Bildung und Wissenschaft in Deutschland sollen internationaler werden
Die Internationalisierung von Bildung und Wissenschaft muss weiter gestärkt werden. In diesem Ziel waren sich die Regierungskoalition aus CDU/CSU und SPD und die Opposition in der Bundestagsdebatte am Freitag, 24. März 2017, weitgehend einig. Doch wie der richtige Weg ist, darüber gab es unterschiedliche Meinungen. Insbesondere Dr. Rosemarie Hein (Die Linke) kritisierte die Vorschläge der Bundesregierung, die diese in der neuen Internationalisierungsstrategie vorgelegt hat, als „Worthülsen“. Neben der Unterrichtung der Bundesregierung (18/11100) lag der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen (18/10359) der Debatte zugrunde.
CDU/CSU: Offenheit garantiert Spitzenforschung
Dr. Claudia Lücking-Michel (CDU/CSU) betonte, dass die neue Strategie der Bundesregierung zu Bildung und Wissenschaften gerade zum richtigen Zeitpunkt komme. Sie nannte den Brexit und den Einreisestopp in die USA als Beispiele für einen neuen sich zunehmend isolierenden Nationalismus, der große Auswirkungen auf die jeweiligen Gesellschaften im Allgemeinen und auf Forschung und Wissenschaften im Besonderen habe.
Nicht Abschottung, sondern Offenheit sei Garant für Spitzenforschung, betonte die Bundestagsabgeordnete.
Linke: Deutschland denkt vor allem an eigene Vorteile
In Zeiten der weltweiten Vernetzung wäre es töricht, wissenschaftliches Arbeiten in nationalen Grenzen zu denken, betonte Rosemarie Hein. „Wir leben nun mal in einer Welt.“ Als Beispiel nannte sie den Klimawandel, der auch durch die Abholzung des Regenwaldes verursacht werde. Daher reiche es nicht, die Folgen des Klimawandels zu erforschen, sondern man müsse auch die Ursachen beseitigen, die dazu führten dass ein Regenwald abgeholzt werde. „Dort gibt es eine Profitgier großer Konzerne, die sich dort bedient und ausnutzt, dass es eine große Armut in diesen Ländern gibt.“
Die Menschen würden dazu gezwungen werden, ihre natürlichen Ressourcen zu verkaufen, kritisierte Hein. Grundsätzlich unterstrich sie, dass sie sich des Eindrucks nicht erwehren könnte, dass bei den neuen, von der Bundesregierung entwickelten Strategien Deutschland vor allem an seine eigenen Vorteile denke und Kooperation eigenen Interessen untergeordnet werde.
SPD: Austausch von Wissen und Ideen
Dr. Daniela de Ridder (SPD) betonte, dass allein aus dem Bundesministerium für Bildung und Forschung 800 Millionen Euro in internationale Kooperationen flössen und zählte zudem auf, dass zwölf Prozent aller Studenten aus dem Ausland kämen. Deutschland befinde sich damit auf Platz fünf der Beliebtheit. Knapp 50 Prozent der deutschen Studenten wiederum gingen während eines Studiums ins Ausland. Sie fügte an: „Das können ruhig noch mehr werden.“
Auch damit leiste Deutschland einen Beitrag zur Brain Circulation, also dem Austausch von Wissen und Ideen. Neben der Arbeit der zuständigen Ministerien wie dem Bundesministerium für Bildung und Forschung, dem Bundeswirtschaftsministerium und dem Auswärtigen Amt lobte die Bundestagsabgeordnete aber vor allem die transnationalen Bildungsallianzen. Sie erwähnte unter anderem die Arbeit des Deutschen Akademischen Austauschdienstes, der allein 80 Projekte in 36 Ländern fördere.
Grüne: Globalisierung aktiv und fair gestalten
„Die Welt ist aus den Fugen geraten.“ Das sagte Kai Gehring (Bündnis 90/Die Grünen). Akute Hungerkatastrophen, schleichende Klimakrise, Kriege und Konflikte brächten Elend. Terror destabilisiere Länder, Staaten würden zerfallen. „65 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht. Papst Franziskus spricht von der größten Tragödie seit dem Zweiten Weltkrieg“, unterstrich Gehring. Weltweit versuchten fremdenfeindliche und nationalistische Kräfte aus Krisen und Orientierungslosigkeit Kapital zu schlagen. Deren giftiges Rezept sei Ausgrenzung, Abschottung und Renationalisierung. „Das ist unvereinbar mit unserer global vernetzen Welt in der wir leben und die wir weiter wollen“, so Gehring.
