Auswärtiges

Personal für internationale Friedenseinsätze schwer zu finden

Symbolbild mit der Aufschrift des Wortes Peace

Der Unterausschusses „Zivile Krisenprävention“ befasste sich in einer Anhörung mit der zivilen friedenserhaltenden Arbeit. (© picture alliance)

Der Beitrag des zivilen, unbewaffneten Peacekeeping zur internationalen Konfliktbeilegung war Thema eines öffentlichen Fachgesprächs des Unterausschusses „Zivile Krisenprävention, Konfliktbearbeitung und vernetztes Handeln“ des Auswärtigen Ausschusses am Montag, 24. Juni 2019, unter Leitung von Ottmar von Holtz (Bündnis 90/Die Grünen).

Krisenprävention durch Nichtregierungsorganisationen

Dr. Christine Schweitzer vom Institut für Friedensarbeit und Gewaltfreie Konfliktaustragung/Bund für soziale Verteidigung erinnerte daran, dass unbewaffnetes, ziviles Peacekeeping (Krisenprävention) vor allem von nichtstaatlichen Organisationen (NGOs) geleistet werde. Oft arbeiteten solche NGOs wie die „peace brigades International“ in Krisengebieten, in denen es keine staatlichen Krisenmanagementmissionen gebe. Erfolgreich werde das zivile Peacekeeping seit Jahren etwa in den Bürgerkriegsgebieten von Sri Lanka, den Philippinen, dem Südsudan, Myanmar, Bangladesch und im Nahen Osten umgesetzt. Professionelle Peacekeeper setzten sich dort für den Schutz der Zivilbevölkerung ein, beobachteten Waffenstillstände und versuchten durch langfristige, in die Gesellschaft eingebettete Arbeit Vertrauen aufzubauen und so die Gewalt einzudämmen.

„Sie verbinden Aktivitäten, die direkt der Gewaltprävention dienen, mit solchen, bei denen es darum geht, Konfliktparteien zusammenzubringen und die Fähigkeiten lokaler Gemeinschaften zu stärken, Gewalt-Eskalationen zu widerstehen“, stellte Schweitzer fest. Zu den größten Herausforderungen für das Peacekeeping vor Ort zählte Schweitzer das Phänomen nur schwer zugänglicher und zu beeinflussender Terrorgruppen sowie den schwindenden Handlungsspielraum für NGOs in zahlreichen Ländern.

„Möglichkeiten ziviler Krisenprävention ausbauen“

Entsprechend dem Bekenntnis der Bundesregierung in ihren Leitlinien von 2016 („Krisen verhindern, Konflikte bewältigen, Frieden fördern“), im Rahmen des Ansatzes der internationalen Schutzverantwortung („responsibility to protect“) „insbesondere ziviles Peacekeeping als erprobte Methodik“ zu fördern, forderte Schweitzer von der deutschen Politik, dem unbewaffneten Peacekeeping einen noch größeren Stellenwert beizumessen.

Organisationen wie „peace brigades International“ bräuchten eine bessere finanzielle Ausstattung. So könne das Auswärtige Amt mehr Mittel für professionelle Friedensfachkräfte zur Verfügung stellen, während das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zivile Peacekeeper bereits über den Zivilen Friedensdienst finanziere. Der Zivile Friedensdienst ist ein Programm von neun deutschen Friedens- und Entwicklungsorganisationen für Gewaltprävention und Friedensförderung in Krisen- und Konfliktregionen.

„Zivile Fachkräfte ausbilden“

Schweitzer forderte außerdem, über das Zentrum für Internationale Friedenseinsätze (ZIF) zivile Fachkräfte direkt für konkrete, beispielsweise von der EU beschlossene Einsätze auszubilden. Schließlich verdiente dieser Ansatz der internationalen Bemühungen um Konfliktbewältigung eine größere politische Anerkennung und Fürsprache seitens der Bundesregierung. Berlin solle sich gerade jetzt in der Zeit als nichtständiges Mitglied im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (Uno) stärker für diese Option einsetzen.

Zu dem weiteren Begriff der zivilen Krisenprävention sowie deren Ausbau vor allem im Rahmen der Europäischen Union und der Vereinten Nationen nahmen die zweite geladene Sachverständige sowie Vertreter der Bundesregierung, vom Auswärtigen Amt und dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Stellung.

„Stärker in die Budgetberatungen der Uno einbringen“

Carina Böttcher von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik wies auf den starken politischen Druck hin, unter dem das Handlungsfeld des zivilen Krisenmanagements stehe. Im Sicherheitsrat plädierten beispielsweise die Vereinigten Staaten von Amerika dafür, Missionen zu beenden oder zu verkleinern. Als viertgrößter Beitragszahler der Uno müsse Deutschland sich noch stärker in die Budgetberatungen der Weltorganisation einbringen, um dem Politikfeld mehr Mittel widmen zu können. Den Mangel an geeignetem fachlichen Personal sieht Böttcher als den großen Schwachpunkt der zivilen Komponente der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik.

