Sozialminister Hubertus Heil: Rentenpaket wird ein Kraftakt
Doppelte Haltelinien für das Rentenniveau und den Beitragssatz bis 2025, Ausweitung der Mütterrente und Verbesserungen für Erwerbsminderungsrentner und Geringverdiener – als dies hat sich die Bundesregierung mit ihrem Gesetzentwurf (19/4668) vorgenommen. Der Entwurf mit dem etwas sperrigen Titel RV-Leistungsverbesserungs- und Stabilisierungsgesetz wurde am Freitag, 12. Oktober 2018, erstmals im Bundestag debattiert, ebenso wie ein Antrag der Linken zur vollständigen Gleichstellung aller Kindererziehungszeiten bei der Rente (19/29) und ein Antrag der AfD-Fraktion für ein Ende der Anrechnung der Mütterrente auf die Grundsicherung im Alter (19/4843). Alle drei Vorlagen überwies der Bundestag zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Arbeit und Soziales.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Die Bundesregierung plant, in der gesetzlichen Rentenversicherung eine doppelte Haltelinie für das Sicherungsniveau vor Steuern bei 48 Prozent und den Beitragssatz bei 20 Prozent einzuführen. Diese Haltelinien sollen vorerst bis 2025 gelten. Weiterer Bestandteil des Gesetzes ist eine bessere Absicherung bei verminderter Erwerbsfähigkeit. So soll die Zurechnungszeit für Rentenzugänge im Jahr 2019 in einem Schritt auf das Alter von 65 Jahren und acht Monaten verlängert werden.
Ferner sollen Elternteile künftig für die Erziehung von vor 1992 geborenen Kindern ein weiteres halbes Jahr Erziehungszeit anerkannt werden. Um Geringverdiener bei den Sozialabgaben zu entlasten, soll die Obergrenze der Beitragsentlastung auf 1.300 Euro angehoben werden, ohne dass dies zu reduzierten Rentenleistungen führt.
Minister: Stabiles Rentenniveau nützt den Jüngeren
Hubertus Heil (SPD), Bundesminister für Arbeit und Soziales, betonte, durch dieses Rentenpaket würden die Generationen nicht gegeneinander ausgespielt, weil das stabile Rentenniveau den Älteren und die Betragsstabilisierung wiederum den Jüngeren nütze.
Gegen die Kritik, die sich vor allem auf die enormen Kosten bezieht, wehrte sich Heil: „Ja, es wird ein Kraftakt. Aber all das Gerede vom Zusammenhalt ist nichts wert, wenn der Sozialstaat nicht verlässlich ist“, sagte er.
AfD: Das sind keine Verbesserungen
Ulrike Schielke-Ziesing (AfD) konnte das nicht überzeugen. Im Gegenteil könne von einer Leistungsverbesserung keine Rede sein, denn der Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung sinke nicht so, wie es gesetzlich vorgesehen wäre. Dadurch würde den Bürgern die private Vorsorge erschwert.
Sie kritisierte außerdem, dass die Rentenversicherung schon seit Jahren mit versicherungsfremden Leistungen belastet werde und nun neue versicherungsfremde Leistungen hinzukämen.
CDU/CSU: Wir betreiben Vorsorge für die Zukunft
„In der Tat profitieren wir momentan von einer außergewöhnlich guten Finanzlage der Rentenversicherung“, betonte Peter Weiß (CDU/CSU). Aber mit dem Rentenpaket würden nicht nur Leistungen ausgeweitet, sondern es werde auch Vorsorge für die Zukunft betrieben, indem der Bundeszuschuss ab 2022 deutlich erhöht werde. „Das stabilisiert die Finanzen der Rentenversicherung.“
Weiß stellte darüber hinaus die Frage, ob es sich bei der Mütterrente und der Erwerbsminderungsrente überhaupt um „versicherungsfremde“ Leistungen handelt und verneinte die Frage im Anschluss gleich selbst.
FDP: Kehren Sie um!
