Fraktionen bewerten geplantes Gesetz zu den Betriebsrenten kontrovers
Als eine historische Revolution feiert es die Große Koalition. Als Pokerrente bezeichnet es die Fraktion Die Linke, eine Interpretation, der auch die Grünen nicht abgeneigt waren. Gemeint ist der Entwurf der Bundesregierung für ein Betriebsrentenstärkungsgesetz (18/11286), mit dem das Modell der Betriebsrente als zweite zusätzliche Säule der Altersvorsorge gestärkt, also mehr Beschäftigten als bisher zugänglich gemacht werden soll.
Künftig sollen Sozialpartner sogenannte reine Beitragszusagen vereinbaren, über Leistungen der durchführenden Einrichtungen entscheiden und rechtssicher Options- beziehungsweise Opting-out-Systeme in den Betrieben einführen können. Außerdem soll ein Fördersystem für Geringverdiener geschaffen und ein Freibetrag von bis zu 200 Euro eingeführt werden, der nicht auf die Grundsicherung im Alter angerechnet werden soll.
Über den Gesetzentwurf sowie über zwei Anträge von Bündnis 90/Die Grünen (18/10384) und der Linksfraktion (18/11402) debattierte der Bundestag am Freitag, 10. März 2017, in erster Lesung. Die Grünen fordern unter anderem die schrittweise Einführung eines verpflichtenden Betriebsrentenangebotes durch den Arbeitgeber und die Einrichtung eines öffentlich verwalteten Fonds, um die Kosten für kleine und mittlere Unternehmen bei der betrieblichen Altersvorsorge zu minimieren. Die Linke macht sich in ihrem Antrag vor allem für eine Stärkung der gesetzlichen Rente stark und fordert eine „solidarische Mindestrente“.
Ministerin: Haftungsrisiko der Betriebe war eine Bremse
Andrea Nahles (SPD), Bundesministerin für Arbeit und Soziales, betonte, das Fundament der Altersversorgung in Deutschland bleibe nach wie vor die gesetzliche Rente. Aber die Betriebsrente sei „die wichtigste und kostengünstigste“ Variante zusätzlicher Altersvorsorge, die aber Ende 2015 nur 60 Prozent der Arbeitnehmer genutzt hätten. Das Ziel des Gesetzes sei es, gerade in kleineren Betrieben die Betriebsrente zu verbreitern.
„Wir eröffnen neue Wege für die Sozialpartner“, die nun auf dem Weg von Tarifverträgen die Bedingungen für eine Betriebsrente aushandeln können, so Nahles. Sie zeigte sich überzeugt, dass der Wegfall des Haftungsrisikos mehr Betriebe dazu animieren werde, eine Betriebsrente anzubieten.
Linke: Das ist keine Zielrente, sondern eine Pokerrente
Für Matthias W. Birkwald (Die Linke) sendet der Entwurf vor allem ein Signal an die Beschäftigten: „Gib den Versicherern noch mehr von deinem Geld!“ Bei guter Verzinsung funktioniere das auch, bei schlechter Verzinsung habe der Beschäftigte jedoch einfach Pech gehabt.
„Sie nennen es Zielrente? Eine Pokerrente ist das“, empörte sich Birkwald und fragte, warum die Freibeträge auf die Grundsicherung nicht auch für die gesetzliche Rente gelten. Er kritisierte die Verpflichtungen der Arbeitgeber als viel zu gering. Nach dem bisherigen Entwurf finanzierten die Beschäftigten ihre Rente komplett selber, so Birkwald.
CDU/CSU: Sternstunde für die Altersvorsorge in Deutschland
Peter Weiß betonte für die Unionsfraktion, Ziel sei es, dass möglichst jeder Beschäftigte in Zukunft „eine zweite starke Säule“ der Altersvorsorge aufbaue. Dies als Pokerrente zu bezeichnen, komme einer Diffamierung gleich, warf Weiß der Linken vor. Es sei vielmehr eine „Sternstunde“ für die Altersvorsorge in Deutschland, die es Geringverdienern überhaupt erst ermögliche, eine Betriebsrente aufzubauen. Wer da nicht mitmache, entscheide sich falsch, prophezeite er.
Zu den Bedenken wegen der Zinshöhen entgegnete Weiß, dass große Kollektive von Versicherten attraktivere Angebote von Versicherungen, auch in Niedrigzinsphasen, erhielten.
Grüne: Kopplung an Tarifbindung ist falsch
„Die Betriebsrente ist ein wichtiger Baustein, der gestärkt werden muss, der viele Vorteile hat“, sagte Markus Kurth (Bündnis 90/Die Grünen). Er bezweifelte jedoch, dass der vorgelegte Gesetzentwurf sein Ziel erreicht. „Gerade jene Beschäftigten, die eine Unterstützung brauchen, erreicht der Entwurf nicht, und das ist finster“, mutmaßte Kurth. Denn die Regierung benutze die Betriebsrente, um eigentlich ein anderes Ziel zu erreichen, nämlich die Tarifbindung zu stärken.
Fast sämtliche Vergünstigungen oder „Subventionstatbestände“ seien gekoppelt an die Tarifbindung. „Das ist der Kardinalfehler des Gesetzes“, sagte Kurth. Zwar sei es grundsätzlich richtig, die Tarifbindung zu stärken, aber ob damit auch die Verbreitung der Betriebsrente in kleinen Unternehmen gestärkt werde, sei mehr als fraglich, so der Grünen-Abgeordnete.
SPD: Chancen und Risiken müssen in vernünftigem Verhältnis stehen
Ralf Kapschack (SPD) lobte die betriebliche Altersversorgung als „beste Ergänzung“ zur gesetzlichen Rente. Es habe aber nichts mit Gerechtigkeit zu tun, wenn man die Beschäftigten in kleinen Betrieben hier weiter im Regen stehen lasse. „Jeder sollte Zugang zur betrieblichen Altersversorgung haben, um dann zu entscheiden, ob er es nutzt.
“Uns wäre es am liebsten, es gäbe eine Verpflichtung der Arbeitgeber, mindestens ein Angebot zur BAV zu machen und am besten mit einer Beteiligung des Arbeitgebers„, erläuterte Kapschack die Sicht der SPD-Fraktion. Es sei schon klar, dass der Verzicht auf eine Garantierente im Modell der Zielrente “eine kommunikative Herausforderung„ darstelle. Es komme nun aber darauf an, den Beteiligten klarzumachen, dass Chancen und Risiken in einem vernünftigen Verhältnis stehen müssen, sagte er. (che/10.03.2017)