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Parlament

Die Anfrage - ein wichtiges Recht der Parlamentarier

Wer, wie, was. Wieso, weshalb, warum – wer nicht fragt, bleibt dumm. Der Text des „Sesamstraßen“-Liedes lässt sich im Kern auch auf die Politik übertragen. Denn: Wenn Abgeordnete nicht kritisch nachfragen würden, könnten sie nicht die neben der Gesetzgebung wohl wichtigste Aufgabe des Parlaments erfüllen: die Kontrolle der Regierung. Ohne Informationen funktioniert dies nicht.

Das Fragerecht der Parlamentarier sichert somit die Grundlage ihrer Arbeit. Anfragen wie etwa die „Große Anfrage“ oder die „Kleine Anfrage“ sind wichtige Informations- und Kontrollinstrumente, die im Parlamentsalltag eine große, in den letzten Jahren zunehmende, Rolle spielen. In 60 Jahren Bundestag wurden so insgesamt 229 612 Anfragen und Einzelfragen gestellt.

Parlamentarisches Interpellationsrecht seit 1848

Was berechtigt die Abgeordneten eigentlich, von der Regierung bestimmte Informationen zu verlangen? Das parlamentarische Fragerecht leitet sich vor allem aus dem in Artikel 38 des Grundgesetzes verankerten Abgeordnetenstatus und dem in Artikel 20 festgeschriebenen Demokratieprinzip ab. Genauer ausgestaltet ist das Fragerecht in der Geschäftsordnung des Bundestags.

Schon die Geschäftsordnung des Preußischen Landtags vom 28. März 1849 garantierte den Abgeordneten ein „Interpellationsrecht“, das später in der Geschäftsordnung des Reichtages erhalten blieb und differenziert wurde. Die aktuelle Geschäftsordnung des Bundestages unterscheidet zwischen vier Frageformen: Der Großen Anfrage, der Kleinen Anfrage, der Schriftlichen Frage und der Mündlichen Frage.

Starkes Instrument der Regierungskontrolle

Mittels einer Großen Anfrage können Abgeordnete Auskunft und Rechenschaft von der Bundesregierung zu politischen Fragen und Sachverhalten verlangen. Sie kann von einer Bundestagsfraktion oder mindestens fünf Prozent aller Abgeordneten gestellt werden und ist von der Regierung schriftlich zu beantworten. Sobald die Antwort vorliegt, wird darüber im Plenum debattiert – sofern dies von einer Fraktion oder fünf Prozent aller Abgeordneten im Bundestag gewünscht wird.

Historisch gesehen ist die Große Anfrage die direkte Nachfolgerin der „Interpellation“, die schon im Preußischen Landtag und im Reichstag den Abgeordneten zur Verfügung stand. Sie gilt als eines der stärksten parlamentarischen Instrumente der Regierungskontrolle, weil die Antwort der Regierung öffentlich im Plenum diskutiert werden kann.


Im Vergleich zur Kleinen Anfrage wird die Große Anfrage allerdings eher selten eingesetzt: Laut einer Analyse des Politikwissenschaftlers Sven T. Siefken, der anhand des Datenhandbuchs zur Geschichte des Bundestages die Nutzung von Frageverfahren untersucht hat, wurden seit der Gründung der Bundesrepublik bis zum Ende der 16. Wahlperiode im Herbst 2009 insgesamt „nur“ 1.323 Große Anfragen, aber 15.505 Kleine Anfragen im Bundestag gestellt.

Seit Jahren schon nutzen Abgeordnete die Große Anfrage als Kontrollinstrument weniger: In der letzten Legislaturperiode erreichte die Zahl der Großen Anfragen schließlich ihren absoluten Tiefstand –  nur 63 Anfragen wurden zwischen 2005 und 2009 gestellt. In der 13. Wahlperiode waren es beispielsweise noch 156 gewesen.

Rekordzahl für die Kleinen Anfragen

Die Kleine Anfrage wurde 1912 im Reichstag eingeführt und später auch im Bundestag beibehalten. Die aktuelle Geschäftsordnung schreibt vor, dass eine Kleine Anfrage von fünf Prozent aller Abgeordneten oder einer Fraktion gestellt werden kann. Die Regierung beantwortet die Fragen schriftlich, eine Diskussion im Plenum des Bundestages ist nicht vorgesehen.

Offiziell beträgt die Frist, innerhalb derer die Regierung auf die Kleine Anfrage zu antworten hat, 14 Tage. Sie kann aber verlängert werden, was in der Praxis häufig geschieht. Die Kleine Anfrage ist den letzten Jahren immer wichtiger geworden: In der 16. Legislaturperiode erreichte die Zahl der Kleinen Anfragen mit 3.299 einen Rekordhoch.

