Nach Ansicht der Opposition im Bundestag sind zu viele Fragen offen, dennoch wird sich die Bundeswehr nach dem Willen der Regierungsfraktionen CDU, CSU und SPD weiter am Kampf gegen den „Islamischen Staat“ (IS) in Syrien und dem Irak beteiligen. In namentlicher Abstimmung votierten am Donnerstag, 22. März 2018, 359 Abgeordnete für das veränderte und bis zum 31. Oktober 2018 befristete Mandat (19/1093, 19/1300) und 218 dagegen. Es gab 79 Enthaltungen. Der Auswärtige Ausschuss hatte mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der AfD, der Linken und von Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der FDP dem Plenum in einer Beschlussempfehlung (19/1300) empfohlen, den Antrag anzunehmen. Den Vorlagen lag außerdem ein Bericht des Haushaltsausschusses gemäß Paragraf 96 der Geschäftsordnung des Bundestages zu den Auswirkungen auf den Bundeshaushalt (19/1334) vor.
Linke, Bündnis 90/Die Grünen und AfD lehnten den Einsatz ab, die FDP enthielt sich. Zwei Entschließungsanträge von Linken (19/1343) und Grünen (19/1344 ) fanden keine Mehrheit. Kritik gab es seitens der Opposition vor allem an dem Umstand, dass das Mandat zwei in einem vereint und ihrer Auffassung nach in Teilen zu vage bleibt.
Den Irak und die internationale Koalition unterstützen
Neu ist, dass die Bundeswehr künftig mit bis zu 800 Soldaten die regulären irakischen Streitkräfte im Zentralirak beraten und ausbilden soll. Nach sieben Monaten soll der Bundestag erneut entscheiden, ob der Einsatz Erfolge zeigt und fortgesetzt werden soll. Parallel zunächst weiterlaufen soll die derzeitige Ausbildungsmission im Nordirak. Seit Januar 2015 bilden deutsche Soldaten dort kurdische Truppen (Peschmerga) im Kampf gegen den IS aus.
Die Bundesregierung hat darüber hinaus auch das Mandat im Rahmen der internationalen Anti-IS-Koalition „Operation Inherent Resolve“ in Syrien und dem Irak integriert. Deutschland unterstützt diese Operation von Jordanien aus durch die Bereitstellung von Tornado-Aufklärungsflugzeugen sowie von Tankflugzeugen für Luft-Luft-Betankungen von Kampfflugzeugen.
FDP lehnt Stabilisierungsmission im Zentralirak ab
„Das sind von der Aufgabenstellung her zwei völlig verschiedene Dinge“, kritisierte Alexander Graf Lambsdorff (FDP). Seine Fraktion unterstütze die Fortsetzung des „alten“ Anti-IS-Mandates mit dem Einsatz der Tornados ausdrücklich, das Mandat für die Stabilisierungsmission im Zentralirak könne sie jedoch nur ablehnen.
Es sei „unausgegoren, unpräzise“ und voller Unklarheiten. „Was ist mit den Peschmerga? Wo soll wer wie ausgebildet werden? Wie verschafft man sich ein verlässliches Lagebild?“, fragte Lambsdorff.
Grüne: Strategie und Ziele sind unklar
Fragen, die auch Alexander Neu (Die Linke) und Tobias Lindner (Bündnis 90/Die Grünen) beschäftigten. Der Irak brauche Unterstützung, befand Lindner. Der Aufbau von Sicherheitsstrukturen könne dafür ein wichtiger Beitrag sein.
„Aber gute Absichten und hehre Ziele allein machen ein zustimmungspflichtiges Mandat bei weitem nicht aus.“ Strategie und Ziele seien reichlich unklar. Der Einsatz in Syrien finde zudem nach wie vor ohne tragfähige völkerrechtliche Grundlage statt.
Linke warnt vor Fallstricken bei der Ausbildung
Alexander Neu wies darauf hin, dass die Bundeswehr Gefahr laufe, direkt oder indirekt auch Angehörige der schiitischen, paramilitärischen Volksmobilisierungseinheiten (Popular Mobilization Forces) auszubilden, von denen viele vom Iran finanziert würden.
„Einen solchen Blankoscheck für ein Mandat können wir nicht unterschreiben“, sagte Neu.
AfD: Regierung informiert das Parlament zu wenig
Nach Ansicht von Rüdiger Lucassen (AfD) hat die Bundesregierung dem Parlament zu wenig Informationen über die Details des Einsatzes im Irak zur Verfügung gestellt.
Offen geblieben sei beispielsweise, wie viele der 800 Soldaten tatsächlich für die Ausbildung eingesetzt werden sollen und bis wann wie viele irakische Soldaten mit der Ausbildung fertig sein sollen.
