Heil will Beschäftigte auf technologischen Wandel vorbereiten
„Im Kern geht es darum, in Zeiten des technologischen Wandels dafür zu sorgen, dass die Beschäftigten von heute auch die Chance haben, die Arbeit von morgen zu machen“, mit diesen Worten hat der Bundesminister für Arbeit und Soziales, Hubertus Heil (SPD), in der Befragung der Bundesregierung am Mittwoch, 15. Januar 2020, eine der zentralen Aufgaben der Bundesregierung im Politikfeld Arbeit und Soziales umschrieben. Zuvor hatte der Bundestag mehrheitlich gegen das Votum der AfD die Tagesordnungen für die Plenarsitzungen am 15., 16. und 17. Januar genehmigt, nachdem zwischen den Fraktionen kein Einvernehmen hergestellt werden konnte.
Zukunft der Arbeit und Absicherung im Alter
Die Regierung werde „das Notwendige“ tun, um „diesen Prozess zu begleiten“, so der Minister. Heil hatte sein Eingangsstatement zu Beginn der einstündigen Befragung genutzt, um bereits umgesetzten Gesetzesinitiativen wie etwa das Qualifizierungschancengesetz hinzuweisen sowie aktuelle Vorhaben seines Hauses vorzustellen. Dabei spielten neben dem Thema „Zukunft der Arbeit“ insbesondere die Schaffung einer „verlässlichen Altersabsicherung“ unter anderem durch die Grundrente eine wichtige Rolle, so der Arbeits- und Sozialminister.
Darüber hinaus gehe es um die Einbeziehung der Selbstständigen in das System der Alterssicherung. Im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft werde sich die Bundesregierung im Bereich der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik insbesondere für einen Rahmen für Mindestlöhne und Grundsicherungssysteme einsetzen, kündigte Heil an. Weitere Anliegen seien die Schaffung von „Regeln für die Plattformökonomie“ und mehr Fairness in globalen Lieferketten.
AfD: Nein zu mehr EU-Mehrheitsentscheidungen
René Springer (AfD) knüpfte als erster Fragesteller an das Thema EU und wollte von Heil wissen, ob die Bundesregierung den Vorschlag der EU-Kommission unterstütze, das Einstimmigkeitsprinzip bei Entscheidungen im sozialen Bereich durch das Mehrheitsprinzip zu ersetzen. „Die Entscheidungen auf EU-Ebene könnten künftig gegen die Interessen Deutschlands gefällt werden“, monierte Springer. Die AfD lehne es ab, „noch mehr staatliche Souveränität“ an die EU abzugeben. „Die Frage ist: Ist die Bundesregierung bereit, mehr Kompetenzen im Bereich der Sozialpolitik abzugeben?“
Heil verwies in seiner Antwort zunächst darauf, dass es schon jetzt unterschiedliche Abstimmungsmodi – Einstimmigkeits- wie Mehrheitsentscheidungen – in diesem Bereich gebe. Die Bundesregierung werde den Vorschlag aber sorgfältig prüfen. Er selbst sei aber zugunsten effizienterer Entscheidungsprozesse aufgeschlossen für Mehrheitsentscheidungen da, „wo es sinnvoll ist – und im Rahmen dessen, was unser Grundgesetz vorsieht“.
CDU/CSU fragt nach Qualifizierungschancengesetz
Antje Lezius (CDU/CSU) erkundigte sich nach den Erfahrungen mit dem vor einem Jahr in Kraft getretenen Qualifizierungschancengesetzes. „Welche Erkenntnisse haben Sie gewonnen?“
Heil betonte, die ersten Ergebnisse seien positiv. Statistisch sei eine „signifikante Steigerung“ der Weiterbildung auch in Unternehmen zu verzeichnen. Zur Anwendung kämen die Regelungen insbesondere in der Automobilindustrie, der Versicherungswirtschaft und im Bereich der Pflege, so Heil. Der Minister kündigte an, prüfen zu wollen, ob künftig von der bisherigen Einzelfallbetrachtung abgewichen werden könne, um die Anwendung weniger bürokratisch zu gestalten.
