„Nicht nur regulatorisch gegen Fake News und Social Bots vorgehen“
Experten stehen regulatorischen Eingriffen im Kampf gegen Fake News, Social Bots, Hacks und Hate Speech eher skeptisch gegenüber. Das wurde bei einem öffentlichen Fachgespräch des Ausschusses Digitale Agenda unter Vorsitz von Jens Koeppen (CDU/CSU) am Mittwoch, 25. Januar 2017, deutlich. Zugleich wiesen sie daraufhin, dass es sich um relativ neue Probleme handle, die von Seiten der Wissenschaft noch nicht ausreichend untersucht worden seien.
„Wahrheit ist nicht widerspruchsfrei“
Die Themen seien empirisch sehr schwer zu erfassen, sagte Prof. Dr. Simon Hegelich von der Hochschule für Politik München. Der Experte sprach sich dafür aus, die Bedrohungsszenarien Social Bots, wo von Computerprogrammen der Eindruck erweckt wird, Menschen würden massenhaft Kommentare in sozialen Netzwerken abgeben, und Fake News, die lange Zeit über alle möglichen sozialen Netzwerke hinweg ausgebaut und zu glaubwürdigen Geschichten würden, getrennt voneinander zu betrachten.
Für sehr gefährlich erachtet er es, statt sich für Strukturen einzusetzen, die eine offene und pluralistische Diskussionskultur fördern, die Inhalte politisch regeln zu wollen. „Wahrheit ist nicht widerspruchsfrei“, sagte er. Vieles, was wahr erscheine, stelle sich später als Lüge heraus und umgekehrt.
„Destabilisierung von Strukturen“
Die aktuellen Entwicklungen würden durchaus Anlass zur Sorge geben, sagte Daniel Fiene, Leiter redaktionelle Digitalstrategie der „Rheinischen Post“ in Düsseldorf und Moderator des wöchentlichen Medienmagazins „Was mit Medien“ auf Deutschlandradio Wissen. Aus seiner Sicht ist der Begriff Fake News unbrauchbar.
So sei beispielsweise nicht alles, was auf der populistischen Seite Breitbart News stehe, falsch. Gleichwohl zielten die Beiträge darauf ab, Zweifel zu säen. „Was nicht den eigenen Maßstäben entspricht, wird dort als Fake News benannt“, sagte Fiene. So lenke der Begriff von der eigentlichen Problematik ab, die darin bestehe, dass durch gezielte Falschinformationen versucht werde, Strukturen zu destabilisieren.
„Gesellschaft muss reagieren - aber nicht nur regulatorisch“
Auf die derzeitige teilweise Entmachtung traditioneller Medien machte Prof. Dr. Christian Stöcker von der Hochschule für angewandte Wissenschaften Hamburg aufmerksam. Durch die gesunkenen Transaktionskosten würden sich „alternative Medien, die nach anderen oder gar keinen Standards arbeiten und die zum Teil sehr eindeutig propagandistische Absichten verfolgen, relativ leicht aufbauen lassen“.
Trolle und Bots, so Stöcker weiter, würden aber nur deshalb funktionieren, weil in Teilen der Bevölkerung das Vertrauen in traditionelle Medien und Institutionen gesunken sei. Das betreffe nicht nur den rechten Rand, fügte der ehemalige Spiegel-Online-Redakteur hinzu. Auf die Problematik der Bots und Fake News müsse die Gesellschaft reagieren. Nicht aber primär und ausschließlich mit regulatorischen Maßnahmen, betonte Stöcker.
„Schädigende Auswirkungen auf die Presse- und Meinungsfreiheit“
Nach Ansicht von Markus Reuter, Redakteur bei der Plattform Netzpolitik.org., gibt es über die Wirkungen und Effekte von Fake News und Social Bots auf die politische Meinungs- und Willensbildung bislang weder in den USA noch in Deutschland ausreichende und ergiebige Studien, weswegen eine Regulierung zum jetzigen Zeitpunkt ohne eine empirische Grundlage passieren würde.
Außerdem hätten manche der vorgeschlagenen Maßnahmen „weitreichende und schädigende Auswirkungen auf die Grundrechte der Presse- und Meinungsfreiheit“. Andere Vorschläge privatisierten hingegen laut Reuter die Rechtsdurchsetzung, in dem sie eigentlich Gerichten vorbehaltene Entscheidungen an große Plattformen auslagern und diese zu Anklägern, Richtern und Henkern gleichermaßen machten.
Für eine „digitale demokratische Debattenkultur“
Statt auf die technischen Möglichkeiten im Kampf gegen Bots zu blicken, müssten die Nutzer inhaltlich und medial stärker hinterfragen, was sie sehen, posten und liken, forderte Christina Dinar von der Amadeu-Antonio-Stiftung. Medienbildung sei hier das Stichwort. Es gelte zu erkennen, was einen Fakt von einem Gerücht unterscheidet und welche Interessen die jeweiligen Quellen verfolgen.
Unwahre Nachrichten, Gerüchte und Meldungen würden dazu beitragen, dass sich das Kommunikationsklima in den sozialen Netzwerken wandle. Als Antwort auf Hate Speech empfahl Dinar eine digitale demokratische Debattenkultur, „die auch überzeugende Gegenrede praktiziert und einen kommunikativen Klimawandel fördert“. (hau/25.01.2017)
Liste der geladenen Sachverständigen
- Prof. Dr. Simon Hegelich, Hochschule für Politik, München
- Daniel Fiene, Leiter redaktionelle Digitalstrategie der Rheinischen Post, Düsseldorf
- Prof. Dr. Christian Stöcker, Hochschule für angewandte Wissenschaften, Hamburg
- Markus Reuter, Plattform Netzpolitik.org
- Christina Dinar, Amadeu Antonio Stiftung