Podiumsdiskussion mit Jugendlichen über die „Euthanasie“ im NS-Staat
„Die Engstirnigkeit der Menschen muss aufhören, damit Akzeptanz entstehen kann.“ Mit diesen Worten wendete sich Sebastian Urbanski, Schauspieler und Autor eines Buches über sein Leben mit Down-Syndrom, bei der Podiumsdiskussion am Freitag, 27. Januar 2017, an die Teilnehmer der Jugendbegegnung. 80 Jugendliche, die aus Europa, Amerika, Syrien oder sogar dem Irak angereist waren, diskutierten mit Bundestagsvizepräsidentin Ulla Schmidt (SPD) und den Hauptrednern der Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus, Sigrid Falkenstein und Dr. Hartmut Traub, persönliche, ethische und politische Fragen im Zuge des diesjährigen Schwerpunktthemas „Euthanasie“.
„Dann habe ich gemerkt, dass ich gar nichts weiß“
Beide Gastredner erfuhren erst durch Zufall, dass auch Angehörige ihrer Familie von den Nationalsozialisten ermordet worden waren. Als Dr. Hartmut Traub anfing, sich mit der Geschichte seiner Familie zu beschäftigen, habe er plötzlich gemerkt, dass „er eigentlich gar nichts weiß.“ Für Sigrid Falkenstein war die Erfahrung des Mordes an ihrer Tante ein Schock. Doch nach ihrer Beschäftigung mit dem Thema sei es „heute in der Familie kein Thema mehr, das mit Scham verbunden ist.“ Familie und Freunde unterstützten sie bei der Aufarbeitung.
Im Laufe der Diskussion stellten die Jugendlichen zahlreiche Fragen: Wie verändert eine solche Familiengeschichte das eigene Leben? Warum ist das Thema „Euthanasie“ sehr selten Teil des Lehrplans in Schulen? Und warum werden einige Opfergruppen heute immer noch nicht gleichberechtigt anerkannt?
Aktive Erinnerungskultur
Auch aktuelle politische Fragen der Inklusion und einer wachsenden Ideologisierung in Politik und Gesellschaft rückten im Gespräch in den Vordergrund. „Es geht darum, dass jedes Leben gleich viel wert ist“, sagte Ulla Schmidt. Die Ideologien seien auch damals nicht einfach aus der Luft entstanden. „Man muss immer wieder auf solche Entwicklungen aufpassen – deshalb ist eine Erinnerungskultur besonders wichtig.“ Es sei noch eine lange Phase der Aufarbeitung, doch man sei auf einem guten Weg, befand auch Sigrid Falkenstein.
Auch heute müsse daher jeder aufpassen, „dass man sich nicht für eine Ideologie einspannen lässt“, appellierte sie an die Jugendlichen. Jeder sollte sich daher gegen unkritisches Vokabular wenden, das heute noch Teil des alltäglichen Wortschatzes sei. „Behinderte sind Menschen, die das Recht haben zu leben“, sagte Sebastian Urbanski. „Das Recht zu sprechen, zu regieren, Familie und Freunde zu haben.“ (lau/27.01.2017)