Die seit 2008 in Georgien bestehende Monitoring-Mission zur Überwachung des Waffenstillstands zwischen Russland und Georgien sei momentan die einzige gut arbeitende europäische Beobachtermission. Eine neue große Mission aufzustellen, würde die EU momentan überfordern, vermutete Böttcher.

Die EU-Mitgliedstaaten müssten weiter verstärkt daran arbeiten, mehr Experten für Einsätze zu gewinnen, einen Auslandseinsatz als Karrierebaustein attraktiv zu machen und die sekundierten Experten besser auf den jeweiligen Kontext im Ausland vorzubereiten. Als Wertegemeinschaft müsse die EU aber ein großes Interesse daran haben, ihr außen- und sicherheitspolitisches Instrumentarium gerade auf zivilem Gebiet zu stärken.

Es sei begrüßenswert, dass Deutschland die Dinge auf EU-Ebene und auch im nationalen Rahmen voranbringe. Durch den starken Fokus auf den Grenzschutz und die Bekämpfung illegaler Migration sei leider auch innerhalb der zivilen Komponente der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU (GSVP) eine Konkurrenz um Fachkräfte entstanden, die nun für den Schutz der Zivilbevölkerung in Konflikten fehlten.

„Dringender Handlungsbedarf“

Sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene arbeite man verstärkt weiter daran, die Möglichkeiten ziviler Konfliktprävention auszubauen, sagte Christian Resch, stellvertretender Leiter des Referats S01 im Auswärtigen Amt (Grundsatzfragen des Krisenengagements und der internationalen Stabilisierungspolitik, Leitlinien der Bundesregierung, Kommunikation). Die Europäische Union und die Vereinten Nationen seien die beiden wichtigsten internationalen Handlungszusammenhänge des deutschen Engagements.

In beiden internationalen Organisationen bestehe allerdings weiterhin dringender Handlungsbedarf, um zu ausreichend verfügbaren Personalzahlen zu gelangen und so einsatzfähige Missionen durchführen zu können, sagte Resch. Sowohl die zivile Komponente innerhalb der GSVP als auch die Vereinten Nationen befänden sich allerdings momentan in einem Reformprozess, den man dazu nutzen müsse, die Haushaltsmittel für zivile Krisenprävention zu erhöhen, mehr Mitgliedsländer und mehr Berufstätige dazu zu bewegen, sich stärker an internationalen Friedensmissionen zu beteiligen.  

„Bewerberzahlen nicht hoch genug“

In dem Fachgespräch wurde deutlich, wie schwer es ist, geeignetes Personal zu entsenden. Zivile Experten seien als Berufstätige voll in den heimischen Arbeitsmarkt integriert und sollen nun für einen längeren Zeitraum freigestellt werden. Dazu sei nicht jedes Land bereit. Ein längerer beruflicher Auslandsaufenthalt greife zudem tief in zumeist rein inländisch angelegte Karriereverläufe ein. Daher sein auch die Bewerberzahlen nicht hoch genug.

Zurzeit befänden sich 147 Deutsche, von Polizisten bis hin zu Rechtsstaatsexperten, im Rahmen einer Sekundierung als nichtmilitärisches Personal in zivilen Auslandseinsätzen. Unter „Sekundierung“ wird die soziale Absicherung von Personen verstanden, die im Rahmen von internationalen Einsätzen zur zivilen Krisenprävention bei internationalen, supranationalen oder ausländischen staatlichen Einrichtungen tätig werden. Dreh- und Angelpunkt bei der Personalgewinnung in Deutschland sei das ZIF in Berlin, das in Europa seinesgleichen suche. Durch die gelebte Praxis in Einsätzen vor Ort, bei denen deutsche Kräfte teil internationaler Teams seien, unterstütze man ganz konkret den Multilateralismus als Prinzip internationaler Zusammenarbeit.

Kompetenzzentrum für ziviles Krisenmanagement geplant

Um den Bereich der zivilen Krisenprävention weiter auszubauen, werde Deutschland auch die EU-Ratspräsidentschaft 2020 sowie die zweijährige Mitgliedschaft im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen nutzen, betonte Resch weiter. Als nationalen Beitrag werde die Bundesregierung im kommenden Jahr ein europäisches Kompetenzzentrum für ziviles Krisenmanagement in Berlin einrichten. Damit komme man einerseits seinen von den EU-Außenministern im November 2018 im „Compact“ (Übereinkunft) zur Weiterentwicklung der GSVP eingegangenen Verpflichtungen nach.

Andererseits hoffe die Bundesregierung, damit eine Sogwirkung zu entfalten und andere EU-Mitgliedstaaten mitzuziehen, die noch zögerlich seien. Man wolle mit dem Kompetenzzentrum Wissen rund um das zivile Krisenmanagement für alle abrufbar machen, sagte Resch. (ll/08.07.2019)

Liste der geladenen Sachverständigen

  • Carina Böttcher, Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP)
  • Dr. Christine Schweitzer, Institut für Friedensarbeit und Gewaltfreie Konfliktaustragung/Bund für soziale Verteidigung