Parlamentsreform 1969 weitet Fragemöglichkeiten aus

Im Gegensatz zu den ersten beiden Frageformen, für die es mindestens fünf Prozent der Abgeordneten braucht, um sie anzuwenden, können Schriftliche Fragen von einem einzelnen Parlamentarier gestellt werden. Jedes Mitglied des Bundestages hat die Möglichkeit, bis zu vier Mal im Monat eine Frage an die Regierung zu richten. Diese Fragen sollen binnen einer Woche nach Eingang beim Bundeskanzleramt beantwortet werden. Veröffentlicht werden die Antworten in der darauffolgenden Woche gesammelt in einer Drucksache.

Seit durch die „Kleine Parlamentsreform“ 1969 die Möglichkeit geschaffen wurde, Schriftliche Fragen an die Regierung zu stellen, wird diese Form der Anfrage häufig genutzt. Die meisten Fragen stellten bis dato die Abgeordneten des 12. Deutschen Bundestages: Zwischen 1994 und 1998 hatte die Bundesregierung unter Dr. Helmut Kohl (CDU/CSU) insgesamt 16.661 Fragen zu beantworten. In der vergangenen Wahlperiode waren es dagegen „nur“ 12.789.

1952: Einführung der Fragestunde

Neben den Schriftlichen Fragen kann jeder Abgeordnete auch für die Fragestunde, die 1952 eingeführt wurde und heute in Sitzungswochen immer mittwochs stattfindet, bis zu zwei Fragen zur mündlichen Beantwortung an die Bundesregierung richten. Dabei darf er jede Frage in zwei Unterfragen unterteilen und während der Fragestunde im Plenum weitere Zusatzfragen stellen.

Die Antworten übernehmen meist die Parlamentarischen Staatssekretäre oder Staatsminister der Bundesministerien, mitunter aber auch die Minister selbst. Fragen von nicht anwesenden Abgeordneten werden innerhalb einer Woche schriftlich beantwortet.

Immer weniger Mündliche Fragen

Rein zahlenmäßig betrachtet, spielen Mündliche Fragen im Vergleich zu Schriftlichen Fragen eine untergeordnete Rolle. Die meisten wurden in der siebten Wahlperiode gestellt: insgesamt 12.925. Seitdem sinken die Zahlen sukzessive. In der vergangenen 16. Wahlperiode waren es nur noch 2703. Ein „Auslaufmodell“ sei die Fragestunde jedoch keinesfalls, meint Politikwissenschaftler Siefken. „Praktiker betonen die ungebrochen große Wichtigkeit für die Parlamentarier“, schreibt er in seinem 2010 in der „Zeitschrift für Parlamentsfragen“ erschienen Artikel „Parlamentarische Frageverfahren – Symbolpolitik oder wirksames Kontrollinstrument?“.

Neben der Fragestunde ist die 30-minütige Regierungsbefragung für die Abgeordneten eine weitere Möglichkeit, mündlich Fragen zu aktuellen Themen, vorrangig aber zur vorangegangenen Kabinettssitzung, zu stellen.

Deutliche Verschiebung

Große Anfrage, Kleine Anfrage, Schriftliche und Mündliche Fragen werden von den Parlamentariern sehr unterschiedlich häufig genutzt. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich zudem eine deutliche Verschiebung in der Inanspruchnahme der Frageverfahren gegeben. Insbesondere die Große und die Kleine Anfrage haben in der Geschichte des Bundestages eine gegensätzliche Entwicklung durchlaufen.

In den ersten Jahren der Bundesrepublik wurde besonders die Große Anfrage als Informations- und Kontrollinstrument von den Parlamentariern intensiv genutzt (in der ersten Legislaturperiode stellten sie allein 160 Große Anfragen). Bis zur siebten Wahlperiode ging die Zahl deutlich zurück: Zwischen 1972 und 1976 stellten die Abgeordneten nur 24 Große Anfragen an die Regierung unter Willy Brandt (SPD)

Grüne stellten die meisten Großen Anfragen

Die Zahl wuchs erst nach dem Regierungswechsel zur Koalition aus CDU/CSU und FDP nach der Bundestagswahl 1983 wieder sprunghaft auf 175 Große Anfragen an: Die ins Parlament eingezogenen Grünen stellten in ihrer ersten Legislaturperiode davon allein 87 – so viel wie keine andere Fraktion je zuvor oder danach.

Aber auch die SPD nutzte in ihrer Zeit als Oppositionspartei das Instrument intensiv. 55 bis 61 Große Anfragen pro Wahlperiode brachte die Fraktion zwischen 1982 und 1998 auf den Weg. Fast doppelt so viele wie die Union, die in den Jahren zwischen 1969 bis 1982 durchschnittlich „nur“ 18 bis 33 Große Anfragen an die Regierung richtete. Seit Mitte der 1990er Jahre ist aber die Zahl der Großen Anfragen insgesamt rückläufig.