Die Globalisierung müsse aktiv und fair gestaltet werden. Dies dürfe aber nicht auf Kosten anderer Länder und Regionen geschehen. Gerade Bildung und Wissenschaft würde Kooperationen eröffnen. Gehring unterstrich, dass sich transnationale Bildung eben nicht an die Regime richte, sondern den einzelnen Menschen in den Mittelpunkt stelle: den Forscher, die Lehrkraft, den Schüler, den Studenten. Es gehe nicht darum, den Großteil der Wissenschaftler und Fachkräfte auf Dauer ins eigene Land zu holen, sondern es ging um zirkuläre Migration, um brain circulation, denn Abwerbung oder Headhunting schmälerten die Entwicklungschancen ärmerer Länder. „Es wäre falsch, Internationalisierung nur zu betreiben, um Deutschland Wettbewerbsvorteile zu verschaffen.“
Ministerin: Wir gehen die Lösung der globalen Probleme an
Professor Dr. Johanna Wanka (CDU), Bundesministerin für Bildung und Forschung, erinnerte an den Weltwassertag und an das Ziel der Vereinten Nationen, dass jeder Mensch auf der Welt Zugang zu sauberem Trinkwasser haben solle. In diesem Zusammenhang wies sie auf ein Wasserressourcenprojekt in Jordanien hin, in dem sich die Bundesrepublik engagiere. Dort arbeiteten jordanische, deutsche, palästinensische und israelische Wissenschaftler, Ingenieure, Behördenvertreter und Wirtschaftsmanager zusammen.
Dabei betonte die Ministerin den Brückenbau zwischen diesen unterschiedlichen Kulturen, zwischen Menschen die normalerweise nicht miteinander reden würden. Insgesamt unterstrich sie die deutsche Kooperationen mit der ganzen Welt und sagte: „Wir gehen die Lösung der globalen Probleme an.“
Der Bundestag überwies die Strategie der Regierung zusammen mit einem Antrag von Bündnis 90/Die Grünen (18/10359), mit dem sich die Fraktion für die Stärkung der Wissenschaftsfreiheit einsetzt, zur weiteren Beratung an den Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung überwiesen.
Stärkere internationale Ausrichtung gefordert
In ihrer Unterrichtung schreibt die Bundesregierung, dass das Bildungs-, Wissenschafts- und Innovationssystem Deutschlands stärker international ausgerichtet werden müsse. Vor dem Hintergrund zunehmender Digitalisierung, wachsender Komplexität und notwendiger Nachhaltigkeit sei es notwendig, die internationale Zusammenarbeit weiter voranzutreiben, um im weltweiten Wettbewerb zu bestehen und zur Lösung globaler Herausforderungen beitragen zu können.
Mit ihrer Internationalisierungsstrategie habe die Bundesregierung ihrer Meinung nach die Voraussetzungen dafür geschaffen .Deutschland übernehme so die Verantwortung für die Sicherung von Lebensqualität, Gesundheit und Wohlstand im Zeitalter der Globalisierung.
Antrag der Grünen
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fordert die Bundesregierung auf, ihre Internationalisierungsstrategie in Wissenschaft und Forschung zu überarbeiten. Die Freiheit von Wissenschaftlern in Deutschland, wie auch in den Staaten mit denen Deutschland kooperiert, solle gefördert werden. Weltweit arbeiteten Forscher in vielfältigen Projekten grenzüberschreitend zusammenarbeiten auf der gemeinsamen Suche nach Erkenntnis. Die Wissenschaftsbeziehungen, die sie knüpften, würden Brücken zwischen Gesellschaften schlagen.
Doch in zahlreichen Ländern stünden diese Prinzipien unter Druck, heißt es im Antrag. Wissenschaftler würden entlassen, mit Arbeitsverbot belegt, bedroht, unter Hausarrest gestellt, inhaftiert oder gar getötet. In dieser Situation komme es nun darauf an, dass die Bundesregierung die internationale Stärkung der Freiheit von Wissenschaft und Forschung zu einem zentralen Ziel ihrer Internationalisierungsstrategie mache. (rol/24.03.2017)