Bundestag debattierte Berufsbildungsbericht und Oppositionsanträge
Der Bundestag hat sich am Donnerstag, 26. April 2018, dem Thema berufliche Bildung gewidmet. Die Abgeordneten debattierten sowohl über den Berufsbildungsbericht 2018 der Bundesregierung (19/1740) als auch über drei Anträge aus den Reihen der Opposition. Im Anschluss wurden der Bericht und die zur weiteren Beratung an den federführenden Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung überwiesen.
Ministerin: Junge Menschen für berufliche Bildung begeistern
Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) sagte während der Debatte, dank der dualen Berufsausbildung gebe es in Deutschland mit nur sechs Prozent eine geringe Jugendarbeitslosigkeit. „Es gibt nur wenige Länder weltweit, in denen Jugendliche so gute Zukunftschancen haben wie hier in Deutschland“, sagte Karliczek.
Trotz aller Erfolge im Bereich der beruflichen Bildung, die auch durch die Zahlen im Berufsbildungsbericht belegt würden, müsse mehr getan werden, forderte sie. In den vergangenen Jahren sei sehr auf die Hochschulen geschaut worden, „wodurch die berufliche Bildung im Verständnis der jungen Menschen ein wenig ins Hintertreffen geraten ist“, räumte die Ministerin ein.
Künftig müsse es gelingen, mehr junge Menschen für die berufliche Bildung zu begeistern, forderte sie. Es müsse deutlich gemacht werden, dass akademische und berufliche Bildungswege gleichwertig seien. Dabei spiele auch die Mindestausbildungsvergütung eine Rolle. „Es gilt, soziale Schieflagen zu adressieren“, sagte Karliczek. Zudem müssten die Ausbildungsordnungen mit Blick auf die Digitalisierung der Arbeitswelt modernisiert und mehr kleine und mittlere Betriebe für die Ausbildung gewonnen werden.
AfD: Geplante Maßnahmen kommen zu spät
Nicole Höchst (AfD) sagte, der Berufsbildungsbericht, aber auch die vorgelegten Anträge zeigten, dass es eine breite Einigkeit in dem Ziel gebe, möglichst viele Jugendliche erfolgreich in Ausbildung zu bringen „und dort auch zu halten“. Allerdings würden die geplanten Maßnahmen zu spät kommen und zu kurz greifen.
Die AfD-Abgeordnete kritisierte zudem das deutsche Schulsystem. Deutschland leiste sich eine große Vielzahl von Abiturienten, die zu einer Vielzahl an Studienabbrechern führe, „weil die Hochschulreife unter dem Strich keine mehr ist“. Das derzeitige „ideologiebeseelte“ Schulsystem fahre die Bildungsnation Deutschland „laut krachend an die Wand“, sagte Höchst. Solange der schulische Unterbau nicht stimme, seien die gemachten Vorschläge „vor allem teuer und absehbar unwirksam“.
SPD fordert mehr Wertschätzung für berufliche Bildung
Es gelte den erfolgreichen Weg der dualen Bildung weiterzugehen und ihn zu intensivieren, sagte Rainer Spiering (SPD), der Bildungsministerin Karliczek für deren „SPD-pur“-Rede dankte. Spiering forderte zugleich mehr Wertschätzung für die berufliche Bildung, die sich auch in der Entlohnung ausdrücken müsse. „Wenn akademische und berufliche Berufe gleichwertig sein sollen, müssen sie auch in der Entlohnung gleichwertig sein“, betonte der SPD-Abgeordnete.
Die Berufsbildung, so Spiering, dürfe nicht in das Zentrum parteilicher Auseinandersetzung geraten, sondern müsse in den Fokus der gemeinsamen Interessen genommen werden. „Der Wirtschaftsstandort Deutschland lebt von der dualen Berufsausbildung“, machte er deutlich.
