Parlamentarier streiten über Ausschreitungen in Chemnitz und Maaßen
Die rechtsextremistischen Ausschreitungen in Chemnitz und der Umgang der Regierungskoalition mit den umstrittenen Äußerungen von Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen zu den Vorfällen haben am Donnerstag, 27. September 2018, im Bundestag zu einer heftigen Kontroverse geführt. Während der AfD-Abgeordnete Gottfried Curio in einer von seiner Fraktion beantragten Aktuellen Stunde Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel (CDU) vorwarf, sie diffamiere „lieber zu Recht empörte Demonstranten, als die Gewalttaten zu verhindern, derentwegen demonstriert wird“, verurteilten Vertreter anderer Fraktionen scharf die Übergriffe in der sächsischen Stadt nach der mutmaßlich von Migranten verübten Tötung eines 35-Jährigen.
Regierung: Demokratische Kräfte müssen zusammenstehen
Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Stephan Mayer (CSU), sagte, natürlich müsse man Verständnis haben für Menschen, die „aufgrund dieses Todes betroffen waren und die deshalb ihre Trauer und ihr Mitgefühl zum Ausdruck bringen wollten“. Erschreckend sei indes „die Mobilisierungsfähigkeit der Rechtsextremisten“. So sei es zu Vorfällen gekommen, „die eindeutig als fremdenfeindlichen oder rechtsextremistisch“ einzustufen seien und konsequent verfolgt und bestraft werden müssten.
Mayer fügte hinzu, die Ereignisse in Chemnitz hätten bewusst gemacht, wie weit die „Anschlussfähigkeit rechtsextremer Bewegungen an bürgerlichen Protest bereits fortgeschritten ist“. Deshalb sei das „Zusammenstehen der demokratischen Kräfte“ notwendig. Mit Blick auf Maaßens Wechsel ins Bundesinnenministerium sagte er, dieser sei ein „außerordentlich verdienter, erfahrener und hoch kompetenter Sicherheitsexperte“, und begrüßte, dass Maaßen dem Ministerium weiter erhalten bleibe.
AfD kritisiert den Fall Maaßen als „Affentheater“
Curio nannte das Vorgehen der Koalitionsspitzen im Fall Maaßen ein „Affentheater“. Eine „Hetzjagd“ habe es nicht in Chemnitz gegeben, sondern auf Maaßen.
Dieser müsse als Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) gehen, weil er sich nicht „linker Deutungshoheit“ unterwerfe. „Wer an Merkels Wahrheitsmonopol rüttelt, wird abserviert“, fügte der AfD-Abgeordnete hinzu.
FDP: Rechten argumentativ den Boden entziehen
Der FDP-Parlamentarier Wolfgang Kubicki sagte mit Verweis auf Bilder von Neonazis in Chemnitz, die AfD habe eine „besondere Verantwortung“, weil sie einen „Resonanzboden“ dafür abgegeben habe, „dass solche Leute glaubten, sich öffentlich so präsentieren zu dürfen“.
Kubicki kritisierte zugleich die Diskussion über die Definition des Begriffs „Hetzjagd“ und rief dazu auf, „den Rechten argumentativ den Boden“ zu entziehen.
SPD: Maaßen hat die Ereignisse von Chemnitz verharmlost
Der SPD-Abgeordnete Uli Grötsch sagte, Maaßen habe die Ereignisse von Chemnitz offensichtlich verharmlost. Aufgabe des Verfassungsschutzes sei es aber nicht, „Politik zu machen und schon gar nicht tendenziöse Politik“.
Die „größte Gefahr für den Zusammenhalt in diesem Land“ sitze neuerdings „hier in diesem Haus“. Dies müsse das BFV künftig erkennen, fügte Grötsch hinzu und forderte die Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz.
Linke befürwortet Entlassung Maaßens
Dagegen betonte für Die Linke ihr Parlamentarier Jan Korte, keinen Verfassungsschutz zu brauchen, um bei der AfD ein „Rechtsextremismusproblem“ zu erkennen. Zum Fall Maaßen sagte er, es habe Grund genug gegeben, diesen „rauszuschmeißen“.
Der Umgang der Koalitionsspitzen mit dieser „aberwitzigen Causa“ habe aber die Politik in einer Art und Weise beschädigt, wie man es sich nicht schlimmer ausdenken könne.
Grüne fordern Umgestaltung des Verfassungsschutzes
Die Grünen-Abgeordnete Monika Lazar warb dafür, den Verfassungsschutz umzugestalten. Ein eigenständiges Institut zum Schutz der Verfassung solle Strukturen verfassungsfeindlicher Bestrebungen erkennen und wissenschaftlich analysieren.
Ein Amt für Gefahrenerkennung und Spionageabwehr solle „für die Aufklärung verfassungsfeindlicher Bestrebungen im Umfeld konkreter Gefahren zuständig sein, die durch die Analyse offen zugänglicher Quellen“ nicht mehr geleistet werde.
CDU/CSU: Rechts- wie Linksextremisten bekämpfen
Der CDU-Parlamentarier Mathias Middelberg mahnte, Rechts- wie Linksextremisten „knallhart“ zu bekämpfen, „genauso wie andere Extremisten“.
Zum Fall Maaßen sagte er, dieser habe einen Fehler gemacht. Es wäre klüger gewesen, seine Bedenken intern „seinem zuständigen Minister vorgetragen“, statt sich an die Medienöffentlichkeit zu wenden. Alle weiteren gegen Maaßen erhobenen Vorwürfe seien dagegen „gegenstandslos“. (sto/27.09.2018)