Verrohung der öffentlichen Auseinandersetzung thematisiert
„Gegen Hassrede und Hasskriminalität – Für eine offene und freiheitliche Gesellschaft“ lautete der Titel der von CDU/CSU und SPD beantragten Aktuellen Stunde, in der der Bundestag am Donnerstag, 7. November 2019, über die zunehmende Verrohung in der öffentlichen Auseinandersetzung debattierte. Während dabei der AfD aus den Reihen der anderen Fraktionen eine Mitschuld für diese Entwicklung zugewiesen wurde, wandte diese sich gegen den Vorwurf, sie säe Hass in der Gesellschaft.
Innenministerium: Höhere Strafen für Beleidigungen im Netz
Der Parlamentarische Innen-Staatssekretär Prof. Dr. Günter Krings (CDU) verwies darauf, dass eine „Verrohung von Sprache und Umgangsformen“ insbesondere in den Medien und sozialen Netzwerken schon seit Längerem wahrnehmbar sei. Dabei spreche er von Straftaten wie „Beleidigung, Verleumdung und Billigung schlimmster Straftaten“. Manchem – auch Bundestagsabgeordneten – werde öffentlich gedroht oder der Tod gewünscht. Dann könne der Schritt zum tätlichen Angriff klein sein wie im Fall des ermordeten Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke.
Krings verwies zugleich auf das vom Bundeskabinett am 30. Oktober 2019 beschlossene Maßnahmenpaket zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Antisemitismus. Dazu zähle neben einem verstärkten Schutz von Kommunalpolitikern auch eine Meldepflicht für soziale Netzwerke. Rechtswidrige Inhalte müssten danach zusammen mit der IP-Adresse an das Bundeskriminalamt (BKA) gemeldet werden. Auch werde der Strafrahmen für Beleidigungen im Netz erhöht.
Justizministerium: Strafrecht auch im Netz durchsetzen
Christian Lange (SPD), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesjustizministerium, betonte, der Terroranschlag in Halle und der Mord an Lübcke seien „die Spitze eines Eisbergs rechtsterroristischer Hasskriminalität“. „Rechte Hasskriminalität“ sei aktuell eine der „größten Bedrohungen unserer Sicherheit“.
Ein zentrales Problem seien dabei „der Hass und die Hetze im Netz“. Die Meinungsfreiheit ende aber „dort, wo das Strafrecht beginnt“. Dies müsse der Rechtsstaat auch im Netz durchsetzen. Damit „konsequent gegen diesen Hass vorgegangen werden kann“, schlage man vor, gut 400 neue Stellen beim BKA zu schaffen.
AfD: Sie wollen politisch Andersdenkende mundtot machen
Marc Jongen (AfD) warf den Regierungsparteien vor, mit ihrer „Bekämpfung sogenannter Hassrede“ heizten sie „den Zorn an, für den Sie und Ihre Politik verantwortlich sind“. Dabei spreche er nicht von Beleidigung oder Volksverhetzung und „noch weniger“ von dem Anschlag in Halle oder dem Mordfall Lübcke, die „abscheuliche Verbrechen“ seien.
„In Ihren Initiativen gegen Hassrede und Hasskriminalistät geht es aber um etwas ganz anders: Sie instrumentalisieren und missbrauchen diese Fälle, um ein System der Unterdrückung der freien Rede, der Zensur und der Angst in diesem Land zu installieren, um politisch Andersdenkende mundtot zu machen“, fügte Jongen hinzu. Die AfD säe nicht Hass, sondern gebe „dem gerechten Zorn im Land“ einen zivilen Ausdruck.
FDP: Abgeordnete müssen mit gutem Vorbild vorangehen
Manuel Höferlin (FDP) beklagte, es gebe nicht nur im Netz eine „Zunahme enthemmter, emotionalisierter, verrohter Sprache“. Die Worte, „die dort gesät werden, sind dann der Dünger für Gewalt, die danach folgt“.
Dabei müssten sich auch die Abgeordneten fragen, ob sie die grundlegenden Umgangsregeln einhalten, betonte Höferlin und mahnte, sich mehr mit Sachargumenten zu beschäftigen und mehr einen respektvollen Umgang miteinander zu pflegen. Wenn der Bundestag das „Herz der Demokratie in Deutschland“ sei, müssten die Abgeordneten mit gutem Vorbild vorangehen.
Linke: AfD noch lange nicht eine demokratische Partei
Petra Pau (Die Linke) rief dazu auf, für die Demokratie nicht nur dann zu kämpfen, „wenn etwas passiert ist“. Vielmehr handele es sich um eine Alltagsaufgabe. Sie verwies darauf, dass Hass und Gewalt dramatisch zunähmen, „im Internet und im wahren Leben“. Betroffen seien davon auch Fußball-Schiedsrichter, Journalisten, Migranten, Obdachlose und andere. Dies sei „besorgniserregend und nicht hinzunehmen“.
Seit dem Einzug der AfD in den Bundestag würden Hass und Gewalt auch am Rednerpult des Parlaments „gepredigt“. Die AfD sei demokratisch gewählt, aber deshalb „noch lange nicht eine demokratische Partei“.
Grüne: AfD denkt nur in Kategorien der Feindschaft
Auch Irene Mihalic (Bündnis 90/Die Grünen) konstatierte, dass sich bereits seit Jahren „der Hass vor allem im Virtuellen, aber auch außerhalb“ ausbreite. Perfiderweise behaupteten dabei „diejenigen, die den Hass kübelweise über andere Menschen auskippen“, immer wieder, „in Deutschland dürfe man ja nichts mehr sagen“, unterstrich Mihalic und fügte hinzu: „Aber Hass ist keine Meinung.“
Sie betonte zugleich, die „Fraktionen des Verfassungsbogens“ von der Linken bis zur CDU/CSU seien zweifellos politische Gegner mit völlig unterschiedlichen politischen Konzepten, aber „eben keine Feinde“. Dagegen denke die AfD nur „in Kategorien der Feindschaft“; ihr „natürlicher Bündnispartner“ sei „der Hass“.
CDU/CSU: Gezielt gegen Hass- und Hetzrede vorgehen
Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU) betonte, die Meinungsfreiheit habe für die Demokratie existenzielle Bedeutung. Klar sei, dass die Meinungsfreiheit gegenüber dem Staat uneingeschränkt Gültigkeit habe, doch werde sie aus anderer Richtung bedroht: „Shitstorms und Mobbing, Beleidigung, massive Drohungen, Hass und Hetze“ in den sozialen Medien zielten darauf, andere einzuschüchtern, und missbrauchten damit die eigene Meinungsfreiheit.
Um das Recht auf Meinungsfreiheit zu sichern, müsse gezielt gegen solche Hass- und Hetzrede vorgegangen werden.
SPD: Gegen Angriffe auf alle Demokraten wehren
Uli Grötsch (SPD) sagte, die Regierungskoalition werde das Maßnahmenpaket gegen Rechtsextremismus zügig in Gesetzesform gießen. Er hob hervor, dass die allermeisten Straftaten gegen Politiker seit 2016 rechts motiviert gewesen seien. Dabei handele es sich um Angriffe auf alle Demokraten im Lande, und deshalb müssten sich dagegen auch alle wehren.
Von 2014 auf 2015 habe sich die politisch rechts motivierte Kriminalität von 5.000 auf 9.500 Delikte fast verdoppelt. „Hasskriminalität kommt eindeutig von rechts“, fügte Grötsch hinzu, „und die AfD bereitet nicht nur den Nährboden – Hass ist ihr Geschäftsmodell“. (sto/07.11.2019)