Kontroverse um die Zukunftsfähigkeit durch Bildung und Forschung
Deutliche Meinungsunterschiede der Fraktionen zeigten sich am Freitag, 29. Juni 2018, bei der Beratung des Antrags der FDP-Fraktion „Zukunftsfähigkeit Deutschlands sichern – Bildung und Forschung in den Mittelpunkt stellen“ (19/2988). Dr. Petra Sitte (Die Linke), Kai Gehring (Bündnis 90/Die Grünen) und auch Oliver Kaczmarek (SPD) kritisierten den FDP-Antrag, da sich in ihm zwar der Satz „Bildung ist die soziale Frage unserer Zeit“ finde, dieser jedoch nicht durch sozialpolitische Maßnahmen zu mehr Chancengleichheit flankiert werden würde.
FDP für bundeseinheitliche Bildungsstandards
Katja Suding (FDP), sagte, die Neuauflage der Großen Koalition habe „keinen Gestaltungswunsch, unser Land in drängenden Zukunftsfragen voranzubringen“. Suding wies darauf hin, dass Kinder, die aus einem Nichtakademikerhaushalt stammen, deutlich schlechtere Chancen als noch vor wenigen Jahren hätten, und auch die Ungleichheit zwischen den Regionen deutlich zunehme.
Sie forderte bundesweit einheitliche und ambitionierte Bildungsstandards für mehr Qualität sowie die Umsetzung des bereits 2016 angekündigten Digitalpakts Schule. Suding kritisierte, dass bislang fast keine Schule ans Breitband angeschlossen sei. Zudem forderte sie, dass die Politik mehr Innovationen fördern müsse. Deutschland verliere bei der Künstlichen Intelligenz den Anschluss. Sie warnte: „Wenn wir nicht endlich Tempo machen, ist Deutschland innerhalb weniger Jahre nicht mehr wettbewerbsfähig.“
Grundsätzlich sprach sich Suding dafür aus, das Kooperationsverbot von Bund und Ländern in der Bildungspolitik weiter abzuschwächen. Wie später auch Kai Gehring beanstandete sie, dass die Kabinettsvorlage der Großen Koalition zu wenig umfassend sei.
CDU/CSU: Brauchen mehr Mut und Wagniskultur
Dr. Wolfgang Stefinger (CDU/CSU) sagte: „Unser Ziel ist es, die Zukunftsfähigkeit Deutschlands zu sichern.“ Er verwies darauf, dass der Etat des Bundeshaushalts für Bildung und Forschung seit 2005 um 132 Prozent gestiegen sei – von damals 7,5 Milliarden Euro auf nunmehr 17,6 Milliarden Euro. Ziel sei es, den erfolgreichen Kurs fortzusetzen und die Hightech-Strategie, den Pakt für Forschung und Innovation oder auch die Kompetenzzentren für die Sicherheitsforschung weiter zu führen und zu stärken.
Die Spitzenstellung Deutschlands unter den führenden Innovationsnationen solle gehalten werden. Gleichwohl mahnte auch Stefinger, dass Deutschland mehr Mut zum Risiko und mehr Wagniskultur brauche.
AfD: Einfluss profitorientierter Firmen unterbinden
Dr. Götz Frömming (AfD) kritisierte den Antrag der FDP als „aufgesetzt“. Bildung habe seit dem sogenannten Siegeszug der Kompetenzen, die auch die FDP in ihrem Antrag erwähne, nur noch am Rande mit Wissen zu tun. „Die Methodik ersetzt die Didaktik, technische Geräte das eigene Denken und Bildung droht zur mess- und verwertbaren Ware zu verkommen.“
Frömming warnte vor „Lobbyorganisationen“ wie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und dem „Pisa-Konsortium“. Deutschland müsse den Einfluss von „profitorientierten Firmen“ auf das Bildungssystem unterbinden, dem „weltweit zunehmenden Bildungskolonialismus“ müsse ein Riegel vorgeschoben werden.
Es müsse wieder mehr den Lehrern als den Algorithmen der Testindustrie vertraut werden. Pisa und die globale Bildungsindustrie bedrohten das nationale Bildungssystem, das unter dem Strich immer noch viel besser sei als das vieler anderer Länder.
SPD: Technischen Fortschritt menschenfreundlich gestalten
„Technischer Fortschritt muss menschenfreundlich gestaltet werden“, mahnte Oliver Kaczmarek (SPD). Aus technischem Fortschritt müsse sodann sozialer Fortschritt werden. „Mehr Freiheit, mehr Selbstbestimmung, aber immer auf der Grundlage von gleichen Chancen“, unterstrich Kaczmarek und kritisierte damit den Antrag der FDP, der die „soziale Ungleichheit“ ausblende. Chancengleichheit bleibe die zentrale Herausforderung, so der Sozialdemokrat.
