Änderungen im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht angenommen
Der Bundestag hat am Mittwoch, 25. März 2020, einstimmig einen Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zur Abmilderung der Folgen der Covid-19- Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht (19/18110) angenommen. Zwei Abgeordnete der AfD-Fraktion enthielten sich. Der Abstimmung lagen eine Beschlussempfehlung (19/18129) und ein Bericht (19/18158) des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz zugrunde. Der Haushaltsausschuss hatte dazu einen Bericht nach Paragraf 96 der Geschäftsordnung des Bundestages zur Finanzierbarkeit vorgelegt (19/18162).
Ministerin: Gesetz schafft einen gerechten Ausgleich
In der Debatte erklärte Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD), die Pandemie stelle alle vor große Herausforderungen und es gebe keine Blaupause für den Umgang damit. Jetzt würden die notwendigen Entscheidungen getroffen und Hilfen veranlasst. Lambrecht ging auf die mit dem Paket geplanten Maßnahmen im Bereich des Rechts ein und betonte besonders die Hilfen für Mieter. Das Mietrecht sei ein Kernpunkt des Gesetzentwurfs, sagte Lambrecht. Viele Menschen hätten aufgrund von Einnahmeausfällen jetzt Angst, die Miete nicht bezahlen zu können und auf der Straße zu landen.
Diese Sorge werde den Mietern und auch den Kleingewerbetreibenden für drei Monate genommen. Aber auch die Sorgen von Vermietern würden berücksichtigt, indem Darlehenszahlungen ausgesetzt werden könnten. Mit dem Gesetz werde ein gerechter Ausgleich geschaffen, sagte Lambrecht. Wichtig sei auch das Moratorium für Dauerschuldverhältnisse: Strom, Wasser und Gas könnten nicht einfach abgeschaltet werden.
CDU/CSU: Bislang größte Herausforderung
Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU) erklärte, die Covid-9-Pandemie sei die bislang größte Herausforderung für die Bundesrepublik. Es könne nicht alles abgefedert werden, aber es werde mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln gegengesteuert. Dazu müsse auch die Rechtspolitik ihren Beitrag leisten. Niemand solle Angst um seine wirtschaftliche Existenz haben müssen, sagte Luczak.
Bei den damit verbundenen Maßnahmen handele es sich um massive Eingriffe, diese würden aber auf das zwingend notwendige Maß reduziert und seien bis zum 30. Juni befristet. Der Wirtschaftskreislauf solle am Laufen gehalten werden, private Dauerschuldverträge würden geschützt, und kein Mensch dürfe das Dach über dem Kopf verlieren. Besondere Zeiten erforderten besondere Lösungen, sagte Luczak. Den Menschen müsse Hoffnung und Zuversicht gegeben werden.
SPD: Wir nehmen uns das noch mal vor
Für die SPD dankte Dr. Eva Högl der Opposition für ihre konstruktive Zusammenarbeit in dem stark beschleunigten Gesetzgebungsprozess, den allen Beteiligten mit größtem Einsatz bewältigt hätten. Der Entwurf beinhalte gravierende Änderungen, diese bezögen sich aber nur auf das wirklich Nötige.
Auch für Högl sind die Änderungen im Mietrecht ein ganz wesentlicher Teil des Entwurfs. Dabei hätten noch nicht alle Hinweise berücksichtigt werden können. „Wir nehmen uns das noch mal vor“, sagte sie unter Hinweis auf mögliche Nachbesserungen. Der Gesetzentwurf zeige die Stärke des Rechtsstaates, der durch die Corona-Krise noch stärker werde.
AfD: Vermieter dürfen nicht benachteiligt werden
Jens Maier (AfD) erklärte, seine Fraktion werde als „verantwortungsvolle Opposition“ die Regierungsarnbeit in der aktuelle Notsituation begleiten. Opposition um der Opposition willen verbiete sich hier.
Maier verwies auf eine Reihe von Anträgen seiner Fraktion. So dürften Vermieter nicht benachteiligt werden.
FDP: Der Rechtsstaat muss erkennbar bleiben
Stephan Thomae (FDP) betonte, dass in Krisen wie dieser der Rechtsstaat erkennbar bleiben müsse. Der Gesetzentwurf sei überwiegend sachgerecht und angemessen, teilweise stehe seine Fraktion der Vorlage jedoch kritisch und ablehnend gegenüber. Verlustängsten müsse entgegengewirkt werden, und Verbraucher und Mieter brauchten Schutz, sagte Thomae.
Mit den Maßnahmen würden die Probleme aber nur weitergereicht. Kleinstunternehmer, Handwerker und Kleinvermieter würden dadurch verunsichert. Aus staatlicher Verantwortung werde die FDP dem Entwurf aber zustimmen, denn die Krise könne nur gemeinsam bewältigt werden.
