Befragung der Bundesregierung

Svenja Schulze will die Artenvielfalt wirksam schützen

In Reaktion auf den Bericht des UN-Biodiversitätsrats zur globalen Artenvielfalt hat sich Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) am Mittwoch, 8. Mai 2019, im Rahmen der Regierungsbefragung des Bundestages erneut für einen wirksameren Schutz der Artenvielfalt ausgesprochen. Das Artensterben zu stoppen, sei von ebenso großer Bedeutung wie der Kampf gegen den Klimawandel, erklärte Schulze als Antwort auf die Frage eines Abgeordneten. Im Rahmen der einstündigen Befragung beantwortete die Ministerin Fragen zu verschiedenen Themen aus ihrem Ressort – neben dem Thema Biodiversität interessierte die Abgeordneten insbesondere der künftige Umgang mit Wölfen.

AfD: Widerspruch Stickstoffoxid-Grenzwerten

Zum Auftakt der Fragerunde griff jedoch der AfD-Abgeordnete Dr. Rainer Kraft (AfD) die Diskussion um Stickstoffoxid-Grenzwerte auf. Konkret wollte er wissen, wie das Umweltbundesamt die Meinung vertreten könne, dass eine in Stuttgart in der Außenluft gemessene Stickstoffoxidkonzentration von 71 Mikrogramm pro Kubikmeter „zu Toten“ führe, während eine Kommission des gleichen Bundesamtes zu einer gegenteiligen Aussage komme. Diese schreibe, dass eine „lebenslange Exposition von bis zu 80 Mikrogramm“ keine Beeinträchtigungen erwarten lasse.

Die Bundesministerin unterstrich in ihrer Antwort, dass es sich bei Stickstoffoxiden um Reizgase handele, vor denen insbesondere Kinder, ältere Menschen und Kranke geschützt werden müssten. „Deshalb gelten Grenzwerte, die es allen Menschen ermöglichen, sich draußen ohne Beeinträchtigung aufzuhalten.“ Am Arbeitsplatz hingegen, wo sich Erwachsene und in der Regel gesunde Menschen aufhielten, würden andere Grenzwerte gelten. Schulze verwies zudem auf die Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation, die Grenzwerte insgesamt noch einmal zu überprüfen und abzusenken.

CDU/CSU: Mehr Hilfe für Weidetierhalter in Wolfsgebieten

Silvia Breher (CDU/CSU), Mitglied im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft, knüpfte an das Eingangsstatement zum Artenschutz der Ministerin an und fragte sie zu ihrer Haltung im Umgang mit Wölfen. Trotz „stark steigender Wolfpopulationen“ reagiere die Bundesumweltministerin auf die Sorgen von Weidetierhaltern stets gleich: „Ihre Antwort war bislang nur Herdenschutz, Monitoring und Ausgleichszahlungen“, monierte Breher. Das sei nicht ausreichend. In ihrem Wahlkreis Cloppenburg-Vechta würden Schafsherden zunehmend von Wölfen angegriffen. „Was soll ich den Tierhaltern vor Ort sagen? Was tut Ihr Haus für die Schäfer und ihre Herden?“

Schulze machte deutlich, dass der Schutz der Weidetierhaltung und somit auch die Unterstützung der Weidetierhalter ein wichtiges Anliegen der Bundesregierung sei. Der Wolf sei aber eine streng geschützte Art, das Zusammenleben mit ihm könne organisiert werden. „Deshalb habe ich mich persönlich auf europäischer Ebene dafür eingesetzt, dass wir den Weidetierhaltern Geld geben und ihnen so helfen können, Zäune zu bauen und Schutzhunde einzusetzen“, sagte Schulze. Ein wirksamer Herdenschutz sei der einzig mögliche Weg. Dabei helfe der Bund den Schäfern: „Das ist unsere Antwort.“

FDP: Bejagung von Wölfen rechtssicher regeln

Hier hakte Karlheinz Bunsen, jagd- und forstpolitischer Sprecher der FDP, mit einer Nachfrage ein: Er begrüßte zwar, dass die Kanzlerin den „Wolf“ zur Chefsache gemacht habe. Doch ob der Bau von Zäunen oder der Einsatz von Hunden – die bisherigen Maßnahmen seien nicht wirksam. „Es ist unmöglich, Deutschland einzuzäunen.“ Zudem sei der „Erhaltungszustand des Wolfes, so der Abgeordnete, längst erreicht. Es brauche Möglichkeiten, Wölfe rechtssicher zu “entnehmen„, so der Abgeordnete und fragte, ob die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zur “rechtssicheren Bejagung von Wölfen„ plane.