FDP fragt nach flexibleren Arbeitszeiten
Johannes Vogel (FDP) thematisierte die aktuelle Diskussion um das Arbeitszeitgesetz. Eine der Fragen dabei sei, so der Abgeordnete, ob die „ununterbrochene elfstündige Ruhezeit“ noch zeitgemäß sei. In diesem Zusammenhang erkundigte sich Vogel, wie hier die Praxis im Arbeits- und Sozialministerium selbst sei. „Ist es korrekt, dass Mitarbeiter am Abend und gleich wieder am Morgen arbeiten und die IT nutzen, aber die Zeiterfassung erst wieder nach Ablauf der elfstündigen Ruhezeit einsetzt?“
Heil erklärte, es gebe in seinem Haus eine Dienstvereinbarung zum flexiblen Arbeiten. Wie diese bezüglich der konkreten Frage umgesetzt werde, müsse er aber schriftlich beantworten. Grundsätzlich sei es aber ein Vorhaben der Bundesregierung, das Arbeitszeitgesetz weiterzuentwickeln. Dies habe sie im Koalitionsvertrag unter dem Stichwort „Experimentierräume für tarifgebundene Unternehmen“ so verabredet. Zudem mache auch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Arbeitszeiterfassung die Beschäftigung mit dem Thema notwendig. Der Minister unterstrich, dass das Gesetz in erster Linie ein „Arbeitsschutzgesetz“ sei und der körperlichen und psychischen Gesundheit der Arbeitnehmer diene.
SPD: Beschäftigte im „digitalen Strukturwandel“ unterstützen
Dr. Martin Rosemann (SPD) schloss sich der Frage seiner Koalitionskollegin Lezius an und wollte wissen, wie der Minister vor dem Hintergrund des „technologischen und digitalen Strukturwandels“ den Beitrag des Qualifizierungschancengesetzes zur Unterstützung der Beschäftigten bewerte. „Wo sehen Sie außerdem Handlungsbedarf und welche Initiativen wollen sie selbst ergreifen?“, fragte der Abgeordnete.
Heil betonte, der Zustand des Arbeitsmarktes und die sich abzeichnenden Veränderungen erforderten einen „sehr differenzierten Werkzeugkasten“. Das Qualifizierungschancengesetz sei ein Instrument – es werde aber zusätzliche brauchen. Das geplante „Arbeit-von-morgen“-Gesetz enthalte deshalb Vorschläge, über die in der Koalition nun intern, aber auch mit den Sozialpartnern diskutieren werde. „Es geht darum, Belegschaften an Bord zu halten, durch Qualifizierungen, wenn nötig Transfergesellschaften oder auch mit veränderten Regelungen zur Kurzarbeit.“
Linke dringt auf Konsequenzen aus EuGH-Urteil
Susanne Ferschl (Die Linke) kritisierte, dass laut dem Forschungsinstitut der Bundesagentur für Arbeit 2018 „rein rechnerisch 600.000 Beschäftigte aufgrund unbezahlter Überstunden umsonst gearbeitet“ hätten. Grund dafür sei die mangelnde Dokumentation der Arbeitszeit. Angesichts dieser Zahlen wollte die Abgeordnete wissen, wie die Bundesregierung auf das Urteil des EuGH reagieren werde. „Bis wann ist mit der dringenden Umsetzung des EuGH-Urteils zu rechnen?“
Heil betonte, die Bundesregierung sei sich dessen bewusst, dass es infolge des Urteils zu Veränderungen im deutschen Recht kommen müsse. Derzeit gebe es nämlich nur Aufzeichnungspflichten in „schwarzarbeitsgeneigten“ Bereichen. Entsprechende Gutachten lägen inzwischen vor, die Konsequenzen würden derzeit in der Regierung mit den Sozialpartnern besprochen. Ziel sei eine „verhältnismäßige Umsetzung“, so der Minister. „Wir wollen nicht überall die Stechuhr einführen. Da finden wir modernere Lösungen.“
Grünen fragen nach „Arbeit-von-morgen“-Gesetzentwurf
Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (Bündnis 90/Die Grünen) betonte, Weiterbildung sei eine der großen Herausforderungen der kommenden Jahre. Das Qualifizierungschancengesetz aber reiche nicht aus, um diese zu meistern. Seine Fraktion fordere deshalb unter anderem ein „Rechtsanspruch auf Weiterbildung“, so der Grünen-Politiker und wollte wissen, wann mit dem seit längerem angekündigten „Arbeit von morgen“-Gesetz zu rechnen sei. „Noch immer liegt es nicht vor, woran hakt es denn?“
Der Minister erklärte, der Referentenentwurf befinde sich seit November im „Vorhaben-Clearing“ des Bundeskanzleramts. Die Verhandlungen seien deshalb etwas langwieriger, weil nur Teile der im Entwurf enthaltenen Regelungen vom Koalitionsvertrag gedeckt seien. Darüber hinausgehende Vorhaben müssten gesondert abgestimmt werden, so Heil „Die Gespräche darüber laufen.“ (sas/15.01.2010))