Linke begrüßt den Schutz für Mieter
Friedrich Straetmanns (Die Linke) bezeichnete den Gesetzentwurf im Ganzen als zustimmungsfähig und versprach eine kritische Begleitung bei der Umsetzung. Seine Fraktion begrüße vor allem den Schutz für Mieter, fordere aber weitergehende Regelungen. Auch außerhalb von Krisenzeiten dürfe niemand seine Wohnung verlieren.
Wohnungen seien für Menschen da und nicht zur Vermehrung von Kapital, betonte Straetmanns. Nachbesserungen seien auch bei den Maßnahmen im Insolvenzrecht nötig. Es müsse verhindert werden, dass Unternehmen gezielt in die Insolvenz geführt werden.
Grüne: Gefahr des Missbrauchs bei neuen Regelungen
Auch Dr. Manuela Rottmann (Bündnis 90/Die Grünen) ging auf die Erleichterungen im Insolvenzrecht ein. Den in der Krise Verantwortung zeigenden Unternehmen würde damit geholfen. Sie sehe jedoch auch Risiken. Es bestehe die Gefahr, dass die neuen Regelungen missbraucht werden. Deshalb müssten staatliche Hilfen mit klaren, vollstreckbaren Auflagen versehen werden.
Es müsse verhindert werden, dass die Erleichterungen benutzt werden, um die Renditen von kurzfristigen Investoren zu verbessern. Der Kündigungsschutz für Mieter sei für die Grünen mittragbar, sagte Rottmann. Das Leistungsverweigerungsrecht für wesentliche Dauerschuldverhältnisse greife jedoch tief in die bewährte Risikoverteilung des allgemeinen Schuldrechts ein, und auch dies berge Risiken.
Drei Änderungsanträge der AfD abgelehnt
Abgelehnt wurden drei Änderungsanträge der AfD-Fraktion zum Koalitionsentwurf, die in zweiter Beratung abgestimmt wurden. Die AfD forderte, dass der Gesetzgeber eine Entscheidung treffen muss, wenn zum Ende der vorgesehenen Geltungsdauer der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht zum 30. September 2020 eine Verlängerung erforderlich sein sollte (19/18134).
Auch müsse ein sinnvolles Gesamtpaket die kleinen und mittleren Unternehmen in die „Regelungen zum Darlehensrecht“ einbeziehen (19/18135). Mieter sollten den Zusammenhang zwischen Corona-Pandemie und ihrer Nichtzahlung der Miete bereits dann glaubhaft machen müssen, wenn sie mit der Pflicht zur Mietzahlung in Verzug kommen (19/18136). Alle übrigen Fraktionen stimmten jeweils gegen die AfD-Initiativen.
Drei Änderungsanträge der Linken abgelehnt
Ebenfalls abgelehnt wurden drei Änderungsanträge der Fraktion Die Linke, die unter anderem forderte, vorübergehend jede Kündigung von Mieterinnen und Mietern in Wohnraum und Gewerbe auszuschließen, damit niemand sein Zuhause verliert, also nicht nur bei Mietschulden (19/18137). Um Krisenkosten nicht allein auf Mieterinnen und Mieter abzuwälzen, sollten die Mietschulden nach Rückzahlung der Hälfte des aufgelaufenen Betrags als getilgt gelten (19/18138).
Schließlich sollten nach Ansicht der Linken auch Zwangsräumungen für die Zeit der Pandemie ausgeschlossen werden (19/18139). Die Linke stimmte jeweils für ihre Änderungsanträge, die Grünen enthielten sich, die übrigen Fraktionen lehnten sie ab.
Drei Entschließungsanträge abgelehnt
Abgelehnt wurde ein Entschließungsantrag der Linken (19/18142), in dem unter anderem ein vorübergehendes Verbot von Zwangsräumungen sowie von Strom-, Gas-, Fernwärme-, Telefon- und Wassersperren gefordert wurde. Ebenfalls abgelehnt wurde ein Entschließungsantrag der AfD-Fraktion (19/18140), der kurzfristige Liquiditätshilfen für jene Vermieter vorsieht, die darauf für ihren grundlegenden Lebensunterhalt oder die grundlegende Aufrechterhaltung ihres Gewerbes dringend angewiesen sind.
Die Abgeordneten wiesen zudem einen Entschließungsantrag der FDP (19/18141) mit der Forderung zurück, dass unverzüglich ein Gesetzentwurf zur Einführung eines befristeten Sonder-Wohngelds erarbeitet werden soll, wonach wirtschaftlich von der Covid-19-Krise Betroffene schnell eine Unterstützung für ihre Mietzahlungen erhalten sollen.
