Familie

Organisa­tionen und ihre Pro­bleme mit dem Gemeinnützig­keitsrecht

Eine ältere Dame liest Kindergartenkindern etwas vor.

Gemeinnützigkeit und Gemeinnützigkeitsrecht waren Gegenstand des Fachgesprächs des Unterausschusses. (© dpa - Report)

Mehr Finanz-Transparenz bei gemeinnützigen Organisationen, bisweilen schwierige Abgrenzung zu politischer Betätigung, unterschiedliche Einstufungen von Finanzämtern: Dies zählte zu den Punkten, die bei einem Fachgespräch des Unterausschusses „Bürgerschaftliches Engagement am Mittwoch, 29. Januar 2020, zur Sprache kamen. Für die Sitzung unter der Leitung von Alexander Hoffmann (CDU/CSU) war die Überschrift „Gemeinnützigkeit(srecht)“ gewählt worden.

Bei dem Gremium handelt es sich um einen Unterausschuss des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Es befasste sich schon im Vorfeld einer Gesetzesnovelle mit der Thematik. Das Bundesfinanzministerium hat für dieses Jahr einen Gesetzentwurf zu Änderung des Gemeinnützigkeitsrechts angekündigt.

„Unterschiedliche Aussagen verschiedener Finanzämter“

Stefan Diefenbach-Trommer (Allianz Rechtssicherheit für politische Bildung) riet dazu, nicht nur auf das enge Korsett der Satzungsvorgaben zu blicken, sondern auch zu bewerten, was die Tätigkeit einer Organisation für das Gemeinwohl bedeute. Das Gemeinnützigkeitsrecht sei deutlich mehr als nur ein Steuerrecht. Für grundsätzliche Verbesserungen sei ein langfristiges Nachdenken vonnöten. Er appellierte an den Unterausschuss, sich als Schutzmacht der zivilgesellschaftlichen Organisationen zu verstehen.

Stephanie Frost (Vostel volunteering UG), beklagte, die Auslegungen der Abgabenordnung spiegele nicht das gesellschaftliche Engagement wider. Früher festgelegte Einstufungskataloge entsprächen nicht mehr der heutigen Realität, verwies sie beispielhaft auf Themenbereiche wie Gender und Klimaschutz. Dies führe zu Rechtsunsicherheit. Sie kritisierte, dass verschiedene Finanzämter unterschiedliche Aussagen träfen.

Steuergewerkschaft warnt vor zentraler Bewertungsbehörde

Thomas Eigenthaler, der Bundesvorsitzende der Deutschen Steuergewerkschaft, schilderte, dass das Finanzamt über die Gemeinnützigkeit nach Prüfung der Satzung entscheide. Dies sei in den meisten Fällen – etwa Sport- oder Musikvereine – kein Problem. Aber manche Satzung bewege sich auf dünnem Pfad, sodass es bei verschiedenen Ämtern zu Bewertungsunterschieden kommen könne. Er warnte vor einer zentralen Bewertungsbehörde, auf die womöglich politische Einflussnahme erfolge.

Ob Satzung und Realität dann später zusammenpassten, erfahre das Finanzamt oft eher zufällig, etwa durch Medienberichte. Vom Prinzip des Steuergeheimnisses könne der Gesetzgeber eventuell eine Ausnahme machen. Schließlich kämen gemeinnützige Organisationen in den Genuss von Steuerprivilegien. Zudem könnten Spenden abgeschrieben werden.

„Dringender Handlungsbedarf für eine grundlegende Reform“

Dr. Rupert Graf Strachwitz (Maecenata-Stiftung) sah beim Gemeinnützigkeitsrecht dringenden Handlungsbedarf für eine grundlegende Reform statt nur kleinerer Korrekturen. Als modernes Recht müsse es einer offenen, pluralistischen und liberalen Gesellschaft gerecht werden. Es sei vertretbar, dass bei gemeinnützigen Organisationen das Steuergeheimnis aufgehoben und das Finanzgebaren offengelegt werde.

Graf Strachwitz mutmaßte, dass für manche Verbände „die bitterste Pille die Transparenz-Pille“ sein würde. Er unterstützte die Forderung, den Katalog mit Voraussetzungen für die Gemeinnützigkeit zu straffen. Derzeit seien dort rund 80 Einzelheiten aufgelistet.

Plädoyer für ein Register gemeinnütziger Organisationen

Prof. Dr. Sebastian Unger, Wirtschafts- und Steuerrechtler an der Bochumer Ruhr-Universität, bezifferte die Zahl der zivilgesellschaftlichen Organisationen in Deutschland auf rund 600.000. Den allermeisten von ihnen sei der Status der Gemeinnützigkeit zuerkannt worden. Er setzte sich für ein Register ein, in dem alle Organisationen aufgelistet werden, die als gemeinnützig eingestuft wurden.

Dass Finanzämter bei der Zuerkennung von Gemeinnützigkeit unterschiedliche Entscheidungen treffen, könne durch eine Zentralisierung etwa auf die Finanzministerien der Länder vermieden werden. Er sprach sich für abgestufte Sanktionen aus, sollte tatsächliches Handeln von der Satzung abweichen. Es müsse nicht gleich die Gemeinnützigkeit aberkannt werden. Auch Strafzahlungen seien denkbar. (fla/29.01.2020)

Liste der geladenen Sachverständigen

  • Stefan Diefenbach-Trommer, Allianz Rechtssicherheit für politische Willensbildung e. V.
  • Thomas Eigenthaler, Bundesvorsitzender Deutsche Steuer-Gewerkschaft (DSTG)
  • Stephanie Frost, Geschäftsführerin und Mitgründerin Vostel volunteering UG,
  • Dr. Rupert Graf Strachwitz, Maecenata Stiftung
  • Prof. Dr. Sebastian Unger, Professur für Öffentliches Recht, Wirtschaftsrecht und Steuerrecht an der Ruhr-Universität Bochum