Erste Bundestagssitzung am 7. September 1949
Am 7. September 1949 trat vor 65 Jahren der Erste Deutsche Bundestag in Bonn zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen. Bei der ersten Bundestagswahl am 14. August 1949 hatten 410 Abgeordnete den Sprung ins neue Parlament geschafft, davon acht aus West-Berlin. CDU und CSU errangen zusammen 142 Mandate, gefolgt von der SPD mit 136 Mandaten und der FDP mit 53 Mandaten (jeweils einschließlich der West-Berliner Abgeordneten, die aufgrund alliierten Rechts nicht stimmberechtigt waren, da West-Berlin nicht den Status eines Bundeslandes genoss). Nur 28 Frauen gehörten dem ersten Bundestag an.
Die konstituierende Sitzung am 7. September 1949 in der ehemaligen Turnhalle der Pädagogischen Akademie in Bonn, die als Plenarsaal diente, eröffnete der 73-jährige Paul Löbe, ältester Abgeordneter und damit Alterspräsident. Der SPD-Abgeordnete, geboren in Liegnitz in Niederschlesien, war von 1920 bis 1932 (mit kurzer Unterbrechung) Präsident des Reichstages gewesen. Dem neuen Bundestag gehörte er als West-Berliner Abgeordneter an. Löbe blieb die erste Wahlperiode im Parlament. Er starb hochbetagt im Jahre 1967.
„Wiedergewinnung der deutschen Einheit“
„Indem wir die Wiedergewinnung der deutschen Einheit als erste unserer Aufgaben vor uns sehen, versichern wir gleichzeitig, dass dieses Deutschland ein aufrichtiges, von gutem Willen erfülltes Glied eines geeinten Europa sein will“, sagte Löbe. Das Protokoll registriert Bravorufe und Händeklatschen. Unter Beifall fügte Löbe hinzu: „Uns bewegt nicht, wie es früher geschehen ist, der Gedanke an irgendeine Form von Vorherrschaft; wir wollen mit allen anderen gleichberechtigt in den Kreis der europäischen Nationen treten.“
Löbe richtete den Blick zurück ins Jahr 1933, als der Reichstag in der Berliner Kroll-Oper mit dem Beschluss des Ermächtigungsgesetzes die „staatsbürgerlichen Freiheiten“ für lange Jahre begrub. „Das war ein illegaler Akt, durchgeführt von einer illegalen Regierung. Der Widerstand dagegen war eine patriotische Tat“, sagte der Sozialdemokrat.
„Keine Rechnungen aufmachen“
Unruhe kam auf, als Löbe darauf hinwies, dass 24 von 94 SPD-Abgeordneten, die gegen das Ermächtigungsgesetz gestimmt hatten, ihren Widerstand mit dem Leben bezahlten. Von rechts kam - laut Protokoll - der Zuruf „Auch von anderen Parteien sind Opfer gebracht worden; wir wollen keine Rechnungen aufmachen!“ Löbe nannte im Folgenden ausdrücklich die Opfer der kommunistischen Fraktion, des früheren Zentrums und der Abgeordneten „bis in die Rechtsparteien hinein“.
Der Alterspräsident erinnerte ferner an das Schicksal „unserer Kriegsgefangenen und verschleppten Menschen“, die schon über fünf Jahre von der Heimat ferngehalten würden. „Helft diese schlimme Unmenschlichkeit beseitigen! Es genügt nicht, der Wiederkehr der mörderischen Kriege vorzubeugen - wobei zu helfen unsere erste Pflicht sein wird -, es müssen auch die schmerzlichen Reste dieser Vergangenheit endlich beseitigt werden“, sagte Löbe unter lebhaftem Beifall.
„Gleichberechtigtes Glied der Vereinigten Staaten von Europa“
Nach einer Gedenkminute für die Kriegsopfer aller Völker richtete Löbe den Blick in die Zukunft: Deutschland wolle ein „aufrichtiges, friedliebendes, gleichberechtigtes Glied der Vereinigten Staaten von Europa werden“. Schließlich rügte der Alterspräsident den zurückliegenden „erbitterten Wahlkampf“ und rief dazu auf, sich soweit zusammenzufinden, „dass Ersprießliches für unser Volk daraus erwächst, damit wir uns auch die Achtung für unser deutsches Volk in der Welt draußen zurückgewinnen!“
Im Anschluss wählte das Parlament den CDU/CSU-Abgeordneten Dr. Erich Köhler (1892-1958) zum ersten Bundestagspräsidenten und den SPD-Abgeordneten Prof. Dr. Carlo Schmid (1896-1979) sowie den FDP-Abgeordneten Dr. Hermann Schäfer (1892-1966) zu Vizepräsidenten des Bundestages. (02.09.2014)