Geteiltes Echo auf Bericht zur Religionsfreiheit
Der „Bericht der Bundesregierung zur weltweiten Lage der Religions- und Weltanschauungsfreiheit“ (18/8740) stößt am Freitag, 23. September 2016, im Bundestag auf ein geteiltes Echo. Erstmals hat die Bundesregierung einen solchen Bericht vorgelegt, nachdem die Fraktionen von CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen dies im vergangenen Jahr gefordert hatten (18/5206). Einen wesentlichen Grund für die Verletzung der in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte niedergelegten Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit sieht die Bundesregierung laut Bericht in dem Problem fehlender oder schwacher Staatlichkeit. Eine ganze Reihe von Staaten käme der Verpflichtung zum Schutz der Religions- und Weltanschauungsfreiheit teilweise nicht nach.
Hintergrund könne eine gezielte Politik sein, etwa die Verteidigung des Wahrheitsanspruchs der Mehrheitsreligion oder die Furcht vor fremden Einflüssen. „Häufiger Grund für mangelnden Schutz sind aber auch eine schwache Staatlichkeit, Korruption, wirtschaftliche und ethnische Gründe. Besonders das Aufkommen extremistischer und terroristischer Organisationen hat - in Verbindung mit der Schwächung von Staatlichkeit - insbesondere im Nahen und Mittleren Osten und Nordafrika zu religiös begründeter Gewalt, zu Zerstörung und Vertreibung geführt“, heißt es in dem Bericht weiter. Betroffen seien sowohl die religiöse Mehrheitsbevölkerung, als auch religiöse Minderheiten.
CDU/CSU: Christen sind größte verfolgte Gruppe weltweit
Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU/CSU) bezeichnete in der Debatte das Recht auf Religionsfreiheit als „das wohl wichtigste Menschenrecht überhaupt“. Er erinnerte an den Artikel 18 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, der jedem Menschen nicht nur das Recht zugestehe, seine Religion frei und öffentlich zu leben, sondern auch, die Religion zu wechseln oder nicht zu glauben. Es seien aber vor allem islamische Staaten oder Länder, in denen Muslime die Mehrheit darstellen, wo etwa der Wechsel der Religion mit Strafen bedroht werde.
Kritisch merkte Kauder an, dass der Bericht vom klassischen Muster der Länderberichte abweiche. Das führe dazu, dass man mühsam zusammentragen müsse, wie die Bundesregierung Verfolgungssituationen in einzelnen Regionen einschätze. So skizziere der Bericht im Falle Pakistans mit den dort geltenden Blasphemie-Gesetzen nur, dass dort muslimische Minderheiten verfolgt werden, verliere aber kein Wort über Christenverfolgung. Das der Bericht zum Beispiel das Schicksal der wegen Gotteslästerung zum Tode verurteilten Asian Bibi nicht erwähne, sei „nicht akzeptabel“, sagte Kauder und wies in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass Christen die die größte verfolgte Gruppe weltweit seien.
Grüne: Bericht bleibt hinter seinen Möglichkeiten zurück
Volker Beck (Bündnis 90/Die Grünen) bezeichnete diesen Hinweis als wenig hilfreich und auch „banal“: Christen stellten weltweit die größte religiöse Gruppe und seien demnach der Zahl nach auch am stärksten von religiöser Verfolgung betroffen. Jede Religion sei auf der Welt irgendwo in der Minderheit. „Wir müssen uns um jede verfolgte Gruppe kümmern“, sagte Beck.
Überdies höre man uns im weltweiten Dialog nur zu, „wenn wir uns um das Prinzip der Religionsfreiheit streiten“ und nicht, wenn der Eindruck entstehe, dass man sich nur um die eigenen Glaubensbrüder und -schwestern kümmere - „zumal das auch nicht besonders christlich wäre“. In einem Punkt unterstützte Beck jedoch Kauders Kritik: Der an sich „gute Bericht“ bleibe hinter seinen Möglichkeiten zurück. Wenn man die Chance nutzen wolle, außen- und entwicklungspolitisch bei Fehlentwicklungen gegenzusteuern, brauche man einen „länderscharfen“ Bericht.
Linke kritisiert Alternative für Deutschland
Gregor Gysi (Die Linke) lenkte den Blick unter anderem auf die Lage der Religionsfreiheit in Europa und in Deutschland. Es gebe eine immer stärkere Diskreditierung von Menschen muslimischen Glaubens und das widerspreche unseren Grundwerten. So trete die „Alternative für Deutschland“ mit dem Anspruch auf, den Islam in Deutschland auszuschließen – ein klarer Bruch mit dem im Grundgesetz garantierten Recht auf Religionsfreiheit.
Mit Blick auf die Diskussion um das Kopftuch und ein Burka-Verbot sagte Gysi: „Wenn nicht unbedingt nötig, sollte der Staat sich in die Bekleidung seiner Bürger nicht einmischen.“ Mädchen und Frauen seien aber zu schützen, wenn sie gegen ihren Willen zum Tragen dieser Bekleidungsstücke gezwungen würden. Es dürfe außerdem Einschränkungen geben, bei Lehrerinnen etwa oder Richterinnen, sagte Gysi. „Das Notwendige müssen wir regeln und ansonsten die Freiheit der Menschen - auch das Recht auf Freiheit der Religion – achten.“
SPD: Machtpolitische Konflikte religiös aufgeladen
Frank Schwabe (SPD) nannte den Bericht „hochinteressant“, weil er Religionsfreiheit nicht isoliert von der Menschenrechtslage betrachte und auch einen Einblick gebe, wie das Recht auf Religionsfreiheit mit anderen Grundrechten wie der Meinungsfreiheit in Konflikt geraten könne. Der Bericht zeige auch, dass es oftmals um machtpolitische Konflikte gehe, die religiös aufgeladen würden. Schwabe sprach zudem von „hochkritischen“ Debatten hierzulande zur größten religiösen Minderheit der Muslime.
„In Deutschland gibt es zum Glück das Recht auf Religionsfreiheit“, sagte Schwabe. Das heiße dann eben auch, dass Menschen Gotteshäuser bauen dürfen, und das seien auch Moscheen und Minarette. Die Forderung nach „Quoten für Flüchtlinge nach religiöser Zugehörigkeit“ bezeichnete Schwabe als nicht vereinbar mit dem Prinzip der Religionsfreiheit.
Ministerium: Legitimation für Unterdrückung und Gewalt
Prof. Dr. Maria Böhmer (CDU), Staatsministerin im Auswärtigen Amt, sagte, dass dem Papier nach das Recht auf Religionsfreiheit in immer mehr Staaten in der Verfassung garantiert werde. „Die Wirklichkeit sieht aber oft dramatisch anders aus.“ Immer wieder werde Religion missbraucht, um Unterdrückung und Gewalt zu legitimieren. Zunehmend entpuppten sich zudem schwache Staatlichkeit und Korruption als mitverursachend für Verletzungen des Rechts auf Religionsfreiheit.
Die Kritik an der Art des Berichts wies Böhmer zurück: Man habe sich für einen neuen strukturellen Ansatz entschieden, um eine „Typologie der Menschenrechtsverletzungen“ zu skizzieren – nicht zuletzt um dadurch auch konkrete Ansatzpunkte aufzuzeigen, wie man dagegen vorgehen könne. (ahe/23.09.2016)