Gesetzentwurf von CDU/CSU und SPD angenommen
Das Gesetzespaket sieht befristete Änderungen und Ergänzungen im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vor. Die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus habe in Deutschland zu ganz erheblichen Einschränkungen in allen Bereichen des Privat- und des Wirtschaftslebens geführt, die noch vor wenigen Wochen undenkbar erschienen, heißt es in der Vorlage. Das Paket umfasst ein Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zur Begrenzung der Organhaftung bei einer durch die Covid-19-Pandemie bedingten Insolvenz, ein Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der Covid-19-Pandemie sowie Änderungen des Einführungsgesetzes zur Strafprozessordnung und eine Änderung des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch.
Zu den Auswirkungen der Pandemie heißt es in dem Entwurf unter anderem, die zur Eindämmung des massiven Anstiegs der Infektionen beschlossenen Maßnahmen und deren Folgen würden zu erheblichen Einkommensverlusten bei den Betroffenen führen. Verfügten diese nicht über ausreichende finanzielle Rücklagen, würden sie bis zur Aufhebung der Maßnahmen nicht oder nur eingeschränkt in der Lage sein, ihre laufenden Verbindlichkeiten zu begleichen. Die Pandemie entfalte auch negative wirtschaftliche Auswirkungen auf viele Unternehmen, die Insolvenzen nach sich ziehen können.
Änderungen im Zivilrecht
Im Bereich des Zivilrechts sollen im Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch zeitlich befristet bis zum 30.Juni 2020 in Artikel 240 besondere Regelungen eingeführt werden, die Schuldnern, die wegen der Covid-19-Pandemie ihre vertraglichen Pflichten nicht erfüllen können, die Möglichkeit einräumen, die Leistung einstweilen zu verweigern oder einzustellen, ohne dass dies für sie nachteilige rechtliche Folgen hat. Für Verbraucher und Kleinstunternehmen soll so gewährleistet werden, dass sie insbesondere von Leistungen der Grundversorgung wie Strom, Gas und Telekommunikation nicht abgeschnitten werden.
Für Mietverhältnisse über Grundstücke oder über Räume soll das Recht der Vermieter zur Kündigung von Mietverhältnissen eingeschränkt werden. Im Hinblick auf Verbraucherdarlehensverträge soll eine gesetzliche Stundungsregelung und eine Vertragsanpassung nach Ablauf der Stundungsfrist eingeführt werden, mit der Möglichkeit für die Vertragsparteien, eine abweichende Vertragslösung zu finden. Dies soll von einem gesetzlichen Kündigungsschutz flankiert werden. Sollte der Zeitraum bis Juni 2020 nicht ausreichen, soll der Bundesregierung die Möglichkeit eingeräumt werden, die vorgesehenen Befristungen im Wege einer Verordnung zu verlängern.
Änderungen im Insolvenzrecht
Im Bereich des Insolvenzrechts sollen die Insolvenzantragspflicht und die Zahlungsverbote bis zum 30. September 2020 ausgesetzt werden, es sei denn die Insolvenz beruht nicht auf den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie oder es besteht keine Aussicht auf die Beseitigung einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit. Zudem sollen Anreize geschaffen werden, den betroffenen Unternehmen neue Liquidität zuzuführen und die Geschäftsbeziehungen zu diesen aufrecht zu erhalten. Für einen dreimonatigen Übergangszeitraum wird auch das Recht der Gläubiger suspendiert, die Eröffnung von Insolvenzverfahren zu beantragen. Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht sowie die Regelung zum Eröffnungsgrund bei Gläubigerinsolvenzanträgen soll im Verordnungswege bis zum 31. März 2021 verlängert werden können.
Um die betroffenen Unternehmen verschiedener Rechtsformen in die Lage zu versetzen, auch bei weiterhin bestehenden Beschränkungen der Versammlungsmöglichkeiten erforderliche Beschlüsse zu fassen und handlungsfähig zu bleiben, werden vorübergehend substanzielle Erleichterungen für die Durchführung von Hauptversammlungen, Gesellschafterversammlungen, General- und Vertreterversammlungen der Genossenschaften sowie von Mitgliederversammlungen von Vereinen geschaffen.
Änderungen im Strafverfahrensrecht
In das Einführungsgesetz zur Strafprozessordnung wird ein auf ein Jahr befristeter zusätzlicher Hemmungstatbestand für die Unterbrechungsfrist einer strafgerichtlichen Hauptverhandlung eingefügt.
Er soll es den Gerichten erlauben, die Hauptverhandlung für maximal drei Monate und zehn Tage zu unterbrechen, wenn diese aufgrund von Maßnahmen zur Vermeidung der Verbreitung der Covid-19-Pandemie nicht durchgeführt werden kann. (mwo/eis/25.03.2020)