Johannes Vogel (FDP) forderte die Bundesregierung auf: „Kehren Sie um. Besinnen Sie sich auf die Rentenpolitik eines Franz Müntefering.“ Er warf der Regierung vor, die Rentenformel zulasten der Jüngeren manipulieren zu wollen, indem sie den Nachhaltigkeitsfaktor aussetze.
Zu allem Übel würden all die Maßnahmen, deren Kosten explodieren, gar nicht zielgerichtet Altersarmut bekämpfen, kritisierte Vogel. „Wie sollen die Jüngeren das bezahlen? Etwa durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer? Diese Fragen müssen Sie beantworten!“
Linke: Wir brauchen eine Erwerbstätigenversicherung
Matthias W. Birkwald (Die Linke) rechnete vor, wie der Anteil am Bruttosozialprodukt, der den Rentnern zugutekomme, in den vergangenen 20 Jahren kontinuierlich gesunken ist und schlussfolgerte: „Wir haben nicht zu viel Geld für die Rentner, sondern zu wenig.“
Er verwies auf die deutlich höheren Durchschnittsrenten in Österreich, dessen Rentensystem bis 2050 solide finanziert sei, weil alle Erwerbstätigen darin einzahlten. „Das können wir auch“, forderte er.
Grüne: Sie fahren mit dem Schlauchboot aufs offene Meer
Markus Kurth (Bündnis 90/Die Grünen) sagte in Bezug auf die Finanzierung des Rentenpakets: „Wenn man sich auf große Fahrt begibt, sollte man genügend Proviant mitnehmen.“ Die Bundesregierung wolle aber offenbar mit einem Schlauchboot aufs offene Meer hinaus.
„Wieder einmal greifen Sie auf die Rücklagen der Beitragszahler zurück“, lautete sein Vorwurf. Natürlich schließe die Mütterrente eine Gerechtigkeitslücke, aber dennoch wirke das überhaupt nicht zielgerichtet gegen Altersarmut, sagte Kurth.
SPD: Nichtstun kostet politisches Vertrauen
Ralf Kapschack (SPD) verteidigte die Pläne: „Es ist eine politische Entscheidung darüber, wie wir uns die Alterssicherung für die Menschen vorstellen. Und es kostet politisches Vertrauen, wenn wir nichts tun.“
Würde das Rentenniveau weiter sinken, müssten die Beschäftigten noch länger arbeiten, warnte er. Kapschack kündigte an, mit dem Einbezug der Selbstständigen in die Rentenversicherung im nächsten Jahr „machen wir einen ersten Schritt hin zu einer Erwerbstätigenversicherung“. (che/12.10.2018)
Linke: Gleichstellung der Erziehungszeit bei Mütterrente
Die Fraktion Die Linke fordert in ihrem Antrag die vollständige Gleichstellung aller Kindererziehungszeiten bei der Mütterrente. Bisher werden die Kindererziehungszeiten für vor 1992 geborene Kinder mit zwei Entgeltpunkten bei der Rente berücksichtigt. Für nach 1992 geborene Kinder gibt es drei Entgeltpunkte.
Die Linke fordert nun drei Entgeltpunkte für alle Erziehungszeiten. Außerdem verlangt sie, dass die sogenannte Mütterrente aus Steuermitteln finanziert wird.
AfD: Mütterrente bei Grundsicherung nicht anrechnen
Die Fraktion der AfD legt aller Voraussicht ebenfalls einen Antrag vor, der die Anrechnungsfreistellung der Mütterrente beziehungsweise Rente für Kindererziehungszeiten bei der Grundsicherung im Alter fordert.
Es erscheine fair den Müttern gegenüber, die Renten für Erziehungszeiten im Rahmen der aufstockenden Grundsicherung im Alter nicht voll anzurechnen, schreibt die Fraktion. Durch eine angemessene Freistellung der Renten werde die Altersarmut gezielt bekämpft. Mit einer Einkommensfreibetragslösung würden sich die Änderungen bei der Mütterrente auch bei den armen Rentnerinnen auswirken. (che/hau/eis/12.10.2018)