Schäuble: Sind trotz neuer Aufgaben handlungsfähig
Die Haushaltspolitik des Bundes steht für Stabilität und Zukunftsgestaltung in einem Umfeld von Unsicherheit und Ängsten, sagte Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble (CDU) am Dienstag, 6. September 2016, im Bundestag. Schäuble umriss die Herausforderungen für die Haushaltspolitik in einer knapp einstündigen Rede zur Einbringung des Haushaltsgesetzes 2017 (18/9200) und des Finanzplans des Bundes für die Jahre 2016 bis 2020 (18/9201) in das parlamentarische Verfahren. Nach der ersten Lesung vom 6. bis 9. September wird das Zahlenwerk im Haushaltsausschuss weiterberaten. Am 25. November will der Bundestag namentlich über das Haushaltsgesetz abstimmen.
„Widersprüchliche Gefühlslagen“
Der Minister skizzierte ein Umfeld von widersprüchlichen Gefühlslagen. Einerseits gehe es der deutschen Wirtschaft so gut wie nie zuvor, andererseits wachse ein Gefühl der Unsicherheit. „Wir müssen beweisen, dass die Integration der Flüchtlinge gelingen kann, und wir müssen beweisen, dass wir mögliche Sicherheitsrisiken erkennen und unter Kontrolle halten“, sagte Schäuble. Es gehe um Veränderung, aber nicht um Selbstaufgabe. Unter Beifall fügte er hinzu: „Es darf keine Einschränkung unseres freiheitlichen Lebens geben.“
Im Haushalt 2017 mit geplanten Ausgaben von 328,7 Milliarden Euro bleibe die Steigerung im Einklang mit dem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts: „Wir geben nur das aus, was wir nachhaltig haben.“ Die Ausgaben für Bildung und Forschung seien massiv erhöht worden, Länder und Kommunen könnten ihre Aufgaben verlässlich finanzieren.
Die Bundesregierung sei angesichts neuer Aufgaben handlungsfähig geblieben. Spielräume würden genutzt. So stiegen die Investitionen erneut um fast zwei Milliarden Euro. Milliarden würden investiert in den Breitbandausbau, in Elektrofahrzeuge, in die Mikroelektronik. Jungen, innovativen Unternehmen wolle man den Zugang zu Fremdkapital erleichtern. Dazu werde bei der staatlichen KfW-Bankengruppe ein Zehn-Milliarden-Euro-Fonds aufgelegt, um die Gründungskultur zu stärken.
Plädoyer für Freihandel
Schäuble sprach sich dafür aus, den sogenannten Juncker-Fonds der Europäischen Kommission zur Förderung von Investitionen nach einer Evaluierung fortzuführen. Beiträge zur Industrie 4.0 oder zur Digitalisierung brächten ganz Europa voran. „Wir müssen mit öffentlichen Mitteln private Investitionen anziehen“, betonte der Minister. In diesem Zusammenhang rief er dazu auf, die Bemühungen um das Freihandelsabkommen der EU mit den USA („TTIP“) nicht aufzugeben. Freihandel bedeute mehr Aufträge für den deutschen Mittelstand, mehr produktive Arbeitsplätze, höhere Löhne.
Bei den Bund-Länder-Gesprächen über die Neuordnung ihrer Finanzbeziehungen muss es nach Schäubles Worten auch um Ordnungspolitik gehen, nicht nur um die „Verschiebung von Finanzmassen“. 2020 sei man noch nicht am Ziel bei der Überwindung der strukturellen Schwächen in den ostdeutschen Ländern.
Der Minister kündigte Berichte zum Existenzminimum und zur sogenannten „kalten Progression“ im Einkommensteuertarif und eine daraus resultierende Anpassung von steuerlichem Grundfreibetrag, Einkommensteuertarif, Kindergeld und Kinderfreibetrag in einer gesamtstaatlichen Größenordnung von über zwei Milliarden Euro bereits zum 1. Januar 2017 an. „Das hat bei der geringen Inflation natürlich nur begrenzt Auswirkungen“, fügte Schäuble hinzu.
Spielraum für Steuersenkungen
In den letzten Jahren sei die gesamtwirtschaftliche Steuerquote leicht angestiegen. Für Steuersenkungen gebe es nach 2017 einen Spielraum von etwa 15 Milliarden Euro, die für die Entlastung kleiner und mittlere Einkommen und den Abbau des sogenannten „Mittelstandsbauchs“ im Einkommensteuertarif genutzt werden könnten. Gleichzeitig arbeite man daran, dass die gesetzlich geschuldeten Steuern auch gezahlt werden.
„Wir müssen bei der Umsetzung von Investitionsvorhaben schneller werden“, forderte Schäuble. Dass der Berliner Flughafen BER nicht fertig werde und der Ausbau der Rheintalbahn sich verzögere, liege nicht am fehlenden Geld. Der Minister konstatierte in diesem Zusammenhang einen „Mangel an Planungskapazitäten auf allen staatlichen Ebenen“.
„Fairer Ausgleich bei der Rente“
Schäuble kündigte an, dass 2020 mehr als 100 Milliarden Euro als Bundeszuschuss an die Rentenkasse fließen werde. Die Alterssicherung der heute Erwerbstätigen müsse ein sicheres Fundament haben. Schäuble plädierte dafür, den Zusammenhang von Lebenszeit und Lebensarbeitszeit zu „enttabuisieren“. Bei der Rente gehe es um einen fairen Ausgleich zwischen Ost und West, aber auch zwischen Jung und Alt. Der lohnbezogene Ausgleich habe bisher gut funktioniert. Die lohnbezogene Rentenangleichung zu beseitigen, hieße manche Gruppen besser, andere schlechter zu stellen.
Der Minister kündigte ferner einen deutlichen Anstieg der Ausgaben für innere Sicherheit an. Bis zu 4.500 neue Stellen seien bei den relevanten Sicherheitsbehörden vorgesehen. Auch was die Handlungsfähigkeit der EU angeht, war Schäuble um Vorschläge nicht verlegen: „Warum machen wir nicht ernst mit der Energie-Union? Warum gründen wir nicht einen europäischen Ausbildungsverbund?“ Dadurch könnten junge Menschen aus Südeuropa zu „unseren freien Ausbildungsplätzen“ gebracht werden. (vom/06.09.2016)