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Europapolitik

Schwabe: Flüchtlingen in Herkunftsregionen helfen

Frank Schwabe (SPD)

Frank Schwabe (SPD) ist stellvertretender Leiter der Delegation des Bundestages zur Parlamentarischen Versammlung des Europarats. (© DBT/phothek.net)

Als „moralische Instanz“ soll die Parlamentarische Versammlung des Europarats in der Flüchtlingspolitik „für die Wahrung von Menschenrechten und für rechtsstaatliche Asylverfahren“ eintreten, mahnt Frank Schwabe (SPD) im Interview. Die Abgeordneten des Staatenbunds diskutieren bei ihrer Herbsttagung vom 28. September bis 2. Oktober 2015 über einen Antrag, der unter anderem ein Konzept zur Verteilung von Flüchtlingen und eine Reform des Dublin-Abkommens fordert. Schwabe ist stellvertretender Leiter der Bundestagsdelegation in Straßburg. Das Interview im Wortlaut:


Herr Schwabe, eine Dringlichkeitsdebatte über das Flüchtlingsdrama, eine Diskussion über ein neues Asylsystem in Europa: Diese brisanten Themen werden die Tagung der Parlamentarischen Versammlung prägen. Welche Rolle spielen die Straßburger Abgeordneten in der Flüchtlingspolitik, welche Kompetenzen haben Sie?

Unsere Versammlung kann lediglich Empfehlungen aussprechen, wir vermögen in der Flüchtlingspolitik also nichts zu bestimmen. Dies eröffnet uns jedoch die Chance, offen debattieren und Meinungen frei formulieren zu können. Wir sollten für die Wahrung von Menschenrechten und für rechtsstaatliche Asylverfahren eintreten, das ist unser Auftrag. Wir müssen uns als moralische Instanz begreifen und europäische Werte anmahnen.

Warum funktioniert das Dublin-Abkommen nicht? Muss dieses Asylsystem tatsächlich als gescheitert gelten?

Es ist ja ganz offensichtlich, dass dieses Modell nicht funktioniert. In Zeiten geringer Nachfrage nach Asyl war das Dublin-Konzept ungerecht gegenüber den Staaten am Rand Europas. Und jetzt bei steigenden Zahlen bricht dieses System zusammen. Wir brauchen in Europa eine gerechte Verteilung der Schutzsuchenden. Dieses Problem diskutiert derzeit auch die EU, womit selbst Brüssel das Scheitern des Dublin-Modells eingesteht.

Eine zur Debatte stehende Vorlage des Migrationsausschusses macht Vorschläge für ein neues Asylsystem. Wie könnte das aussehen?

Nach diesen Vorstellungen wird man um drei zentrale Aufgaben nicht herumkommen. Die in den einzelnen Staaten bislang recht unterschiedlichen Verfahren im Umgang mit Flüchtlingen müssen harmonisiert werden. Unabdingbar ist ein Konzept zur Verteilung der Flüchtlinge in Europa. Schließlich müssen auch die Regeln des Dublin-Abkommens reformiert werden.

Die Bereitschaft, Flüchtlinge aufzunehmen, ist in den einzelnen Ländern höchst unterschiedlich ausgeprägt, man denke an die Widerstände etwa in Ungarn, Tschechien, Polen, Dänemark oder in der Slowakei. An diesen Gegensätzen dürfte auch der auf EU-Ebene erzielte Kompromiss über die Verteilung von 120.000 Flüchtlingen nichts ändern. Wird im Europaratsparlament ein offener Schlagabtausch zwischen den Delegationen der Mitgliedsnationen stattfinden?

In unserer Versammlung kommt es selten zum „offenen Schlagabtausch“. Das entspricht nicht den Verfahrensabläufen und zudem nicht dem politischen Klima in diesem Gremium. Im Übrigen gehen die Meinungen über die Flüchtlingspolitik auch innerhalb der diversen Nationen auseinander. Gleichwohl müssen wir lernen, in Europa Herausforderungen gemeinsam zu begegnen und mit unserer Politik zu einer guten Entwicklung in allen Staaten beizutragen. Dem Europarat gehören mit Bosnien-Herzegowina oder Albanien ja auch Herkunftsländer von Flüchtlingen an. Es wird interessant sein zu hören, wie diese Abgeordnete die Lage einschätzen.

Besteht die Gefahr, dass es angesichts der teils scharfen Gegensätze vielleicht gar keine gemeinsame Entscheidung zur Flüchtlings- und Asylpolitik geben wird?

Von der Parlamentarischen Versammlung erwarte ich eine Antwort aus der Sicht der Menschenrechte. Mit einer solchen Haltung sind Zäune und Knüppelaktionen zur Abwehr von Flüchtlingen unvereinbar. Vonnöten ist stattdessen aktuell mehr humanitäre Hilfe in den Herkunftsregionen von Flüchtlingen, damit sie dort bleiben können. Abschottung ist inhuman und funktioniert obendrein auch nicht.

Frage: Wird die Flüchtlingskrise für lange Zeit als ungelöstes Problem auf dem Kontinent andauern, auf das lediglich mit tagesaktuellem Improvisations-Stückwerk reagiert wird?

Das muss nicht so sein. Die Flüchtlingszahlen können schnell wieder sinken, wenn sich in den Heimatregionen eine Zukunftsperspektive auftut. Um eine solche Wende zu erreichen, sollten wir erst einmal begreifen lernen, warum momentan so viele Flüchtlinge nach Europa und besonders Deutschland kommen. Und auf dieser Basis müssen wir über die kurzfristige Nothilfe hinaus Konzepte entwickeln, die Menschen auf Dauer einen Verbleib in ihren Herkunftsregionen ermöglichen. (kos/24.09.2015)