CDU/CSU: Fortgang der Mission wird genau überwacht
Dr. Johann Wadephul (CDU) räumte ein, dass es auch seiner Fraktion nicht leicht falle, dem Mandat zuzustimmen. Der Einsatz sei schwierig, der Erfolg nicht garantiert. Aber es gebe realistische Chancen, die konstruktiven Kräfte im Land zu stärken und an „die kleine Erfolgsgeschichte im Norden anzuknüpfen“.
Er sicherte zu, dass die Unionsfraktion den Fortgang der Mission genau überwachen werde, um über das weitere Vorgehen zu entscheiden.
SPD: Militärische Ausbildung ist wichtig für den Irak
Für die SPD sprach sich Siemtje Möller für den Einsatz aus. Die Bereitschaft zur Veränderung im Irak sei gegeben, urteilte sie. Die Bundeswehr könne das Land dabei begleiten und unterstützen.
Eine effektive militärische Ausbildung sei wichtig, damit sich der Irak künftig selbst gegen Bedrohungen wie den IS schützen könne.
Antrag der Bundesregierung
Die für den Einsatz vorgesehenen bis zu 800 deutschen Soldatinnen und Soldaten sollen längstens bis zum 31. Oktober 2018 entsandt werden können. Bisher standen für den Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS) bis zu 1.200 Soldatinnen und Soldaten zur Verfügung. Ziel sei es, den Irak und die internationale Koalition gegen den IS zu unterstützen, und zwar auf der Grundlage des Rechts auf kollektive Selbstverteidigung nach Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen im Rahmen der Resolutionen des UN-Sicherheitsrats.
Der deutsche Beitrag diene dazu, so die Bundesregierung in ihrem Antrag, die Terrororganisation IS in Syrien und im Irak nachhaltig zu bekämpfen und die internationale Anti-IS-Koalition zu unterstützen, indem Luftbetankung, vor allem luft- und raumgestützte Aufklärung, und Stabspersonal zur Verfügung gestellt werden. Darüber hinaus solle der Einsatz zur Stabilisierung des Iraks beitragen. Dazu zählten militärische Ausbildungslehrgänge (vor allem Ausbildung der Ausbilder) und Maßnahmen des „Fähigkeitsaufbaus“ (Capacity Building) für die regulären irakischen Streit- und Sicherheitskräfte mit einem Fokus auf die zentralirakischen Streitkräfte.
See- und Luftraumüberwachung
Zum Auftrag gehört aber auch die See- und Luftraumüberwachung, etwa durch Awacs-Flüge der Nato, bei denen die gewonnenen Daten an die Anti-IS-Koalition weitergegeben werden. In der nordirakischen Region Kurdistan, wo die Bundeswehr bisher kurdische Peschmerga-Kämpfer ausgebildet hat, sollen bis Ende Juni 2018 noch Koordinierungs- und Führungsaufgaben wahrgenommen werden.
Dort sei der IS militärisch weitgehend zurückgedrängt. Das bisherige Ausbildungsmandat solle beendet werden. Die Bundesregierung beziffert die einsatzbedingten Zusatzausgaben für den Zeitraum vom 1. April bis 31. Oktober auf voraussichtlich rund 69,5 Millionen Euro.
Entschließungsantrag der Linken abgelehnt
Mit breiter Mehrheit abgelehnt wurde ein Entschließungsantrag der Linken (19/1343), in dem die Bundesregierung unter anderem aufgefordert wird, die Tornados der Bundeswehr aus dem Einsatz im Rahmen der Anti-IS-Koalition abzuziehen und die Teilnahme an der Koalition zu beenden. Ebenso sollte die Bundeswehr aus der Türkei und von den Awacs-Aufklärungsflügen der Nato abziehen.
Dafür solle die Bundesregierung eine aktive Friedenspolitik für Syrien entwickeln und die Stabilisierung des Iraks ausschließlich durch zivile Zusammenarbeit, großzügige Wiederaufbauhilfe und die Unterstützung von Projekten der zivilen Konfliktbearbeitung unterstützen.
Entschließungsantrag der Grünen abgelehnt
Die Grünen forderten in einem Entschließungsantrag (19/1344) unter anderem auf eine Beteiligung der Bundeswehr an einer Mission zur Ausbildung der irakischen und kurdischen Sicherheitskräfte zu verzichten, solange nicht eine Reihe von Kriterien erfüllt sind. Außerdem sollten die Aufklärungsflüge deutscher Tornado-Flugzeuge über Syrien beendet werden. Die Vorlage wurde mit der Mehrheit der übrigen Koalitionsfraktionen abgelehnt.
Ebenso sollte die Bundesregierung nach dem Willen der Grünen darauf hinwirken, dass vor allem die Türkei, der Iran und die Golfstaaten in eine regionale Lösung eingebunden werden. Der Versöhnungsprozess zwischen den ethnischen und Glaubensgemeinschaften im Irak solle unterstützt werden. (joh/sas/vom/22.03.2018)