Die Betriebsverfassung muss modifiziert werden, darin sind sich Interessenvertreter von Arbeitgebern und Arbeitnehmern einig. Die Ansätze unterscheiden sich jedoch enorm. Das wurde am Montag, 25. Juni 2018, in einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales unter Leitung von Matthias W. Birkwald (Die Linke) deutlich. Gegenstand der Anhörung waren die Anträge der Fraktion Die Linke (19/860) und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (19/1710), die beide eine Erleichterung der Betriebsratswahlen in den Fokus stellen.
„Win-Win-Situation“
Das vereinfachte Wahlverfahren mit einer Mehrheits- beziehungsweise Personenwahl würde eine „Win-Win-Situation“ für Arbeitnehmer und Arbeitgeber darstellen, so der Sachverständige Nils Kummert, Anwalt für Arbeitsrecht.
Es wäre weniger kostenintensiv und aufwendig, was Arbeitnehmern zugute komme. Das Personenwahlverfahren sei zudem schneller abgewickelt und auch bei Arbeitnehmern beliebter.
„Vereinfachtes Wahlverfahren ist nicht einfach“
Dem stimmte auch der Prof. Dr. Rüdiger Krause zu: „Ein vereinfachtes Wahlverfahren würde Hürden absenken.“ Die personenbezogene Wahl sei zudem für Betriebe mit bis zu 200 Beschäftigten noch tragbar und die Vorschläge der Fraktionen somit positiv zu bewerten. Auch die Vertreter des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) forderten eine entsprechende Ausweitung und die Möglichkeit, das Verfahren auch bei größeren Betrieben anzuwenden.
Roland Wolf, Vertreter der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), widersprach den Vorstößen jedoch. Er betonte: „Das vereinfachte Wahlverfahren ist nicht einfach.“ Er befürwortete hingegen eine Stärkung der Betriebsverfassung durch eine generelle Entschleunigung von Verfahren und eine Entschlackung der Betriebsverfassung. Dies könnte die Betriebsverfassung auch an die digitale Arbeitswelt anpassen, so Wolf.
„Sanktionsregime anpassen und modifizieren“
Eine Ausweitung und Verschärfung von Richtlinien der Betriebsverfassung, insbesondere in Bezug auf Sanktionsmechanismen bei der Erschwerung von Betriebsratswahlen, forderte hingegen Ralf-Peter Hayen vom DGB: „Das Sanktionsregime muss angepasst und modifiziert werden, weil es den europäischen Standards nicht mehr entspricht.“ Es solle darum erhöhte Bußgelder geben.
Die Vertreter des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung sowie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln konnten die Wirksamkeit oder Notwendigkeit einer Verschärfung des Strafrahmens nicht mit empirischen Daten belegen.
„Betriebsratsmitglieder sind bereits geschützt“
Des Weiteren wurde ein erweiterter Sonderkündigungsschutz, wie in den Anträgen von Grünen und Linken vorgeschlagen, diskutiert. Der Vertreter des BDA lehnte dies ab: Eine Änderung der geltenden Rechtslage sei nicht notwendig, denn Betriebsratsmitglieder seien bereits geschützt.
Dem widersprach der Sachverständige Kummert mit Beispielen aus seiner Praxis als Anwalt für Arbeitsrecht. Die neuralgische Phase sei die sensible Anfangsphase. In der Planungsphase, also vor der offiziellen Bekanntgabe der Wahl, gebe es für die Beteiligten jedoch noch keinen Schutz Auch die Vertreter des DGB kritisierten den bisherigen Stand als unzureichend: „Der Kündigungsschutz der Wahlvorstandsbewerber und Wahlinitiatoren muss ausgebaut werden“, so die Forderung des DGB.
Antrag der Linken
Die Linke fordert in ihrem Antrag, Betriebsratswahlen zu erleichtern und Betriebsräte besser zu schützen. In neun von zehn Betrieben, die die Voraussetzungen erfüllen, gebe es keinen Betriebsrat. Gute Arbeit sei aber mitbestimmt, denn die Beteiligung der Beschäftigten stelle sicher, dass der Wandel der Arbeitswelt nicht allein den Arbeitgebern und ihrer Profitlogik überlassen werde, schreibt Die Linke.
Deshalb solle die Bundesregierung einen Gesetzentwurf vorlegen, der unter anderem das vereinfachte Wahlverfahren für Betriebsräte ausdehnt, deren formelle Arbeitsbedingungen verbessert und ihren Kündigungsschutz ausbaut.
Antrag der Grünen
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen will Betriebsratswahlen erleichtern und aktive Betriebsräte besser schützen. Die „weißen Flecken der betrieblichen Mitbestimmung“ sollen dadurch kleiner werden, schreiben die Abgeordneten. Unter anderem solle es der Arbeitnehmerseite erleichtert werden, zwischen dem vereinfachten und dem allgemeinen Wahlverfahren zu wählen.
Arbeitnehmer, die Betriebsratswahlen in einem Betrieb erstmalig initiieren wollen, sollen dies bei einer unabhängigen Stelle ankündigen können und ab diesem Zeitpunkt nach den Vorgaben des Betriebsverfassungsgesetzes geschützt werden. Auch für befristet Beschäftigte, die in einen Betriebsrat gewählt werden, sollen die Schutzbestimmungen erweitert werden. Außerdem sollen die rechtlichen Hürden für Online-Betriebsratswahlen beseitigt und eine Meldepflicht eingeführt werden, um Betriebsräte künftig besser statistisch erfassen zu können, fordern die Grünen. (mtr/che/25.06.2018)
Liste der geladenen Sachverständigen
- Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände
- Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V.
- Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung
- Deutscher Gewerkschaftsbund
- Prof. Dr. Rüdiger Krause, Göttingen
- Nils Kummert, Berlin
- Micha Heilmann, Hamburg
- Kurt Schreck, Erlenbach
- Dr. Luitwin Mallmann, Düsseldorf
- Andrea Techlin, Berlin
- Dr. Martin Behrens, Privatdozent, Düsseldorf