FDP: Brauchen Update für die berufliche Bildung
Das System der beruflichen Bildung sei etwas „in die Jahre gekommen“, befand Dr. Jens Brandenburg (FDP). Der Trend gehe zum Studium, während immer mehr Ausbildungsplätze offen blieben. „Das ist der Fachkräftemangel von morgen“, warnte der FDP-Abgeordnete. Zugleich verwies er auf die Folgen von Digitalisierung und Internationalisierung, die jeden Beruf veränderten. Den Ablauf „Schule, dann Lehre und dann ist man ausgelernt bis zur Rente“ gebe es nicht mehr. „Wir brauchen ein Update für die berufliche Bildung“, sagte Brandenburg.
Als „Service-Opposition“ biete seine Fraktion Vorschläge an, etwa die Exzellenzinitiative Berufliche Bildung. Außerdem müssten die Ausbildungsordnungen modernisiert werden. An Gymnasien sollte auch für die berufliche Ausbildung geworben werden, betonte Brandenburg. Schließlich soll es nach seinen Vorstellungen auch im Bereich der beruflichen Bildung internationale Austauschprogramme geben, „und nicht nur für Akademiker“.
Linke: Abbrecherquote viel zu hoch
Der Berufsbildungsbericht offenbare viele Probleme, sagte Birke Bull-Bischoff (Die Linke), darunter die „viel zu hohe Abbrecherquote“. Einer der wichtigsten Gründe dafür sei die viel zu niedrige Ausbildungsvergütung in einigen Branchen, sagte die Linken-Abgeordnete. „325 Euro monatlich für eine junge Frisörin ist keine Ausbildungsvergütung, sondern eine Zumutung und geht gar nicht“, urteilte sie. Benötigt werde daher eine „armutsfeste Mindestausbildungsvergütung“.
Kritisch bewertete Bull-Bischoff auch, dass der Anteil der ausbildenden Unternehmen auf unter 20 Prozent gefallen sei. Das habe auch mit finanziellen Belastungen gerade für kleine Unternehmen zu tun. Deshalb müsse darüber nachgedacht werden, wie es gelingen könnte, berufliche Ausbildung gemeinschaftlich zu finanzieren. „Wir fordern eine solidarische Umlagefinanzierung von beruflicher Ausbildung“, sagte die Linken-Abgeordnete.
Grüne: Gute Berufsorientierung wird benötigt
Über die berufliche Bildung werde zwar viel gesprochen „doch zu wenig getan“, befand Beate Walter-Rosenheimer (Bündnis 90/Die Grünen). Die Lage auf dem Ausbildungsmarkt sei keineswegs so rosig, wie es die Pressemeldungen aus dem Bildungsministerium darstellten. Tatsächlich werde jeder vierte Ausbildungsvertrag vorzeitig aufgelöst. Benötigt werde eine gute Berufsorientierung.
Walter-Rosenheimer sprach sich angesichts dessen für eine „klischeefreie“ Berufsberatung an jeder Schulen und jeder Schulform aus. Die Berufsorientierung müsse früher als bislang beginnen und die Eltern mit einbeziehen, forderte die Grünen-Abgeordnete.
CDU/CSU: Exportschlager weiterentwickeln
Nach Ansicht von Stephan Albani (CDU/CSU) zeigt der Berufsbildungsbericht die gute Qualität der beruflichen Bildung in Deutschland auf. Trotz Rückgang der Zahl der Schulabgänger steige die Nachfrage nach dualer Ausbildung.
Für diese positive Entwicklung, so Albani, habe die Koalition in der vergangenen Legislaturperiode auch einiges getan. Nun gelte es, diesen Exportschlager weiterzuentwickeln.
Zahl der Ausbildungsverträge leicht gestiegen
Laut dem Berufsbildungsbericht lag die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge im Berichtszeitraum erneut über 520.000 und ist im Vergleich zum Vorjahr leicht gestiegen. Insbesondere die positive Entwicklung der betrieblichen Angebote trage zu dieser Entwicklung bei, schreibt die Bundesregierung. Was das Verhältnis von Angebot und Nachfrage angeht, so stünden 100 Ausbildungssuchenden knapp 105 Ausbildungsangebote gegenüber.