Dies bejahte die Ministerin, doch ansonsten teilte sie die Auffassung des Abgeordneten nicht. “Der gute Erhaltungszustand ist längst noch nicht erreicht„, widersprach sie Bunsen. “Davon sind wir weit entfernt.„ Es gebe außerdem durchaus funktionierende Möglichkeiten, Weidetiere vor Wölfen zu schützen – sie müssten allerdings “regional angepasst sein„. Hinsichtlich der Bejagung von Wölfen erinnerte Schulze daran, dass nach geltendem Recht Wölfe heute schon “entnommen„ werden könnten. Mit einem Gesetzentwurf wolle sie aber noch klarer definieren, wann Wölfe “entnommen„ werden dürften. “Es gibt nicht eindeutige Gerichtsurteile. Deshalb habe ich diesen Vorschlag gemacht, wie die Entnahme von Wölfen für alle Beteiligten rechtssicher geregelt werden kann.„

SPD fragt nach Reaktionen auf UN-Artensterben-Bericht

Carsten Träger, umweltpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, thematisierte den Bericht des UN-Weltrates für Biodiversität und fragte die Ministerin nach ihrer Einschätzung: “Eine Million Arten sind demnach vom Aussterben bedroht. Wie gewichten Sie den Verlust der Biodiversität gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels?„

Die Umweltministerin betonte, dass ihrer Meinung nach das Artensterben eine ebenso große Rolle spielen müsse wie der Klimaschutz. “Wir müssen das Artensterben stoppen und den Klimawandel endlich in den Griff bekommen.„ Beides hänge zusammen. Und für beides sei der Mensch verantwortlich: “Wir müssen unser Handeln verändern und Rückzugsräume und Habitate für Tiere wieder ermöglichen„, sagte die Ministerin. Ein Ansatzpunkt sei zum Beispiel, den Plastikmüll zu reduzieren. Darüber hinaus sei es nötig, globale Transportwege und den zunehmenden Tourismus in den Blick zu nehmen. Auf diese Weise würden auch invasive Arten weltweit verteilt. “Wir brauchen hier ebenso ein Aktionsprogramm wie zum Insektenschutz.„

Linke erkundigt sich nach Programm zum Insektenschutz

Nach eben diesem Aktionsprogramm zum Insektenschutz fragte daraufhin Amira Mohamed Ali, Sprecherin für Verbraucherschutz der Fraktion Die Linke: Sie wollte vor allem wissen, wann mit dem Programm zu rechnen sei und ob dem Umweltministerium Erkenntnisse vorlägen, welche Auswirkungen das Insektensterben auf die insektenfressenden Tiere habe.

In ihrer Antwort machte Schulze klar, dass der dramatische Rückgang der Insekten selbstverständlich neben der fehlenden Bestäubung von Blüten auch für die ganze Nahrungskette Folgen habe. “Wir merken jetzt schon, dass zum Beispiel die Anzahl der Vögel sinkt. Früher kannten wir Lärchen und Kiebitze – diese Arten sind enorm unter Druck.„ Deshalb sei das Aktionsprogramm so wichtig: “Wir wollen mehr Lebensräume für Insekten. Die Landwirtschaft muss sich ändern und weniger Pflanzenschutzmittel einsetzen.„ Außerdem sei geplant, gegen Lichtverschmutzung vorzugehen und die Forschung auszudehnen, kündigte Schulze an. Derzeit befinde sich der Entwurf in der Kabinettsabstimmung.

Grüne: Glyphosat endlich verbieten

Harald Ebner, Sprecher für Gentechnik- und Bioökonomiepolitik von Bündnis 90/Die Grünen, fragte die Ministerin in diesem Zusammenhang nach ihrer erneuten Forderung nach einem Verbot des Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat. “Wann kommt denn der Ausstieg? Zuletzt ist doch genau das Gegenteil passiert.„ Die Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) habe immer wieder Verlängerungen und sogar Neuzulassungen von Glyphosat-Produkten ermöglicht, monierte der Abgeordnete. “Wie setzen Sie sich gegen diese entgegengesetzte Politik des Agrarministeriums durch?„

Schulze stellte klar, dass Glyphosat aufgrund seiner schädigenden Wirkung für die Lebensgrundlagen von Insekten verboten werden müsse. Sie erinnerte aber auch an das noch laufende europäische Genehmigungsverfahren. Zuletzt sei der Wirkstoff unter Mitwirkung des früheren Landwirtschaftsministers Christian Schmidt (CSU) noch einmal zugelassen worden. “Wir können deshalb glyphosathaltige Mittel noch nicht vollständig verbieten, aber wir können den Einsatz reduzieren und schon jetzt festlegen, wie wir aussteigen wollen„, erklärte Schulze. Deshalb wolle sie, dass Landwirte, die Glyphosat einsetzen, im Gegenzug Ausgleichsflächen vorhalten müssen. In dieser Frage sei sich die Regierung allerdings uneins, räumte die Ministerin ein, anders als in der Frage des Verbots von Glyphosat: “Da ist der Koalitionsvertrag eindeutig.„ (sas/08.05.2019)

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