschreitung“ der EZB mit schwerwiegenden Folgen für die Immobilienmärkte und Sparer. Zugleich warnte er mit Blick auf das von der EZB angekündigte Notkaufprogramm für Anleihen in Höhe von 750 Milliarden Euro im Kampf gegen die wirtschaftlichen Folgen der Coronavirus-Pandemie vor Schäden in Billionenhöhe.
Die Bundesregierung müsse das Programm verhindern, da es zahlreiche der jetzt vom Bundesverfassungsgericht geforderten Kriterien wie eine Begrenzung der Anleihekäufe und qualitative Mindeststandards für die gekauften Anleihen nicht erfülle.
CDU/CSU: Unterstützen Umsetzung des Urteils
Demgegenüber verwies Andreas Jung (CDU/CSU) darauf, dass allein das seit dem Jahr 2015 laufende Anleihekaufprogramm PSPP Gegenstand des Gerichtsurteils gewesen sei, daraus also keine weiteren Schlüsse für aktuelle Maßnahmen der EZB gezogen werden könnten.
Zugleich sicherte er zu, dass seine Fraktion die Umsetzung des Urteils unterstütze und auf die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Verhältnismäßigkeitsprüfung durch die EZB hinwirken wolle. Er gehe aber davon aus, dass eine Abwägung zwischen währungs- und wirtschaftspolitischen Zielen seitens der Notenbank bereits erfolgt sei.
CDU/CSU: Europafreundliches Urteil
Sein Fraktionskollege Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/(CSU) begrüßte das Urteil ausdrücklich. Es stellte klar, dass die Unabhängigkeit der EZB nicht bedeute, dass sie über dem Recht stehe und „nach Belieben schalten und walten kann“. Es sei nicht Aufgabe der Notenbank, Wirtschaftspolitik oder gar Staatsfinanzierung zu betreiben.
Insofern sei das Urteil zutiefst europafreundlich, weil es die europäischen Institutionen an die Beachtung ihrer Zuständigkeiten erinnere und damit zur Versachlichung der Diskussionen innerhalb Europas beitrage. Michelbachs Parteikollege, der ehemalige Vize-Vorsitzende der CSU Peter Gauweiler, war einer der Beschwerdeführer im EZB-Verfahren.
SPD: Mandat der EZB respektieren
Carsten Schneider (SPD) betonte indes wie andere Redner seiner Fraktion: „Wir tun gut daran, das Mandat der EZB zu akzeptieren und zu respektieren.“ Die Entschlossenheit von Ex-EZB-Chef Mario Draghi habe die Finanzmärkte beeindruckt und dazu geführt, dass Deutschland „keinen einzigen Cent verloren“ habe. Das Bundesverfassungsgerichtsurteil habe außerdem klargestellt, dass die Notenbank keine verbotene monetäre Staatsfinanzierung praktiziere.
„Ich bin mir sicher, dass EZB und Bundesbank über all die geforderten Daten und Analysen verfügen und diese transparent machen werden“, sagte Schneider. Der Bundestag müsse darüber hinaus respektieren, dass für die Kontrolle der EZB formal das Europäische Parlament zuständig ist.
Grüne: Krisenbewältigung nicht an die EZB auslagern
Auch Dr. Franziska Brantner (Bündnis 90/Die Grünen) betonte, die EZB habe eine Rechenschaftspflicht nur gegenüber dem Europäischen Parlament. Die Unabhängigkeit sowohl der EZB als auch der Bundesbank gelte es zu wahren. Nicht zuletzt gefährde das Bundesverfassungsgericht mit seinem Urteil die Akzeptanz des Europäischen Gerichtshofs, der die Anleihekäufe 2018 für rechtmäßig erklärt hatte.
Brantner nannte darüber hinaus „brandgefährlich“, die Krisenbewältigung in der Europäischen Union weiter an die EZB auszulagern. In der Corona-Krise müssten die EU-Mitgliedstaaten gemeinsam handeln, indem sie einmalig gemeinsame Anleihen für einen Wiederaufbaufonds von über einer Billion Euro aufnehmen, mahnte sie.
FDP: Politischer Spaltpilz für Europa
Für die FDP stellte Christian Dürr klar, unklare Haftungsfragen seien „ein politischer Spaltpilz für Europa“. Seine Fraktion lehnt daher die Aufnahme gemeinsamer Schulden ab, genau wie die Union und die AfD.
Dürr forderte die Bundesregierung auf, das Mandat der EZB zu präzisieren, wie es das Bundesverfassungsgericht gefordert hatte. Außerdem solle der Bundestag einen dauerhaften Unterausschuss einsetzen, um die EZB besser überwachen zu können.
Linke: EZB Finanzierung von Investitionen ermöglichen
Fabio de Masi (Die Linke) wiederholte die Kritik seiner Fraktion an der Geldpolitik der EZB, die vor allem auf die Finanzmärkte gezielt habe, statt die Realwirtschaft, Wachstum und Beschäftigung zu stützen. Es sei erforderlich, der Notenbank die direkte Finanzierung öffentlicher Investitionen zu ermöglichen.
Solle die EZB keine monetäre Staatsfinanzierung machen, dürfe sich die Bundesregierung nicht weiter einer verantwortungsvollen Fiskalpolitik verweigern, die Massenarbeitslosigkeit in Südeuropa verhindere. (joh/07.05.2020)