De Maizière: Westbalkan, Senegal, Ghana weiterhin sichere Herkunftsstaaten
Die Bundesregierung sieht die Voraussetzungen zur Einstufung der Westbalkan-Staaten sowie von Senegal und Ghana als sichere Herkunftsstaaten weiterhin gegeben, das geht aus ihrem aktuellen Lagebericht zur Situation in diesen Ländern hervor. „Es gibt in keiner Hinsicht Anhaltspunkte für eine Änderung“, sagte Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière (CDU) am Mittwoch, 13. Dezember 2017, im Rahmen der Regierungsbefragung des Bundestages. Der Minister hatte zum Auftakt der Befragung im Plenum die zentralen Ergebnisse des Reports zur Überprüfung der Voraussetzungen zur Einstufung als sichere Herkunftsstaaten bezeichneten Staaten vorgestellt. Zur Vorlage eines solchen Prüfberichts ist die Bundesregierung laut Asylgesetz alle zwei Jahre verpflichtet.
Lage in Herkunftsstaaten im Blick
Der jetzt vom Innenministerium vorgelegte Lagebericht ist der erste Bericht dieser Art und bezieht sich auf den Zeitraum 1. Oktober 2015 bis 31. Juli 2017. „Er beleuchtet die gesellschaftliche und politische Situation ebenso wie die rechtliche Lage und tatsächliche Rechtsanwendung in den Staaten“, erklärte de Maizière.
Als Grundlage dienten insbesondere Lageberichte des Auswärtigen Amtes sowie die Asylstatistik. Nach deren Auswertung sei das Ergebnis eindeutig, so der Minister: „Alle acht Staaten erfüllen die Voraussetzungen zur Einstufung als sichere Herkunftsstaaten.“
Weniger Asylsuchende vom Westbalkan, aus Senegal und Ghana
Überall sei gewährleistet, dass keinerlei Verfolgung, Folter oder Bedrohung durch innerstaatliche Konflikte drohe. Dass die Westbalkan-Staaten (Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Mazedonien, Montenegro, Serbien), Senegal und Ghana sichere Herkunftsstaaten seien, spiegele auch die Anerkennungsquote von Asylanträgen in Deutschland wider, so de Maizière: „90 Prozent der Anträge von Angehörigen dieser Staaten haben keine Aussicht auf Erfolg.“
Insgesamt habe sich im Berichtszeitraum die Zahl der Asylsuchenden aus diesen Ländern verringert und die Dauer des Asylverfahrens deutlich verkürzt. „Das Konzept der sicheren Herkunftsstaaten wirkt“, so der Bundesinnenminister. Innerhalb der EU verwendeten 16 Staaten dieses Instrument, so der CDU-Politiker. Deutschland habe eine vergleichsweise kurze Liste: „Die Niederlande haben zum Beispiel 25 Staaten als sichere Herkunftsstaaten eingestuft, Frankreich 16, Österreich sogar 19 Staaten.“
Beschleunigtes Verfahren lässt Bewerberzahlen sinken
Marian Wendt (CDU/CSU) bat als erster Fragesteller den Bundesinnenminister zu erläutern, was aus Sicht der Bundesregierung dazu beigetragen habe, dass die Zahl der Schutzsuchenden aus den sicheren Herkunftsstaaten gesunken sei. „Welche Faktoren waren ursächlich dafür verantwortlich?“, so die Frage des Abgeordneten. De Maizière betonte, dass die Einstufung der Staaten ein politisches Signal mit rechtlichen Folgen gewesen sei: So seien unter anderem Fristen verkürzt worden, Klagen hätten keine aufschiebende Wirkung mehr.
Insgesamt, so der Minister, habe das im Rahmen des Asylpakets II beschleunigte Verfahren, das auch die Unterbringung und Abschiebung aus „besonderen Aufnahmeeinrichtungen“ vorsieht, dazu beigetragen, die Zahl der Asylsuchenden zu reduzieren.
