Regierung will Angehörige von Pflegebedürftigen unterstützen
Der Bundestag hat am Freitag, 27. September 2019, erstmals über das Angehörigen-Entlastungsgesetz (19/13399) der Bundesregierung beraten, mit dem Kinder von pflegebedürftigen Eltern, die in einem Heim versorgt werden, finanziell entlastet werden sollen. Im Anschluss an die einstündige Debatte im Plenum wurde der Gesetzentwurf (19/13399) zur weiteren Beratung in den federführenden Ausschuss für Arbeit und Soziales überwiesen.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Der Gesetzentwurf sieht vor, Kinder und Eltern, die gegenüber Beziehern von Sozialhilfe (Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch, SGB XII) unterhaltsverpflichtet sind, zu entlasten. Die Unterhaltsheranziehung von Eltern und Kindern mit einem jeweiligen Jahresbruttoeinkommen von bis zu einschließlich 100.000 Euro soll in der Sozialhilfe künftig ausgeschlossen sein. Das bedeutet, dass auf das Einkommen der Kinder von pflegebedürftigen Eltern, die die sogenannte Hilfe zur Pflege erhalten, erst ab einer Höhe ab 100.000 Euro zurückgegriffen werden kann. Umgekehrt soll dies auch für Eltern mit volljährigen, pflegebedürftigen Kindern gelten. Der Nachranggrundsatz der Sozialhilfe wird damit erheblich eingeschränkt. Gleichzeitig wird die Beschränkung des Unterhaltsrückgriffs auch auf die anderen Leistungen des SGB XII ausgedehnt, soweit keine minderjährigen Kinder betroffen sind. Die Begrenzung des Unterhaltsrückgriffs soll ferner auch in der Eingliederungshilfe nach dem SGB IX (Neuntes Buch Sozialgesetzbuch) durch einen Verzicht auf Elternbeiträge bei volljährigen Leistungsbeziehern gelten.
Darüber hinaus enthält der Gesetzentwurf weitere Vorgaben, um die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen zu verbessern. Diese sollen, sofern sie im Eingangsverfahren oder Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen tätig sind, künftig auch einen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung erhalten. Außerdem soll die Projektförderung für eine unabhängige Teilhabeberatung dauerhaft sichergestellt werden. Menschen, die in Werkstätten für behinderte Menschen arbeiten, sollen künftig mit einem Budget für Ausbildung gefördert werden, wenn sie eine nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) oder nach dem Gesetz zur Ordnung des Handwerks (HwO) anerkannte Berufsausbildung erwerben wollen.
Regierung: Gesetz ist eine echte Entlastung für Familien
Kerstin Griese (SPD), Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS), betonte: „Jeder weiß, wie belastend eine solche Pflegesituation sein kann. Wir sorgen dafür, dass nicht auch noch finanzielle Sorgen dazukommen.“
Das Gesetz sei eine echte Entlastung für die Familien. Durch eine dauerhafte Teilhabeberatung werde zudem die Inklusion gestärkt, denn Inklusion heiße, dass alle dabei seien, sagte sie.
AfD: Ein Schritt in die richtige Richtung
Jürgen Pohl (AfD) bezeichnete den Entwurf zwar als Schritt in die richtige Richtung, kritisierte jedoch, dass damit der stationären Pflege gegenüber der häuslichen ein Vorrang eingeräumt werde.
Die meisten Menschen würden zu Hause von ihren Angehörigen gepflegt, und diese würden durch das Gesetz nicht entlastet. Er warnte außerdem davor, die Kommunen noch stärker zu belasten und forderte, die Finanzierung zu klären.
FDP: Kommunen nicht einseitig belasten
Nicole Westig (FDP) forderte ebenfalls, das Gesetz dürfe nicht einseitig zulasten der Kommunen gehen. „Das ist nicht fair, denn sie sind schon jetzt durch die Kosten der Hilfe zur Pflege stark belastet.“ Zudem sei es „irreführend“, von einem Angehörigen-Entlastungsgesetz zu reden: „Es schafft nämlich keine Entlastung für pflegende Angehörige“, betonte sie.
76 Prozent der pflegebedürftigen Menschen würden zu Hause gepflegt, dort seien die Angehörigen körperlich, psychisch und finanziell oft am Limit. „Wir können es uns aber nicht leisten, diese Angehörigen im Regen stehen zu lassen“, sagte Westig.
Linke: Nur wenige Angehörige werden entlastet
Pia Zimmermann (Die Linke) erkannte in dem Entwurf zwar ebenfalls einen längst überfälligen Schritt. Jedoch verwies sie darauf, dass es nur wenige Angehörige wirklich entlastet, denn den rund drei Millionen Menschen, die zu Hause selber pflegen, helfe es nicht. Auch werde es keinen einzigen Menschen mit Pflegebedarf weniger geben, der Sozialhilfe beantragen muss.
„Hier geht es nicht um ein Generationenproblem, sondern um die Frage, ob Pflege weiterhin arm macht“. Sie forderte eine Pflegevollversicherung und die generelle Abschaffung der Eigenanteile, um alle Beteiligten wirklich zu entlasten.
CDU/CSU: Konkrete Hilfe für knapp 300.000 Menschen
Torbjörn Kartes (CDU/CSU) betonte, dieses Gesetz entlaste knapp 300.000 Menschen und helfe ihnen damit ganz konkret. Viele Pflegebedürftige, die eigentlich in einem Heim besser versorgt wären, würden den Umzug in ein Heim bisher meiden, aus Sorge davor, dass ihre Angehörigen dann dafür zahlen müssten.
„Diese Angst wollen wir ihnen nehmen. Das heißt aber nicht, dass die Pflege jetzt in großem Stil von der eigenen Wohnung ins Heim verlagert wird. Das glaube ich nicht“, sagte er.
SPD: Eigenanteil in der Heimpflege deckeln
Katja Mast (SPD) betonte, ihre Fraktion wolle im Bereich der Pflege noch viel mehr erreichen: „Wir wollen, dass der Eigenanteil in der Heimpflege gedeckelt wird. Und wir wollen eine Pflegebürgerversicherung, weil wir nicht verstehen, warum wir in der Gesellschaft Unterschiede bei der Finanzierung der Pflege haben.“
Grüne: Ziel des Gesetzes ist „gut und richtig“
Corinna Rüffer (Bündnis 90/Die Grünen) bezeichnete das Ziel des Gesetzes als „gut und richtig“, denn es gehe schlicht um die Würde der Pflegebedürftigen, die künftig keine Angst mehr haben müssten, ihren Kindern auf der Tasche zu liegen.
Sie kritisierte jedoch, dass es für Eltern minderjähriger pflegebedürftiger Kinder keine Entlastung geben soll: „Sie müssen weiterhin dafür bezahlen, wenn sie erreichen wollen, dass ihr Kind wie alle anderen gesellschaftlich teilhaben wollen.“ (che/27.09.2019)