Weitgehend konstant sei die Zahl der ausbildungsbeteiligten Betriebe. Deren die Quote liege aber zum ersten Mal unter 20 Prozent. Zu diesem Rückgang hätten vor allem Kleinstbetriebe beigetragen. Zugleich sei die Zahl der betrieblichen Ausbildungsplatzangebote um rund 10.000 gestiegen.
Antrag der FDP
Der von der FDP-Fraktion vorgelegte Antrag (19/1835) trägt den Titel „Ein Update für die berufliche Bildung – Exzellenzinitiative, Digitalisierung und flexible Ausbildungsstrukturen auf den Weg bringen“. Die FDP fordert die Bundesregierung auf, eine Exzellenzinitiative Berufliche Bildung auf den Weg zu bringen und die Chancen der Digitalisierung stärker für die Weiterentwicklung der beruflichen Bildung zu nutzen.
Berufsschulen sollten pro Schülerin oder Schüler mindestens 1.000 Euro über fünf Jahre erhalten, die sie möglichst frei zur Verbesserung ihrer digitalen Ausstattung verwenden können. Die FDP regt zudem die Gründung eines Zentrums für digitale Berufsbildung an, das etwa am Bundesinstitut für Berufsbildung angesiedelt sein könnte. Seine Aufgabe wäre die Beratung von Berufsschulen und ausbildenden Betrieben in der Konzeption und Umsetzung digitaler Ausbildungsangebote.
Antrag der Linken
Die Initiative der Linksfraktion (19/1830) fordert, Konsequenzen aus dem Berufsbildungsbericht zu ziehen, jungen Menschen eine gute Ausbildung zu ermöglichen und die Ausbildungsqualität zu verbessern. Allen jungen Menschen solle es ermöglicht werden, eine vollqualifizierende, mindestens dreijährige Ausbildung aufzunehmen. Durch eine solidarische Umlagefinanzierung sollen alle Betriebe für die Ausbildung junger Menschen in die Pflicht genommen werden. Gemeinsam mit den Kammern solle die Möglichkeit der überbetrieblichen Ausbildung verstärkt genutzt werden, um die Ausbildungsbeteiligung kleinerer Unternehmen zu erhöhen, die Qualität solcher Ausbildungen zu sichern und überbetriebliche Ausbildungen und Verbundausbildungen zu fördern.
Zudem will Die Linke, dass im Berufsbildungsgesetz eine Mindestausbildungsvergütung festgelegt wird, die einheitlich bei 80 Prozent der durchschnittlichen tariflichen Ausbildungsvergütungen aller Branchen des jeweiligen Ausbildungsjahres liegen soll. Auch sollten Berufsschulzeiten vollständig auf die betriebliche Ausbildungszeit angerechnet werden.
Antrag der Grünen
Die Grünen haben ihre avisierte Vorlage betitelt mit „Bildungsgerechtigkeit schafft Zukunftsfähigkeit – Aus- und Weiterbildung garantieren, Fachkräfte sichern“ (19/1795). Darin fordert die Fraktion die Bundesregierung auf, mit Sozialpartnern, Ländern und Kommunen über einen Berufsbildungspakt für Fachkräfte zu verhandeln. Darin solle der Bund eine Ausbildungsgarantie in der beruflichen Erstausbildung geben, damit benachteiligte Jugendliche die Chance auf einen direkten Einstieg in eine vollqualifizierende Ausbildung ohne Warteschleifen erhalten.
Die Fraktion will ferner, dass die Ausbildungsbeteiligung bei allen Betriebsgrößen gesteigert wird, um den „Sinkflug der Ausbildungsbetriebsquote“ umzukehren und mehr Betriebe für die duale Ausbildung zu gewinnen. Bei der beruflichen Weiterbildung plädieren die Grünen dafür, bundesgesetzlich einen Rechtsanspruch auf Weiterbildung und Qualifizierung zu verankern. (hau/26.04.2019)