Kritik am Bildungsetat trotz deutlicher Steigerung
Auch wenn alle Redner den Aufwuchs im Haushalt für Bildung und Forschung im Jahr 2017 in der Debatte am Dienstag, 6. September 2016, ausdrücklich lobten, kritisierte nicht nur die Opposition, sondern auch zum Teil die SPD die Schwerpunktsetzung der Mittel. Hubertus Heil (SPD) sprach von tiefgehenden Problemen im Bildungssystem, Roland Claus (Die Linke), sagte „viel Geld allein garantiert keinen Erfolg“ und Ekin Deligöz (Bündnis 90/Die Grünen) sprach von mangelnder „Bildungsgerechtigkeit“.
Ministerin: Entscheidungen, die Strukturen verändern
Bundesbildungsministerin Prof. Dr. Johanna Wanka (CDU) lobte den Anstieg des Bildungsetats, der laut Haushaltsplanentwurf im nächsten Jahr um 1,2 Milliarden Euro gegenüber 2016 steigen soll und sich dann auf 17,5 Milliarden Euro belaufen würde. Das entspricht einer Erhöhung von mehr als sieben Prozent. „Es ist wichtiger als je zuvor, dass wir die Grundlagen unserer gesellschaftlichen Stabilität und unseren Wohlstand sichern“, sagte Wanka. Nichts sei für Demokratie und Wohlstand schädlicher als ein schlechtes Bildungssystem. Allein in dieser Legislaturperiode sei der Haushalt um 26,7 Prozent gestiegen, betonte die Ministerin.
Zudem unterstrich Wanka, dass es im neuen Haushalt nicht nur um Aufwüchse, sondern vor allem um neue Förderprogramme gehe. Es seien Richtungsentscheidungen getroffen worden, die Strukturen verändern. Dabei nannte sie die Übernahme des BAföGs durch den Bund, wodurch die Länder viel mehr finanzielle Spielräume bekommen hätten. Auch lobte sie das Tenure-Track-Programm, womit tausend unbefristete Professorenstellen für junge Leute an Hochschulen geschaffen würden.
Außerdem nannte sie die Exzellenzstrategie, die die universitäre Spitzenforschung stützen soll und durch Exzellenzcluster und Exzellenzuniversitäten Hochschulen Planungssicherheit gebe und das Hochschulsystem wettbewerbsfähig mache. Das Gleiche gelte für die neue Hightechstrategie, die Deutschland auf dem Weg zum weltweiten Innovationsführer voranbringen soll. Dabei sollen gute Ideen schnell in innovative Produkte und Dienstleistungen überführt werden.
Linke: Soziale Auslese nimmt weiter zu
Roland Claus (Die Linke) bezeichnete den Zuwachs von 130 Prozent, den der Etat in den letzten zehn Jahren erfahren habe, als „gute Absicht“. Doch müsse man fragen, ob sich die Erhöhung auch in den Ergebnissen zeige. Claus führte an, dass von hundert Kindern aus Akademikerhäusern 77 Kinder studieren würden. Von 100 Kindern, deren Eltern keine Akademiker sind, würden hingegen nur 23 studieren, obwohl immerhin noch 46 die Hochschulreife erlangten.
„Die soziale Auslese nimmt weiter zu“, kritisierte Claus. Dadurch würden Talente verschenkt. Zudem kritisierte er, dass es trotz der Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes zu viele befristete Stellen im Wissenschaftssystem gebe. „Das ist ein ungeheures Problem, das wir nach wie vor nicht überwunden haben.“
SPD: In der Bildung noch viel zu tun
Für die SPD sagte Hubertus Heil, dass es bei dem Etat viel Licht, aber auch viel Schatten gebe. Der Aufwuchs von sieben Prozent sei „nicht nur gemachtes Versprechen, sondern Umsetzen von Versprechen“. Als positive Beispiele nannte er unter anderem die Verlängerung des Hochschulpakts, den Pakt für Forschung, die Weiterentwicklung der Hightechstrategie und die Übernahme des BAföGs durch den Bund und dessen Erhöhungen.
