„Die Gefahrenabwehr darf nur der Polizei obliegen“
Hoheitliche Maßnahmen wie die Gefahrenabwehr müssen der Polizei vorbehalten bleiben und dürfen nicht in die Befugnis privater Sicherheitsdienste fallen: Mit diesen Worten kritisiert Michael Hartmann die Tendenz in manchen Bundesländern, solche Unternehmen mit Polizeiaufgaben zu betrauen. Der SPD-Obmann im Innenausschuss fordert im Interview eine „echte Zertifizierung“ von Wachfirmen, um zu erreichen, dass sich deren Personal gegenüber den Bürgern legal verhält. Am Donnerstag, 14. März 2013, debattiert das Plenum des Bundestages eine halbe Stunde lang hüber einen Antrag der Linksfraktion (17/10810), der grundsätzliche Kritik an der „Privatisierung der öffentlichen Sicherheit“ übt und verlangt, dass dem staatlichen Gewaltmonopol Rechnung getragen wird. Das Interview im Wortlaut:
In den Städten treffen die Bürger vielerorts auf kommerzielles Wachpersonal, nicht nur in Bahnhöfen und auf Flughäfen. Dieses Gewerbe mit schon über 170.000
Beschäftigten gilt als Boomsektor. Wird das staatliche Gewaltmonopol ausgehöhlt?
Nun, nicht alle privaten Sicherheitsleute laufen Streife im öffentlichen Bereich. Da geht es um sehr breit gestreute Einsätze, viel Personal ist für private Auftraggeber aktiv oder übernimmt andere Sicherheitsaufgaben etwa bei der Gepäckkontrolle oder im Wach- und Schließdienst. Für die Bürger ist das aber oft kaum zu unterscheiden. Grundsätzlich muss gelten, dass hoheitliche Aufgaben wie die Gefahrenabwehr nur der Polizei obliegen dürfen. Leider ist dies indes nicht mehr uneingeschränkt der Fall. Manche Bundesländer gehen dazu über, vermehrt private Sicherheitsdienste mit Polizeiaufgaben zu betrauen, man denke auch an die sogenannte Bürgerpolizei. So etwas lehne ich ab, das ist der falsche Weg, das entspricht nicht meiner Staatsauffassung. Dieser Trend ist schon gar nicht zu akzeptieren, wenn der Staat damit Geld sparen will.
Das staatliche Gewaltmonopol ist ein Kernelement freiheitlicher Rechtsstaatlichkeit. Da ist es doch geradezu die Pflicht des Staats, sich um solche Aufgaben zu kümmern.
Der Staat kann und muss nicht alle Aufgaben wahrnehmen. Firmen sind durchaus gehalten, eine gewisse Eigensicherung zu betreiben. Man kann nicht einen teuren Rembrandt in eine Privatwohnung hängen und von der Polizei verlangen, den Schutz dieses Gemäldes zu übernehmen. Wenn Betriebe für den Werkschutz oder Reeder zum Schutz ihrer Schiffe auf den Meeren kommerzielle Wachdienste engagieren, dann ist das eine vernünftige Sache. Aber wenn es um die Ausübung unmittelbaren Zwangs und damit um Eingriffe in Bürgerrechte geht, dann muss dies der Polizei vorbehalten bleiben.
Die Kooperation zwischen Polizei und privaten Überwachungsdiensten mutet als Grauzone an. Wird auf diesem Weg quasi unter der Hand das private Gewerbe faktisch zu einer zusätzlichen Polizei?
Bei einer solchen Zusammenarbeit ist höchste Vorsicht geboten. Es gibt in der Branche seriöse Firmen, die für eine Kooperation geeignet sind. Aber man trifft auch auf unsolide Anbieter, und von denen sollte der Staat die Finger lassen. Wenn es um Sparmaßnahmen geht, dann dann darf dies auf keinen Fall auf Kosten einer nach· rechtsstaatlichen Grundsätzen organisierten Sicherheit gehen.
Eigentlich haben private Wachleute gegenüber den Bürgern keine Machtbefugnisse, die über die „Jedermannsrechte“ hinausgehen. Ist dies tatsächlich garantiert? Oder nimmt man das in der Praxis nicht so genau?
Auf Bahnhöfen, um dieses Beispiel zu nehmen, ist es für die Bürger angesichts ähnlicher Uniformen schon aus optischen Gründen schwierig, privates Wachpersonal von der Polizei zu unterscheiden, da können sich schon Grenzbereiche auftun. Der Staat muss darauf achten, dass Sicherheitsdienste nur gut geschultes Personal einsetzen, das die gesetzlichen Vorschriften genau kennt und sich gegenüber den Bürgern stets legal verhält. Aber leider sind in dieser Branche auch schwarze Schafe unterwegs.
Findet denn eine Kontrolle privater Überwachungsdienste statt? Wie effizient sind solche Überprüfungen?
Sofern kommerzielle Wachdienste von staatlichen Stellen beauftragt werden, müssen diese dafür Sorge tragen, dass nur Personal mit einer qualitativ hochwertigen Ausbildung beschäftigt wird, auch Sicherheitsüberprüfungen sind vonnöten. Aber ein Grundproblem ist nicht zu leugnen: Die Zulassung privater Sicherheitsdienste bei den Gewerbeämtern läuft im Prinzip so ab wie bei Pizzaverkäufern oder Reinigungsbetrieben. Da liegt ein großes Risiko. Deshalb muss künftig für Wachunternehmen eine echte Zertifizierung Bedingung sein.
Die Gewerkschaften kritisieren immer wieder die schlechte Bezahlung in diesem Gewerbe. Ist es rechtsstaatlich vertretbar, dass sich ein so heikler Bereich wie die Überwachung und Kontrolle der Bürger unter solchen Bedingungen abspielt?
Angesichts der oft miserablen Bezahlung dürfte es in der Tat schwer sein, qualifizierte Leute für solche Arbeiten zu finden. Auf jeden Fall geht es nicht ohne Mindestlöhne in einer nennenswerten Höhe. Seriöse Firmen dringen ihrerseits auf solche Standards. Unsolide Anbieter, die nicht wenigstens solche Mindestlöhne zahlen können oder wollen, verschwinden dann automatisch vom Markt.
(kos/08.03.2013)