„Maghreb-Staaten zu sicheren Herkunftsstaaten erklären“
Der AfD-Abgeordnete Dr. Gottfried Curio wollte wissen, wann die Bundesregierung gedenke, die nordafrikanischen Maghreb-Staaten ebenfalls zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären. „Und falls nicht: Welche Maßnahmen sind stattdessen geplant?“
Der Bundesinnenminister verwies darauf, dass die Bundesregierung bereits in der vergangenen Legislaturperiode die Auffassung vertreten habe, dass Tunesien, Marokko und Algerien die Voraussetzungen erfüllten, um als sichere Herkunftsstaaten eingestuft zu werden. Eine entsprechende gesetzliche Regelung habe der Bundestag auch beschlossen – allein der Bundesrat habe seine Zustimmung verweigert. Der Thematik werde sich die neue Bundesregierung wieder widmen. Ob sie einen neuen Gesetzentwurf einbringen werde, sei aber noch nicht beschlossen.
„Einstufung kehrt Beweislast im Asylverfahren um“
Stefan Thomae (FDP) knüpfte an die Aussage de Maizières an, mit der Einstufung der Westbalkan-Staaten, von Senegal und Ghana als sichere Herkunftsstaaten sei die Zahl der Asylsuchenden aus diesen Ländern gesunken. „Die Einstufung der Staaten hat Auswirkungen auf das Asylverfahren. Sie stellt eine Umkehrung der Beweislast dar“, stellte der Liberale fest. Asylanträge von Staatsangehörigen sicherer Herkunftsstaaten würden als offensichtlich unbegründet abgelehnt, solange dies nicht widerlegt werden kann. „Mit welchen Maßnahmen stellt denn die Bundesregierung sicher, dass die Schutzsuchenden tatsächlich eine Chance haben, diese Beweislast anzutreten?“, fragte Thomae.
De Maizière verwies in seiner Antwort auf die Anerkennungsquote: Dass diese schwanke, sei ein „sicheres Indiz“ dafür, dass das individuelle Recht auf Asyl nicht beschnitten worden sei. „Es ist weiterhin möglich, dass einzelnen Schutzsuchenden aus sicheren Herkunftsländern Asyl gewährt wird“, so der Innenminister.
„Nichtregierungsorganisationen wurden nicht einbezogen“
Ulla Jelpke (Die Linke) hakte nach, warum sich die Beurteilung der Lage in den als sicher eingestuften Herkunftsstaaten hauptsächlich auf die Lageberichte des Auswärtigen Amtes stütze. „Warum wurden keine NGOs einbezogen?“, erkundigte sich die Abgeordnete.
De Maizière räumte ein, dass sich die Einschätzung der Situation auf den Lageberichten des Auswärtigen Amtes beruhe – es seien aber auch andere Ministerien wie etwa das Bundesministerium für wirtschaftliche Entwicklung miteinbezogen worden. Die Sicht von Nichtregierungsorganisationen fließe aber grundsätzlich auch in die Lageberichte des Auswärtigen Amtes ein, so der Innenminister.
„Ghana und Senegal keine sicheren Herkunftsstaaten“
Filiz Polat (Bündnis 90/Die Grünen) kritisierte die seit 1993 bestehende Einstufung von Senegal und Ghana als sicherere Herkunftsstaaten. Davon könne insbesondere angesichts der Verfolgung von Schwulen und Lesben nicht die Rede sein, betonte die Abgeordnete und fragte: „Welche Erkenntnisse zieht die Bundesregierung aus dem Umstand, dass zum Zeitpunkt der Einstufung der Länder als sicherere Herkunftsstaaten die Verfolgung aufgrund der sexuellen Orientierung noch kein Asylgrund war?“
De Maizière verwies hier auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes aus dem Jahr 2013. Danach haben homosexuelle Flüchtlinge Anspruch auf Asyl, wenn ihnen in ihrer Heimat Verfolgung wegen ihrer sexuellen Orientierung droht. Dies gelte aber nur, so der Bundesinnenminister, wenn in den jeweiligen Herkunftsländern der Flüchtlinge tatsächlich auch Haftstrafen wegen homosexueller Handlungen verhängt werden.
Im Maghreb richteten sich Strafen beispielsweise vor allem gegen Organisationen, die sich für Homosexuelle einsetzten, eine systematische Verfolgung von Einzelpersonen hingen finde nicht statt. Ähnlich sei dies in Ghana und Senegal: „Der bloße Umstand, dass es in einem Land diskriminierende Gesetze gibt, ist kein Beweis dafür, dass einem homosexuellen Asylbewerber bei einer Rückkehr politische Verfolgung oder gravierende Menschenrechtsverletzungen konkret drohen.“ (sas/13.12.2017)