Linke nutzt Kleine Anfrage intensiv

Die Kleine Anfrage hingegen hat an Bedeutung gewonnen: Die Zahlen stiegen seit Gründung der Bundesrepublik kontinuierlich und erreichten wie schon beschrieben in der vergangenen 16. Legislaturperiode den Höchststand von 3.299 Kleinen Anfragen. Getrieben wurde diese Entwicklung ab 1983 zunächst durch die Grünen, zuletzt aber vor allem durch die Linksfraktion. Sie formulierte über 45 Prozent der Kleinen Anfragen. Schon die PDS, ihre Vorgängerpartei, hatte diese Frageform stark genutzt und in der 14. Legislaturperiode sogar über 62 Prozent der Kleinen Anfragen gestellt.

Wichtige Instrumente der Opposition

Der Anstieg der Großen Anfragen beim Einzug der Grünen in den Bundestag und wachsende Zahl der Kleinen Anfragen, die von PDS und Linke gestellt wurden, zeigt, dass die Parteien unterschiedlich stark die beiden Frageinstrumente nutzen. Ein Blick in die Statistik der vergangenen Legislaturperioden belegt aber auch, dass grundsätzlich alle Frageverfahren mehrheitlich von Oppositionsfraktionen genutzt wurden. Große Anfrage, Kleine Anfrage und Mündlich Fragen wurden sogar fast ausschließlich von ihnen gestellt. In der vergangenen Legislaturperiode stammten so 98,4 Prozent der Großen Anfragen, 100 Prozent der Kleinen Anfragen und 93,9 Prozent der Mündlichen Fragen aus den Reihen der Opposition. Schriftliche Fragen gingen zu 77,9 Prozent auf sie zurück.

Welches der Frageverfahren jedoch am besten geeignet ist, Öffentlichkeit herzustellen, ist unter Wissenschaftlern umstritten: Der Parlamentarismusforscher Wolfgang Ismayr bezeichnete 2001 in seinem Buch „Der Deutsche Bundestag im politischen System der Bundesrepublik Deutschland“ die Große Anfrage aufgrund der Möglichkeit, mit ihr eine Plenardebatte auszulösen, als die „bedeutendste“ der öffentlichkeitswirksamen Informations- und Kontrollverfahren.

Der Kommunikationsforscher Hans Mathias Kepplinger sieht das in seinem 2007 erschienenen Beitrag „Kleine Anfragen: Funktionale Analyse einer parlamentarischen Praxis“ anders. Aufgrund der gewachsenen Mediatisierung spiele heute die Kleine Anfrage für Abgeordnete eine weitaus größere Rolle, um Medienresonanz zu erzielen. Und auch Siefken vermutet, dass die gesunkene Anzahl der Großen Anfragen daraufhin deute, dass die Große Anfrage ihre Funktion des „Agenda-Settings“, also des Setzen von Themen, verloren habe.

Kleine Anfragen demonstrieren Aktivität

Der Zuwachs bei den Kleinen Anfrage hingegen beweise, dass dieses Instrument den Anforderungen eines Abgeordneten am ehesten entspräche so Siefken: „Auf diesem Weg lässt sich Aktivität demonstrieren, denn im Ergebnis liegt ein Dokument vor, das an Medien und Öffentlichkeit im Wahlkreis weitergeleitet werden kann.“ Über Kleine Anfragen werde zwar nicht signifikant öfter in den Medien berichtet als über Große Anfragen, schreibt er, doch Kleine Anfragen würden vielfach weiterverbreitet. Verweise auf sie fänden sich, so der Politikwissenschaftler der Universität Halle-Wittenberg, zum Beispiel verstärkt auch auf Seiten von Interessengruppen, Vereinen und Verbänden.

Die gestiegene Anzahl von Kleinen Anfragen hat aber in letzter Zeit in der Wissenschaft auch die Frage aufgeworfen, ob Anfragen tatsächlich noch in erster Linie die Funktion eines Kontrollinstruments hätten – oder ob sie zunehmend der Symbolpolitik dienten. Siefken jedenfalls sieht diese Gefahr nicht: Auch wenn Anfragen hauptsächlich von der Opposition genutzt würden, sei es nicht angebracht, sie als „reines politisches Showgeschäft“ kritisieren.

„Detailliert und kaum vorhersehbar“

Ihre kontrollierende Wirkung sieht er, ebenso wie der 1998 verstorbene Politik- und Verwaltungswissenschaftler Thomas Ellwein, in ihrer „Zufälligkeit“: „Ihre herausragende Wirkung entfalten Anfrageverfahren gerade daraus, dass sie kaum vorhersehbar und in ihrer Detailliertheit jegliche Themen ansprechen können, die im Verantwortungsbereich der Bundesregierung liegen“, resümiert Siefken.

Sie zögen ihre Bedeutung daraus, dass sie von den betroffenen Fachleuten in der Verwaltung kaum vorhergesehen werden könnten und sich häufig ad-hoc ergäben, aber zugleich kurzfristig und mit hoher Priorität  in einem formalen Verfahren zu beantworten seien. (sas)