Tätliche Angriffe auf Polizisten sollen härter geahndet werden
Angriffe auf Polizisten sollen schärfer geahndet werden. Das sieht ein Gesetzentwurf zur „Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften“ (18/11161) vor, den der Bundestag am Freitag, 17. Februar 2017, in erster Lesung beraten und an den federführenden Rechtsausschuss überwiesen hat. Eingebracht hatten ihn die Fraktionen CDU/CSU und SPD, während ein wortgleicher, in der Vorwoche vom Kabinett beschlossener Gesetzentwurf der Bundesregierung dem Bundesrat zur Stellungnahme zugeleitet wurde. Dieses zweigleisige Verfahren soll sicherstellen, dass die Reform noch vor der Sommerpause und der anschließenden Bundestagswahl alle Hürden nimmt.
Wertung als Angriff auf den Staat
In der Einleitung des Gesetzentwurfs wird festgestellt, dass es sich bei einer Attacke auf Polizisten und andere Vollstreckungsbeamte um einen „Angriff auf einen Repräsentanten der staatlichen Gewalt“ handele und bei einem Übergriff auf Beschäftigte der Feuerwehr, des Katastrophenschutzes oder der Rettungsdienste um einen „Angriff auf die öffentliche Sicherheit“.
Dem entsprechend sollen die Strafvorschriften in den Paragrafen 113 und folgende sowie 125 und 125a des Strafgesetzbuches verschärft werden. Während der bisherige Tatbestand des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte nur im Rahmen einer Vollstreckungshandlung, etwa einer Festnahme oder Fahrzeugkontrolle, greift, soll dieser Bezug künftig wegfallen. Stattdessen sollen Polizisten und andere Vollstreckungsbeamte während jeder Diensthandlung unter besonderem Schutz stehen. Gleichermaßen sollen die Strafbestimmungen zum Schutz von Hilfskräften geändert werden. Der Strafrahmen sieht wie bisher Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren vor, allerdings auch für Vergehen, die bisher milder bestraft werden.
Minister: Bündel von Maßnahmen
Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) wies darauf hin, dass Polizisten mittlerweile angegriffen würden, wenn sie einfach Streife gehen. Deshalb solle der strafrechtliche Schutz über Vollstreckungshandlungen hinaus auf die gesamte Dienstausübung ausgeweitet werden. In Zukunft müsse „jeder wissen, der gegen einen Polizeibeamten einen tätlichen Angriff durchführt, dass er mit einer Mindeststrafe von drei Monaten belangt werden kann“.
Zur Reform gehöre, dass der schwere Fall mit einer Mindeststrafe von sechs Monaten ausgeweitet wird. So solle bereits das Mitführen einer Waffe dazu ausreichen, unabhängig davon, ob sie zum Einsatz kommt. Das sei „nicht nur rechtsstaatlich geboten“, betonte Maas, „wir sind auch der Auffassung, dass wir das den Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, den Rettungskräften und den Vollstreckungsbeamten schuldig sind, denn sie leisten eine wichtige Arbeit“.
Maas betonte, dass die Verschärfung des Strafrechts in ein Bündel von Maßnahmen zum besseren Schutz von Einsatzkräften gehöre. So habe die Koalition auch eine bessere personelle und materielle Ausstattung der Bundespolizei auf den Weg gebracht. All dies hätte „auch etwas zu tun mit Respekt gegenüber dem Staat und den Beamten, die dessen durchsetzen“.
Linke bezweifelt Wirkung höherer Strafen
Die Redner der Opposition stimmten zu, dass die zunehmende Gewalt gegen Polizisten und Rettungskräfte nicht hinnehmbar sei. Auch Zugbegleiter, Lehrer, Verkäuferinnen und viele andere seien von dieser Entwicklung betroffen, hob Frank Tempel (Die Linke) hervor. Die Frage sei jedoch, ob neue Strafrechtsvorschriften den Schutz wirksam gewährleisten können. Die Linke habe daran erhebliche Zweifel, sagte Tempel.
Keine einzige Handlung, die mit der Reform unter Strafe gestellt werden soll, sei nicht bereits jetzt strafbar, betonte Tempel. Die jetzt geplanten Verschärfungen verhinderten „nicht eine einzige Straftat“, denn Täter würden nicht darüber nachdenken, welches Strafmaß sie erwartet. Dies sei eine klare Erkenntnis der Kriminologie.
Tempel stellte stattdessen einen Zusammenhang zwischen dem Personalabbau früherer Jahre und den zunehmenden Angriffen her. Wenn mehr Polizisten zu einem Einsatz kämen, verringere sich das Risiko für sie. Außerdem appellierte er an die Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen: „Lassen Sie uns die Ursachen für die zunehmende Verrohung suchen.“
CDU/CSU: Angriffe auf den Staat
Dem hielt Dr. Stephan Harbarth (CDU/CSU) entgegen, wenn der Strafrahmen keine abschreckende Wirkung habe, wäre es „genauso gut vertretbar zu sagen, Angriffe auf Polizisten werden mit kleinen Geldstrafen oder ein paar Sozialstunden abgegolten“. Er habe den „Eindruck, als hätten sich Teile des politischen Spektrums daran gewöhnt“, dass es Jahr für Jahr mehr solche Angriffe gibt.
Bei Attacken auf Polizisten handele es sich um „Angriffe auf den Staat“, und die müsse man „mit aller Entschlossenheit beantworten“. Die Koalition habe in dieser Legislaturperiode den Aufwuchs der Bundespolizei um mehr als 10.000 Kräfte beschlossen und mehr Mittel für die Ausrüstung bereitgestellt. Zum „Dreiklang“ für mehr Sicherheit gehöre „aber auch ein schärferes Strafrecht“.
Grüne: Bestehender Strafrahmen reicht
Dagegen sagte Irene Mihalic (Bündnis 90/Die Grünen) - sie und auch Frank Tempel sind von Beruf Polizeibeamte -, es gebe „keine Hinweise, dass der bestehende Strafrahmen in der Praxis nicht ausreicht“. Der Tatbestand des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte sei erst 2011 verschärft worden, dennoch gebe es mehr Taten.
Vier von fünf dieser Taten geschähen unter Alkoholeinfluss, „der Strafrahmen bringt hier nichts“. Auch eine Verurteilungsquote von 75 Prozent bei Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte spreche dafür, dass das bestehende Recht ausreiche.
SPD: Attacken auf Ehrenamtliche schockierend
Für die SPD stimmte Dr. Johannes Fechner der Opposition insoweit zu, als das Strafrecht „kein Allheilmittel“ sei. Deshalb habe die Koalition auch weitere Maßnahmen wie die Zulassung abschreckender Bodycams für Polizisten ergriffen sowie fünf Millionen Euro für eine Imagekampagne für die Polizei bereitgestellt. Er sei aber „besonders schockiert“, dass immer öfter Rettungskräfte attackiert werden, die ihren Dienst oft ehrenamtlich täten.
Sein Fraktionskollege Gerald Reichenbach wies darauf hin, dass sich normale Bürger einer kritischen Situation entziehen können. „Genau das können Einsatzkräfte nicht.“ Diesem Unterschied werde durch die geplante Reform Rechnung getragen. (nal/17.02.2017)