Gleichzeitig sprach sich Kaczmarek ebenso wie die FDP für eine Agentur der Sprunginnovationen aus. Gleichwohl zeigte er sich aber verwundert darüber, dass Hochschulen im Antrag der FDP keine Erwähnung fänden, da sie das Herzstück des deutschen Wissenschaftssystems seien. Deshalb wolle die Koalition die Basis des Wissenschaftssystems stärken und erweitern. Die Verstetigung des Hochschulpaktes sei ein wichtiges Signal an die Wissenschaftscommunity, denn sie verschaffe verlässliche Finanzierungsperspektiven. Der Hochschulpakt sei eine unerlässliche Basis für die Kraft des Wissenschaftssystems.
Linke: Technikfolgenabschätzung stärken
Dr. Petra Sitte (Die Linke) kritisierte den FDP-Antrag, da er sich vor allem den „technologischen und ökonomischen Anwendungsansprüchen“ zuwende. Zukunftsfähigkeit von Forschung verlange jedoch ein komplexeres Herangehen. Wissenschafts- und Technologieentwicklungen hätten sich erheblich beschleunigt.
Anwendungen, bei denen es Probleme gegeben habe, seien oftmals nur schwer umzukehren, würden aber unsere Epoche dominieren, „erst recht, wenn sie von marktbeherrschenden Unternehmen angeboten werden“. Gerade jetzt müssten „Technikfolgenabschätzung, Transformationsforschung und Nachhaltigkeitsforschung“ besonders gestärkt werden.
Grüne: Deutschland braucht Gründergeist
Kai Gehring (Bündnis 90/Die Grünen) sagte: „Die Regierungsparteien sind mitten im Wettlauf, wie man Deutschland von der Welt abschotten kann.“ Damit kritisierte er jedoch nicht nur die Große Koalition, sondern auch die AfD, und warb für die Freiheit des Wissenschaftssystems. Insgesamt sei der FDP-Antrag für eine bessere Bildungs- und Forschungspolitik enttäuschend. Es fehlten der FDP Konzepte, damit Bildung nicht länger vom Wohnort, dem Bildungsrad der Eltern oder einem Migrationshintergrund abhänge.
Das dreigliedrige Schulsystem nannte Gehring einen FDP-Ladenhüter. Zudem betonte er, dass Deutschland Wissenschaftsfreiheit brauche. Die Grünen setzten auf wissenschaftlichen Fortschritt, der Deutschland zum Pionier für soziale und ökologische Innovationen mache. „Deutschland braucht dringend bahnbrechende Innovationen und Gründergeist.“
Zudem unterstrich Gehring, dass die Hochschulen die Herzkammern des deutschen Wissenschaftssystems seien. Im FDP-Antrag habe er die Hochschulpolitik vermisst. Das sei eine hochproblematische Leerstelle, nicht nur bei der FDP, sondern auch bei der Bundesbildungsministerin. Er forderte eine Dynamisierung des Hochschulpaktes, damit sich die Schere zwischen außeruniversitären Forschungseinrichtungen und Hochschulen nicht weiter öffnet.„ (rol/29.06.2018)
Mit einem von der FDP eingebrachten Antrag mit dem Titel “Jetzt die Zukunftsfähigkeit Deutschlands sichern – Bildung und Forschung in den Mittelpunkt stellen„ (19/2988) hat sich der Bundestag am Freitag, 29. Juni 2018, erstmalig befasst. Die Vorlage wurde im Anschluss zur weiteren Beratung an den federführenden Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung überwiesen.
Antrag der FDP
Die FDP fordert, den Bildungsföderalismus grundlegend zu reformieren und Bund, Ländern und Kommunen eine enge Zusammenarbeit zu erlauben. Der Umzug in ein anderes Bundesland dürfe nicht länger ein Problem für Schüler und Eltern sein. Auch müsse die Bundesregierung durchsetzen, dass sich die Länder auch mit Eigenmitteln an der Digitalisierung der Schulen beteiligen.
Darüber hinaus verlangt die Fraktion ein Konzept, wie die Digitalisierung in der schulischen Bildung sozial gerecht gestaltet werden kann. Ein Sonderprogramm zur Förderung von Breitbandanschlüssen an Schulen müsse eingerichtet werden. Die Antrags- und Genehmigungsverfahren solcher Programme will die FDP entbürokratisieren, um mehr Schulträgern die Breitbandförderung zu ermöglichen. (sas/29.06.2018)