Parlament

Vorschläge des Bundestagspräsidenten zum Wahlrecht

Bundestagspräsident Norbert Lammert

Bundestagspräsident Norbert Lammert vor der Bundespressekonferenz (© DBT/Melde)

Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert hat den Vorsitzenden der Fraktionen des Deutschen Bundestages im April vergangenen Jahres einen Vorschlag für die Fortschreibung und Ergänzung des Wahlrechts vorgelegt. Er hat zum Ziel, das Risiko einer starken Erhöhung der Anzahl der Bundestagsmandate zu verringern. In Modellrechnungen zur Bundestagswahl 2017 werden gegenüber der 1996 festgelegten Sollgröße von 598 Mandaten mehr als 700 Parlamentssitze für möglich gehalten.

Risiken einer Ausweitung der Zahl der Mandate

Bereits in der konstituierenden Sitzung des 18. Deutschen Bundestages hatte der Bundestagspräsident die Notwendigkeit einer Ergänzung des Wahlrechts angesprochen. Unter Beifall aus allen Fraktionen erklärte Lammert am 22. Oktober 2013 in seiner Antrittsrede als wiedergewählter Parlamentspräsident zu den Risiken einer erheblichen Ausweitung der Anzahl der Mandate: „Da es immer besser ist, sich mit solchen Entwicklungen dann auseinanderzusetzen, wenn die Probleme noch nicht eingetreten sind, spricht manches dafür, dass wir nicht erst nach der nächsten Wahl, sondern rechtzeitig vor der nächsten Wahl noch einmal einen gemeinsamen Blick auf diese Regelungen werfen.“

Seine Vorstellungen legte der Parlamentspräsident in einer Pressekonferenz am 13. April 2016 dar. Unter anderem schlägt Lammert vor, den Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes wie folgt zu ergänzen: „Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl nach den Grundsätzen einer mit der Personenwahl verbundenen Verhältniswahl gewählt.“ Damit würde die Grundentscheidung für ein bestimmtes Wahlsystem nicht mehr nur einfachgesetzlich, sondern als formelles Verfassungsrecht im Grundgesetz selbst geregelt.

„Zahl der Ausgleichsmandate deckeln“

Darüber hinaus regt Lammert an, in einem neuen Artikel 38 Absatz 3 des Grundgesetzes auf ein Bundesgesetz zu verweisen, in dem eine Höchstsitzzahl und einer Sperrklausel festgelegt werden. Alternativ könnten beide auch direkt im Grundgesetz verankert werden.

Die Option, die Zahl der Ausgleichsmandate zu deckeln, um einen übermäßig großen Bundestag zu vermeiden, basiere auf dem geltenden Wahlrecht, wonach die bundesweite Mandatsverteilung nach Zweitstimmen mit nachfolgendem Ausgleich von Überhangmandaten und föderalen Disparitäten durch Vergrößerung des Bundestages vorgenommen wird. Föderale Disparitäten können entstehen, wenn das Zahlenverhältnis der auf die einzelnen Bundesländer entfallenden Mandate vom Proporz der deutschen Bevölkerung in den einzelnen Ländern abweicht. 

Gesamtsitzzahl von 630 vorgeschlagen

Neu wäre lediglich, heißt es in Lammerts Vorschlag, dass die Sitzzahlerhöhung zur Verhinderung von Überhangmandaten abgebrochen wird, sobald eine noch festzulegende Gesamtzsitzzahl des Bundestages erreicht wird. Als Beispiel nennt Lammert 630 Sitze, was der aktuellen Größe des Bundestages entspricht. Sollte eine Partei mehr Direktmandate errungen haben als ihr nach dieser Berechnung zustehen, blieben ihr diese als externe Überhangmandate, die nicht ausgeglichen werden, erhalten. Entsprechend würde sich die Gesamtsitzzahl erhöhen.

Bis zu dieser Grenze von im Beispiel 630 Mandaten würden alle Ziele des geltenden Wahlrechts erreicht: Wahrung des Erst- und Zweitstimmenergebnisses, Beseitigung von Überhangmandaten, Wahrung des föderalen Prinzips, Vermeidung negativen Stimmgewichts (dass mehr Zweitstimmen zu weniger Mandaten oder weniger Zweitstimmen zu mehr Mandaten für eine Partei führen) und Vermeidung von Erfolgswertunterschieden durch Reststimmverluste.

„Im Interesse der Funktionsfähigkeit des Parlaments“

Erst danach würden zwangsläufig die Wirkungen des Ausgleichsmechanismus entfallen und es käme zu föderalen Disparitäten und Abweichungen vom Zweitstimmenproporz aufgrund dann entstehender ausgleichsloser externer Überhangmandate. Auch Konstellationen negativen Stimmgewichts wären nach Aussage des Bundeswahlleiters möglich. Für Lammert wirft das die Frage auf, ob diese Nachteile im Interesse eines funktionsfähigen Parlaments in Kauf genommen werden können.

Schließlich empfiehlt der Bundestagspräsident, die in Artikel 39 Absatz 1 des Grundgesetzes geregelte Länge der Wahlperiode auf fünf Jahre zu verlängern. (rim/vom/25.02.2017)