Bei aller Freude über das Erreichte im Bereich von Wissenschaft und Forschung sei in der Bildung noch viel zu tun, kritisierte der Bundestagsabgeordnete. Er forderte unter anderem Gebührenfreiheit im Bereich der frühkindlichen Bildung und bei Meisterkursen. Es müsse zwischen akademischer und beruflicher Ausbildung Gleichwertigkeit hergestellt werden. Auch sei die Bildungsdynamik in Deutschland nicht ausreichend.
„Herkunft zählt immer noch stärker als Leistung“, fasste Heil zusammen und schlug eine nationale Bildungsallianz vor, damit Bund, Länder und Kommunen an einem Strang ziehen könnten. „Der Zustand unserer Lernorte ist nicht befriedigend“, sagte Heil. Die Hälfte aller Schulen in Deutschland sei sanierungsbedürftig und im Bereich der Digitalisierung modernisierungsbedürftig.
Grüne: Zustand der Lernorte nicht befriedigend
„Es geht nicht nur darum, dass Sie Geld ausgeben, sondern es muss auch darum gehen, wofür Sie das Geld ausgeben“, sagte Ekin Deligöz für die Grünen. Sie warf der Bundesministerin unter anderem Intransparenz bei der Mittelverwendung vor: „Wir können oft gar nicht herausfinden, was ihre Pläne sind.“
Es gebe große Zweifel an Wirtschaftlichkeit, Verlässlichkeit und Sachgerechtigkeit. Deligöz forderte: „Wir brauchen Antworten.“ Zudem vernachlässige die Ministerin das Ziel der Bildungsgerechtigkeit. Als Beispiel nannte sie die Veränderung der BAföG-Sätze, die schon bald erneut korrigiert werden müssten, da die Anhebungen nicht ausreichten: „Bildungsgerechtigkeit in diesem Land geht anders.“ Ferner sei trotz der aktuellen Bemühungen der Bereich des wissenschaftlichen Nachwuchses nicht ordentlich ausfinanziert.
CDU/CSU: Technologietransfer eine zentrale Aufgabe
Michael Kretschmer (CDU/CSU) bezeichnete den erneuten Aufwuchs des Etats als „sehr, sehr gute Nachricht“. Er betonte, dass die Erwerbslosenquoten die niedrigste in der Europäischen Union sei. Deutschland sei durch die Investitionen in Forschung und Entwicklung unter die Top 10 der weltweit stärksten Volkswirtschaften gerückt und gehöre zu den innovativsten Regionen der Welt.
„Das ist das Ergebnis zehnjähriger Politik, die nicht kurzatmig ist und auf Exzellenz und Internationalität setzt“, sagte der Bundestagsabgeordnete. Nur wenn die Welt der Wissenschaft mit der Welt der Wirtschaft zusammenkomme, entstehe wirkliche Wettbewerbsfähigkeit. Technologietransfer sei eine ganz zentrale Aufgabe der Wissenschaft. Er lobte, dass der Bund Verantwortung für das Ganze übernehme. „Wir haben den Hochschulpakt initiiert und werden bis zum Ende des Jahrzehnts insgesamt 1,5 Millionen zusätzliche Studienplätze geschaffen haben“, so Kretschmer und fügte an: „Was für eine großartige Sache.“ Zudem lobte er unter anderem den Qualitätspakt Lehre und das Tenure-Track-Programm.
Als Herausforderung bezeichnete er den weiteren gleichwertigen Ausbau der beruflichen Bildung mit der akademischen Ausbildung. Eine der großen Herausforderungen sei die Digitalisierung bei jungen Leuten, aber auch die Einführung neuer Lehr- und Lernkonzepte an Universitäten. Das Thema Big Data müsse vorangetrieben und unter anderem in der Medizin diskutiert werden. Es müsse erörtert werden, ob die Form des Datenschutzes, wie sie heute praktiziert werde, wirklich nutze oder im Zweifel schade. Es gehe darum, die großen Volkskrankheiten besser zu erfassen. (rol/06.09.2016)